von Nick Lüthi

Ein «Ventil» für einen Abend

Das Image hat gelitten, der Legitimationsdruck steigt: Jetzt will die SRG Sympathien zurückgewinnen. Das schafft sie nicht allein mit den bestehenden Programmen. Darum schenkt SRF-Direktor Ruedi Matter dem Publikum ein offenes Ohr. In der vorerst einmaligen Sendung «Hallo SRF!» will Matter Zuschauerfragen beantworten. Das ist quasi die seriöse Variante von «Ventil», dem legendären und kontroversen Beschwerdeformat des früheren Schweizer Fernsehens SF DRS.

Es war eine Sternstunde des Schweizer Fernsehens und seither gilt «Römerfilme» als ein geflügeltes Wort. Als vor zwanzig Jahren Frank Baumann in der Medienpersiflage «Ventil» den Ombudsmann des Schweizer Fernsehens mimte, bot er der auch damals schon grassierenden Unzufriedenheit mit dem TV-Programm ein – nomen est omen – willkommenes und beliebtes Ventil. Und so durfte am 3. Januar 1996, einem Mittwoch, abends gegen Viertel vor elf, ein nicht weiter bekannter Herr Anegg seinen wohl schon lange gehegten Wunsch nach mehr Römerfilmen im Programm des Schweizer Fernsehens live und öffentlich kundtun; ein Wunsch, der natürlich unerfüllt bleiben sollte. Aber es ging ja auch vor allem um die Ventilwirkung.

Ob «Ventil» als Satire durchgeht oder doch als ernst gemeintes Experiment in zeitgemässem Kundendialog, spielt im Rückblick keine Rolle. Entscheidend ist: Die Zuschauer nahmen das Angebot an und riefen munter an mit ihren Beschwerden und Anliegen in die Sendung an. Sie nutzten die Plattform, um «so richtig schön Dampf abzulassen» (offizielle Ankündigung SF DRS) und auch der vom Fernsehen symbiotisch abhängige Boulevard nahm die Steilvorlage dankend an und forderte seine Leser auf, dem Schweizer Fernsehen mal so richtig die Meinung zu geigen: «Sauer auf TV DRS? Rufen Sie an beim frechen Frank!».

Womit bei dieser Übungsanlage zu rechnen war: «Ventil» sorgte SRG-intern für Kontroversen und auch öffentlich stand die Sendung im Gegenwind. So war die Sendung Thema in einem «Club» und der  Publikumsrat forderte gar, die Sendung abzusetzen. Das unterstreicht aber nur den medienkritischen Nutzen: «Ventil» machte sich selbst zum Thema und damit zum Brennpunkt einer Debatte über die Leistungen des Schweizer Fernsehens.

Heute, zwanzig Jahre später, kommt mit «Hallo SRF!» quasi die seriöse Variante des Publikumstelefons. Kein lustiger Werber sondern der Radio- und Fernsehdirektor der Deutschschweiz persönlich nimmt den Telefonhörer ab. Ruedi Matter wird am Mittwoch 11. November zur Primetime um acht unter der Moderation von «Arena»-Chef Jonas Projer Fragen des Publikums beantworten. «Das Ziel von ‹Hallo SRF!›», erklärt Projer, «ist eine kontroverse Debatte zwischen Publikum und SRF-Direktor. Dazu braucht es vor allem Kritik und Widerspruch.» Damit es dazu kommt, rühren auch die privaten Medien, die ja zu den grössten SRG-Kritikern zählen, die Werbetrommel für das Sorgentelefon. Und die Schlagzeilen lauten nicht anders als damals bei «Ventil»: «Was du von der SRF-Spitze schon immer wissen (oder ihr an den Kopf schleudern) wolltest: Jetzt hast du die Möglichkeit dazu!», schreibt etwa Watson.

Dass ein solches Format gerade jetzt ins SRF-Programm kommt, überrascht wenig. Im Abstimmungskampf um das revidierte Radio- und Fernsehgesetz im Frühjahr machte die SRG nicht die beste Figur und vertrat ihre Position nur mit angezogener Handbremse. Das lag zwar zu guten Teilen an der Konstellation, dass Radio und Fernsehen Gegenstand der Vorlage waren. Aber abgesehen davon konnte man nicht eben den Eindruck einer besonders souveränen Kommunikation gewinnen. Das soll sich nun offenbar ändern. Dabei kann sich SRF auch auf die Lehren aus ihren früheren Experimenten abstützen.

Schliesslich gab es nicht nur das satirische «Ventil». Ein Jahrzehnt nach dem krawalligen Kundendienstimitat folgte ein Blog des damaligen Chefredaktors als Diskussionsplattform. Von 2006 bis 2009 notierte Ueli Haldimann in bester Bloggermanier allerlei Selbst- und Medienkritisches. Auch wenn die Diskussionen auf dem Blog selten ergiebig waren, weil sich Haldimann nicht sonderlich aktiv in die Debatte einbrachte, erfüllte der «CR-Blog» eine wichtige Funktion als Kristallisationspunkt für Publikumskritik. So bot etwa der «Blick» einem Shitstorm avant la lettre Raum und veröffentlichte massenhaft kritische Reaktionen auf ein Posting, wo Haldimann Panini-Bilder-Sammler als evolutionär rückständig tituliert hatte. Überhaupt war das Blog während der fast vier Jahre seiner Existenz regelmässig Gegenstand der Medienberichterstattung.

Denn obwohl die beste und ehrlichste Werbung für einen Service public das Programmangebot selbst ist, kann die SRG nicht mehr umhin, auch darüber hinaus ihr Tun und Handeln zu erklären. Die vorerst einmalige Ausgabe von «Hallo SRF!» könnte ein Anfang sein zu einer offeneren Diskussionskultur zwischen SRG-Leitung und dem Publikum. Einem von der Öffentlichkeit finanzierten Unternehmen steht es gut an, wenn sich dessen Führung offen für Kritik zeigt und auch darauf reagiert. «Ventil» ist dafür gar kein so schlechtes Vorbild: Lange vor den ruppigen Kommentarschlachten im Internet zeigte Frank Baumann, wie man überzogene oder ungerechtfertigte Kritik mit auch nicht immer zimperlichen Methoden kontern kann. An Haldimanns Blog wiederum könnte sich die aktuelle SRF-Führung ein Vorbild nehmen und selbst regelmässig mit (Selbst)kritik zur Debatte anregen. Plattformen dafür gibt es genug. Jetzt braucht es nur noch die Bereitschaft von Matter & Co., den aktiven Publikumsdialog zur Daueraufgabe zu machen.

Leserbeiträge

Helga Jungo-Fallier 16. Oktober 2015, 13:50

Sehr geehrte Damen und Herren

Wir sind ein vielsprachiges Land. Da sie ein öffentliches Organ sind, erwarten wir von Ihnen, dass Sie die Sendungen in SCHRIFTDEUTSCH ausstrahlen. Die Nachrichen werden in DEUTSCH, METEO SCHWEIZ in Mundart, gesendet!Das gleiche gilt für Programme wie Rundschau, Kassensturz, Dienstagclub, Arena etc. Wir verlangen von den Ausländern, dass sie DEUTSCH lernen. Bei MUNDART gibt es keine richtige Grammatik. Was die Moderation vom Dienstagclub anbelangt, könnten wir uns eine bessere, spannendere Lösung vorstellen.

Des weiteren haben wir festgestellt, dass z. B. bei DRS 1 ausser den Verkehrs- und Nachrichtensendungen alles in DIALEKT gesprochen wird (meistens in unverständlichem BERN- oder WALLISER-Dialekt).

Wir hatten erwartet, als Herr Roger de Weck SRF-Direktor wurde, sich diesen Dingen annehmen würde. Noch dazu, da er viele Jahre beruflich in Deutschland tätig war und dort genügend Erfahrungen diesbezüglich sammeln konnte.

Freundliche Grüsse
Paul & Helga Jungo-Fallier

Willi Däppen 10. November 2015, 07:37

Guten Tag liebe Verantwortlich für Musik bei DRS 1
Ich erwache am Morgen nach 5Uhr und höre DRS1.Leider habe ich seit langem festgestellt,dass von 10 Liedern 8bis 9 auf Englisch gesungen werden.Habe nichts gegen die Lieder aber wir haben doch auch so schöne Schlager und Lieder auf Mundart oder Hochdeutsch.Warum nicht 50 zu 50% durchmischen.
Ich höre auch Musikwelle,ist eine Supper Sendung.
Habe schon einmal nach gefragt,wird weiter geleitet.Bis jetzt nichts gebracht.
Freundliche Grüsse
W.Däppen
Weiter leiten an Herrn Matter,vielen Dank