von Michael Ziesmann

«Ich finde schade, dass das Gejammer immer die ganze Branche betrifft»

Mediaagenturen sind weiterhin ein wichtiges Glied in der Wertschöpfungskette, findet Urs Schneider. Der Inhaber der Schweizer Mediaagentur Mediaschneider nimmt im Gespräch mit der MEDIENWOCHE Stellung zur laufenden Media-Debatte und weist dabei insbesondere auf die Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland hin.

Medienwoche: Würden Sie einen Steuerberater beauftragen, der auch vom Kantonalen Steueramt bezahlt wird?
Urs Schneider: Nein.

Ich frage deshalb weil internationale Mediaagentur-Gruppen inzwischen ganz offen einräumen, dass sie sogar überwiegend von Medienanbietern homoriert werden. Also könnten Sie doch auch das Kantonale Steueramt mit Ihrer Steuererklärung beauftragen, oder?
Mediaagenturen in der Schweiz sind Treuhänder der Kunden. Um objektiv und zielorientiert für ihre Kunden arbeiten zu können, müssen sie von den Kunden für ihre Arbeit entschädigt werden.

Einem Immobilienmakler darf das Haus gar nicht gehören, das er vom Bauherrn zum Käufer vermittelt. Sonst verliert er seinen Provisionsanspruch. Mediaagenturen bekommen faktisch vom Bauherrn Rückvergütungen, die dem Käufer gegenüber oft nicht mal quantifiziert werden. Warum sollte der Immobilienmakler namens Mediaagentur dies tun dürfen, wenn ihm seine Provision zu gering erscheint?
Dieses Vorgehen ist in der Schweiz von Gesetz her gar nicht möglich. Ein Agent arbeitet im Auftrag und auf Rechnung des Kunden. Somit ist rechtlich gesichert dass die Kunden der Mediaagenturen die Rechnungen der Medien bezahlen und die Agenturen ein Honorar vom Kunden erhalten. Zudem muss die Mediaagentur ihre Kommission an den Kunden zurückvergüten – das ist in der Schweiz Usanz.

Mediaagenturen beklagen sich oft, dass Werbeauftraggeber zu geringe Honorare bezahlen würden. Aber je geringer die Honorare werden, umso größer wird die Profitabilität vor allem der internationalen Mediaagentur-Gruppen. Ist das Argument mit den geringen Honoraren vorgeschoben?
Bei internationale Etats werden möglichst tiefe Prozenthonorare über mehrere Länder ausgehandelt – ohne dezidiert auf die spezielle Situation in der Schweiz zu achten. Die Budgets für die Schweiz sind gegenüber Deutschland acht bis zehnmal kleiner und mit den tiefen Honorarsätzen ist der Ertrag in der Regel für die Mediaagenturen nicht kostendeckend. Hinzu kommt, dass wir in einem mehrsprachigen Land leben und die Medienstrukturen hier vielfältiger sind als in anderen Ländern. Das heisst, der Aufwand für Planung, Abwicklung und Reporting ist entsprechend höher. Für unsere Verhältnisse – und ich betone für die Schweiz – ist das Argument der geringen Honorare zulässig.

So wie für Flugbuchungen kaum ein Reisender ein Reisebüro benötigt, weil er seine Flüge online direkt beim Anbieter bucht und dabei Aufschläge des Reisebüros spart, so stellt sich auch das Mediageschäft ähnlich dar. Bleibt Mediaagenturen nur der Weg Dritteinflüsse zu maximieren und den vorhin gebrauchten Vergleich mit dem Steuerberater billigend in Kauf zu nehmen, weil ihr Geschäftsmodell sonst längst nicht mehr tragfähig wäre?
Der Vergleich mit Flugbuchungen ist für Mediabuchungen etwas trivial. Bei der sich stark verändernden Medienlandschaft ist Übersicht, Know-how und Planungs- und Abwicklungssicherheit unerlässlich. Das Mediamanagement wird komplexer einerseits durch die digitalen Medien und durch die sich verändernden Nutzungs- und Shoppingverhalten und andererseits durch die stets steigende Anzahl der Medien.

Wie halten Mediaagenturen mit dieser Entwicklung Schritt?
Wir müssen uns von der Erstellung einzelner Mediapläne pro Kanal verabschieden und konvergente Strategiekonzepte – klassisch und digital -zusammen mit Kreativagenturen entwickeln. Erfolgreiche Strategien sind Marken-individuell und die Mediaplanung basiert nicht mehr länger auf standardisierten Zielgruppen wie 15 bis 49 Jahre, sondern fokussiert sich auf verhaltensorientierte Merkmale und muss dem Customer-Journey folgen. Für Kunden, die erfolgsorientiert denken, ist die qualitative Leistung einer Mediaagentur künftig noch wichtiger. Das Geschäftsmodell der Mediaagenturen muss sich demnach qualitativ und nicht nur quantitativ entwickeln. Billig und mehrheitlich über die Medien finanziert ist und bleibt problematisch.

Das sehen offenbar nicht alle Mediaagenturen so.
Man sollte bitte auch berücksichtigen, dass die Mediaagenturen durch die Bündelung der Werbegelder die Konditionen der Medien entscheidend beeinflusst und den Werbeauftraggebern in der Vergangenheit Milliarden an Kosten eingespart haben. Die Mediaschneider-Gruppe (Mediaschneider AG, MediaPlus AG, TW-Media, Anm.) ist nach Umsatz gerechnet die Nummer drei in der Schweiz und Resultate von Media-Audit-Analysen zeigen, dass wir mit dieser Position preisgünstiger einkaufen als die durchschnittlichen Benchmarks. Allein die Grösse macht’s nicht aus, aber eine bestimmte Marktposition ist im Media-Buying entgegen Ihrer These weiterhin vorteilhaft.

Mediaagenturen sehen sich aufgrund der Fragmentierung der Medienlandschaft als immer bedeutsamer, wie Sie eben auch deutlich machten. Aber gleichzeitig wollen sie keine Agenturen und schon gar keine Mediaagenturen mehr sein. Wie passt das zusammen?
Das Geschäftsmodell der Mediaagenturen basiert auf der Beratung und nicht auf der Vermarktung. Diese zwei Positionen schliessen sich aus, da die Unabhängigkeit für objektive Beratung unabdingbar ist. Für die Mediaagenturen ist die zunehmende Komplexität des Mediageschäftes eine grossartige Zukunftschance. Die Beratungsleistung wird zum zentralen Nutzen für die Werbeauftraggeber. Daneben ist die technologische Entwicklung ein wichtiger Asset für Mediaagenturen, denken wir nur an Programmatic-Advertising. Neue Möglichkeiten in der Nutzung von Kundendaten und der personalisierten Kundenansprache sind echte Herausforderungen, welche Mediaagenturen zusammen mit ihren Kunden angehen können. Zumindest in der Schweiz wollen die Mediaagenturen weiterhin Agenturen sein – und zwar als Berater für «all media» und nicht nur paid.

Unterscheidet sich Mediaschneider von internationalen Mediaagentur-Gruppen und wenn ja, wodurch?
Unsere Agentur unterscheidet sich dahingehend, dass sie nicht einem börsenkotierten Unternehmen gehört, sondern sich mehrheitlich in meinem Besitz befindet und daher auch das reine kurzfristige Profitdenken nicht im Vordergrund steht – mit dieser Überzeugungshaltung leitet auch unser neuer CEO Manfred Strobl die Agentur. Wir beraten unabhängig und engagieren uns persönlich für die Ziele unserer Kunden. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind immer noch die massgeschneiderte Mediaplanung, keine Copy-Paste-Planung, sowie Zuverlässigkeit und Transparenz. Die Kompetenz unserer Mitarbeiter ist für professionelle Leistung entscheidend. Wir engagieren uns intern und extern für fundierte Ausbildung in Kommunikation und Media. Unsere Organisationsstruktur ist direkt und einfach gegliedert, wir arbeiten in Teams, die die Kunden von A bis Z kennen und ganzheitlich fürs Media zuständig sein. Dank hoher Mitarbeiterzufriedenheit liegt unsere Fluktuationsrate signifikant unter dem Branchendurchschnitt.

Wie wirkt sich das auf ihre Geschäftstätigkeit aus?
Alles in allem erhöht das unsere Leistungsfähigkeit und Ertragskraft. Wir pflegen eine treuhänderische Geschäftspolitik, was unseren Aufwand und Ertrag betrifft. Transparenz gilt vor allem im Media Buying hinsichtlich Rabattvergütungen, Kommissionen, Sonderkonditionen, Freespace sowie Vergütungen durch Medien. Das Vertrauen der Kunden in unsere Arbeit zahlt sich durch ihre langjährige Loyalität aus. Weiter sind wir international mit Mediaplus (Serviceplan München, Anm.) verbunden, der besten Mediaagentur in Deutschland laut aktueller Recma-Veröffentlichung. Wir profitieren hier von einem Partner der unsere Werte vertritt. Wir erweitern damit unser Know-How und können somit auch internationale Kunden betreuen.

Sie sprachen die Transparenz beim Mediaeinkauf an. In der Schweiz kaufen Mediaagenturen auf fremde Rechnung und fremden Namen Werbeplätze ein. Dennoch sehen die «BSW Branchengrundsätze» auch vor, dass Direkt-Buchungs-Entschädigungen (DBE) und Online-Buchungs-Entschädigungen (OBE) vollständig bei der Agentur verbleiben. Wie erklären Sie diesen Widerspruch obwohl es am Ende des Tages immer das Geld der Werbeauftraggeber ist, mit dem hantiert wird?
Da haben sie vollkommen Recht. Eine Mediaagentur handelt immer mit dem Geld der Werbeauftraggeber und das im Namen und auf Rechnung des Kunden. In der Schweiz hat der Kunde vollständige Transparenz was die Medien in Rechnung stellen. So gesehen existiert das «Loi Sapin» hier seit eh und je. Ein Spielraum für unzulässige Fakturen durch Mediaagenturen existiert nicht. Tatsache ist, dass die Honorarprozente bei immer tieferen Budgets und bei steigenden Aufwand bei vielen Mediaagenturen nicht mehr kostendeckend sind. Ein gewichtiger Personalkostenbetrag macht die Buchung und Abwicklung von Mediaaufträgen aus. Mediaagenturen reservieren, buchen, kontrollieren und verrechnen Werbeaufträge via onlinegestützter Vermarkteranbindung. Dieser Aufwand hat sich in den letzten Jahren massiv verstärkt und wird nicht durch höhere Honorare der Werbeauftraggeber vergütet. Solange dieser Aufwand Sache der Mediaagenturen ist und eine angemessene Entlohnung nicht stattfindet, ist es zumindest fair, dass diese Entschädigungen der Agentur zustehen. Unseren Kunden können zwischen verschiedenen Vergütungsmodellen wählen. Neben Prozenthonoraren stehen Aufwandhonorare (Stundenaufwand), Flat-Fee oder auch Incentive Honorierung zur Wahl. Bei vollständiger Deckung unserer Kosten werden neben den Kommissionen auch DBE- und OBE-Erträge den Kunden zurückvergütet. Einige Kunden profitieren von dieser Regelung und bezahlen unsere Leistungen nach effektiven Aufwand.

Bereits im Jahr 2008 ortete der damalige Präsident des Verbandes Schweizer Werbung (SW) im Schweizer Mediageschäft Zustände wie im Casino. Seitdem sei es schlimmer geworden und tendiere vom Roulette zum «einarmigen Banditen», ätzen Marktteilnehmer heute. Wohin muss der Strukturwandel führen, damit Marktteilnehmer auf Agentur- und Kundenseite das systemische Marktversagen nicht mehr in Absichtserklärungen weglächeln, sondern die Wertschöpfungskette wiederherstellen?
Ich finde es schade, dass das Gejammer um die vermeintliche Intransparenz bis zu Korruptionsvorwürfen immer die ganze Branche trifft. Wie gesagt die Mediaagenturen sparen den Werbeauftraggebern Milliarden an Werbekosten, welche sich notabene direkt und positiv auf den EBIT auswirken. Von Marktversagen kann hier wirklich keine Rede sein und ich denke das Problem kann nur durch Offenheit und Vertrauen gelöst werden. Bei Unbehagen müssen die Kunden bei ihren Mediaagenturen Transparenz einfordern oder durch gute Auditoren Prüfungen durchführen. Die Verträge zwischen Kunden und Agenturen müssten Vergütungen und Rückvergütungen klar und unmissverständlich regeln.

Der von Ihnen beschriebene Mehrwert wird oft durch Nachteile durch Agenturverträge negiert, die Werbekunden juristisch lupenrein übervorteilen, berichteten Magazine wie «Werben & Verkaufen» oder «Wirtschaftswoche».
Professionelle Mediaagenturen schaffen täglich einen x-fachen Mehrwert, sei es durch zielgenaue Strategien und Planungen oder durch effizienten und effektiven Medieneinkauf und Abwicklung. Deshalb sind sie ein wichtiges Glied in der Wertschöpfungskette. Dieser Wert ist nicht nur auf Kundenseite sondern auch für die Medien in Zukunft von eminenter Bedeutung. Man darf auch nicht vergessen, dass Mediaagenturen in den letzten Jahren sehr viel Geld in neue Technologien und Forschungen investiert haben, um ihre Leistungen nachhaltig zu verbessern. Der Strukturwandel verlangt weiterhin ein finanzielles Engagement der Mediaagenturen, von welchen im Endeffekt alle Marktteilnehmer profitieren werden. Das muss auch einmal gesagt werden, den es verbessert und moduliert die Wertschöpfung, ohne sie in Frage zu stellen.

Leserbeiträge

Peter Meier 03. September 2015, 16:32

Da kann man Urs Schneider nur Recht geben! Zum Glück gibt es in der Schweiz neben Mediaschneider noch eine ganze Menge weiterer kleinerer und mittlerer, unabhängiger und renommierter Media-Agenturen die sauber arbeiten, Know-how bieten und das Geld der Kunden treuhänderisch verwalten.
Zu Herrn Ziesmann: Ihr Text strotzt nur so von Rechtschreibefehlern, aber ein Korrektorat würde natürlich Geld kosten… aber eben, Hauptsache alles ist billig und günstig, der Deal zählt! Der sinnvolle Media-Plan, Beratungs-Qualität, Know-how, Erfahrung (um z.B. gewünschte Marketing-Zielsetzungen auch zu erreichen!) spielen heutzutage anscheinend keine Rolle mehr.

Michael Ziesmann 03. September 2015, 17:01

Hallo Herr Meier,

besten Dank für Ihre partiell konstruktive Anmerkung. Ich verbessere Sie nur sehr ungern, aber es heisst Rechtschreibfehler und nicht Rechtschreibefehler:

http://www.duden.de/rechtschreibung/Rechtschreibfehler

🙂

Michael Ziesmann 03. September 2015, 17:18

Nachtrag zu Herrn Meier:

Möchten Sie diesen Vorgang – den es in aktueller Form in der Schweiz vielfach gibt – auch auf Rechtschreibfehler reduzieren? Denn das wäre in der Tat „billig“:

http://www.werbewoche.ch/interview/niemand-weiss-genau-woher-die-verguetungen-kommen

Sandro Prezzi 03. September 2015, 19:21

Es mag schade sein, dass auch die weissen Schafe sich mit der Kritik und dem Fehlverhalten der schwarzen Schafe konfrontiert sehen. Keine Frage, nicht alle haben „Dreck am Stecken“. Tatsache ist aber, dass nur wirklich ganz wenige so weit vom Schuss waren, dass sie nicht mindestens ahnten, was läuft – auch in der Schweiz.

Es ist schon auch Zeit, dass wir in der Schweiz überlegen, wie es mit der Mediaagentur, deren Aufgabe und Rolle und dem digitalisierten Markt weitergeht. Dazu muss man auch kritisch sein. Schliesslich kriegt nun durch die vielen Headlines auch Aufmerksamkeit vom Top-Management der Kunden, welche plötzlich wissen wollen, wo ihr Geld hingeht und wer wieviel womit verdient. Momentum als Chance nutzen!

Witzig finde ich den Kommentar von Herr Meier. Ausser Formkritik keine Argumente? Wieso so angriffig? Weder Urs Schneider noch Michael Ziesmann stehen für die „Geiz ist Geil“ Mentalität.

Beste Grüsse mit echtem Namen
Sandro Prezzi