von Nick Lüthi

Eine realistische SRG muss nun das Unmögliche planen

Nach Informationen der Neuen Luzerner Zeitung kommt die «No Billag»-Initiative zur Abschaffung der Rundfunkgebühren zustande. Am Freitag will das Komitee die beglaubigten 100’000 Unterschriften vorlegen. Damit wäre der medienpolitischen Diskussion der Stempel des Grundsätzlichen aufgedrückt. Was das für die SRG heisst.

Nun steht die Frage im Raum: Was wäre, wenn… ? Ja, was wäre, wenn es die SRG in ihrer heutigen Form nicht mehr gäbe? Was bis weit in die SVP hinein bisher als undiskutabel galt, steht jetzt zur Disposition, nämlich die Abschaffung des nutzerfinanzierten Radios und Fernsehens. Sollte sich die Meldung der «Neuen Luzerner Zeitung» bewahrheiten, wonach die Initiative «No Billag» zustandekommen ist, dann hinge fortan die radikale Forderung als Damoklesschwert über der gesamten medienpolitischen Debatte: Jede Weichenstellung, ob von Unternehmen, Politik oder Verwaltung, muss man nun im Lichte einer bisher für unmöglich gehaltenen Medienordnung ohne öffentlich finanzierten Rundfunk betrachten. Nun geht es immer gleich ums grosse Ganze.

Unter den neuen Vorzeichen sieht auch der Werbedeal der SRG mit Swisscom und Ringier anders aus. Er weist deutlich in eine «No Billag»-Zukunft. Würden die Gebühren wegfallen, könnte sich die SRG nur noch auf dem Werbemarkt finanzieren. Natürlich auch im Web, weil ja das Online-Werbeverbot hinfällig würde. Ein seriöses Unternehmen plant alle Eventualitäten, erst recht, wenn sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreffen. So gesehen erweist sich das Joint Venture als vorausschauende Massnahme der SRG in eine mögliche und inzwischen auch etwas wahrscheinlichere Medienzukunft ohne gesetzlich garantierte Finanzierung.

Das hiesse aber auch: Der Programm- und Versorgungsauftrag würde gegenüber heute deutlich gelockert. Mit minimalen Konzessionsvorgaben, wie sie heute schon für meldepflichtige Sender gelten, und mit einer angepassten Rechtsform könnte die SRG beispielsweise Mitglieder bevorzugt behandeln. So erhielte die bisher ideell motivierte SRG-Vereinsmitgliedschaft plötzlich einen handfesten Gegenwert mit dem Zugang zu attraktiven Programmen. Mit Service public im heutigen Sinn hätte das natürlich nicht mehr viel zu tun. Aber dessen Abschaffung ist ja auch das Ziel der Initiative.

Für die medienpolitische Diskussion bietet das Zustandekommen von «No Billag» aber auch Chancen:

  • Der Missmut gegenüber der SRG ist kanalisiert und quantifiziert. Nun liegt eine klare Forderung auf dem Tisch, anders als bei der RTVG-Abstimmung als es eigentlich nicht um die SRG als solche ging.
  • Eine Diskussion in grösseren Dimensionen öffnet Raum für ungewöhnliche Lösungen, die auch im Falle einer Ablehnung von «No Billag» Bestand haben können.
  • Die SRG muss ihre Existenzberechtigung beweisen. Das erfordert eine offensive Kommunikation mit Feingespür, die über das eigentliche Programmschaffen hinausreicht. «Hallo SRF!» war ein mehr oder weniger gelungener Versuchsballon.
  • Die Politik ist zu einem klaren Bekenntnis gezwungen. Bevor es um alle weiteren Details des medialen Service public geht, steht nun vorläufig die Grundsatzfrage im Raum: öffentlich finanzierte Medien ja oder nein?

Die «No Billag»-Initiative konnte wegen ihrer schwachen Verankerung im Parteien- und Verbandsspektrums bisher nur zu leicht als Internet-Spinnerei abgetan werden. Das Zustandekommen bedeutete für die SRG-Abschaffer schon einmal einen Grosserfolg. Sie haben es geschafft, der Diskussion den Stempel aufzudrücken. Ob die Sensation gelingt und die Stimmberechtigten dem radikalen Ansinnen zum Umpflügen der Medienlandschaft zustimmen, würde heute wohl niemand zu prognostizieren wagen. Beim knappen Ergebnis zugunsten des revidierten Radio- und Fernsehgesetzes im letzten Mai ging es für die SRG gerade noch einmal glimpflich aus. Aber das nächste Mal? Ein Zufallsergebnis in die andere Richtung wäre genauso gut möglich, wenn sich wieder ein ähnliches Anti-SRG-Klima breitmachen sollte.

Leserbeiträge

Olivier Kessler 10. Dezember 2015, 13:40

Lieber Herr Lüthi

Ich weiss nicht, ob Sie hier bewusst Fehlinformationen verbreiten oder dies wider besseres Wissen tun.

Sie schreiben, die No-Billag-Initiative hätte eine „Abschaffung des nutzerfinanzierten Radios und Fernsehens“ zur Folge. Inwiefern hat der heutige Billag-Zwang für alle etwas mit „nutzerfinanziert“ zu tun? Heute müssen ja auch Nicht-Nutzer bezahlen. Diese Begrifflichkeit ist demzufolge nicht nur unpräzise, sondern falsch.

Zudem behaupten Sie: „Würden die Gebühren wegfallen, könnte sich die SRG nur noch auf dem Werbemarkt finanzieren.“ Tatsächlich gibt es aber noch viele andere Möglichkeiten, wie man sich ohne Anwendung von Zwang finanzieren kann. Beispielsweise via Pay-TV-Beiträge (die man als Konsument erst dann zahlt, wenn man freiwillig einen Vertrag mit dem Sender unterschrieben hat, die Inhalte allerdings auch erst nach Bezahlung entschlüsselt und für den Konsum freigegeben werden). Aber auch andere Varianten wie etwa Crowdfunding sind denkbar.

Das vielgehörte Argument, dass ja eigentlich jeder SRG-Programme konsumieren könne, ist absurd. Es ist doch nicht an den einzelnen Menschen, zu beweisen, dass sie die Dienstleistungen einer Firma, die sie konsumieren könnten, nicht konsumieren. Vielmehr ist es an der SRG, ihr Programme zu verschlüsseln und nur zahlenden Kunden zugänglich zu machen, wie das bei allen anderen Produkten wie z.B. das Brot beim Bäcker oder das Trainieren im Fitnesscenter auch der Fall ist.

Sie reden auch von SRG-Abschaffern, obwohl No-Billag-Komiteemitglieder immer wieder darauf hinweisen, dass es nicht um die Abschaffung der SRG geht. Die SRG soll weiterhin existieren und Sendungen ausstrahlen dürfen. Sie muss sich in Zukunft einfach selbst finanzieren – wie jedes andere Unternehmen auch.

Danke für die Kenntnisnahme.

Beste Grüsse
Olivier Kessler

Thomas Schnider 10. Dezember 2015, 14:37

Wenn es ein „radikales“ Ansinnen ist, nur Dienstleistungen bezahlen zu müssen, die man auch wirklich bestellt hat, dann bin ich in diesem Falle gerne radikal. Ein Zwangs-TV ist einer freien Medienlandschaft unwürdig.

Stefan W. 10. Dezember 2015, 16:38

In der linken Gedankenwelt ist das leider häufig tatsächlich ein radikaler Gedanke. Das Ideal dort ist bekannterweise, möglichst viel Geld zentral beim Staat zu sammeln und dann nach Gutdünken umzuverteilen. Also gerade das Gegenteil vom Verursacherprinzip.

Hürlimann 14. Dezember 2015, 22:06

So etwas nennt sich Solidaritätsprinzip und ist überhaupt nicht radikal. Es ist zum Beispiel das Grundprinzip der Versicherungen. Aber wir schweifen vom Thema ab.

Ich finde es gut und wichtig, dass man grunsätzlich über die SRG und ihre Finanzierung diskutiert. Bisher haben sich alle Beteiligten um eine Diskussion gedrückt, kaum ein Politiker nahm dezidiert Stellung. Denn die Medien und die mächtige SRG dienen als Multiplikator und Sprachrohr für die Aussagen der Politiker. Und wer sägt schon am Ast auf dem man sitzt.

Andreas 10. Dezember 2015, 18:47

Nutzerfinanziert?? Künftig sollen ja alle zahlen egal ob man das Angebot nutzt oder nicht!
Ich hoffe die „No Billag“ initiative kommt zur Abstimmung.
Es geht mir nicht um die höhe der Gebühr, sonder das ich gezwungen werde etwas zu bezahlen das ich nicht nutzen will (das so etwas überhaupt legal ist!?).
Ich hole meine Informationen aus dem WWW oder aus Zeitungen… SRG schaue und höre ich nicht.
Wenn die Zwangsgebühren abgeschafft werden, wird SRG sicher einen weg finden sich selbst zu finanzieren.

Martin Kallmann 03. Februar 2016, 16:09

Zum Glück kann SRF noch auf die treuen, älteren Wähler zählen, die der Billag-Initiative nochmals ein Abfuhr erteilen. Aber mittelfristig ist eine solch hohe Gebühr für einen Kanal nicht mehr erklärbar. Junge Konsumenten nutzen Pay-TV, surfen im Netz (Social Media etc.) oder spielen Games. Für die SRF-Kanäle interessieren sich da nur Wenige – und bezahlen dafür möchte eigentlich niemand mehr.