von Nick Lüthi

«20 Minuten» wirbt um Verständnis für Werbefinanzierung

Wer die Werbung auf 20min.ch mittels Adblocker ausblendet, wird aufgefordert, die Reklame wieder anzeigen zu lassen. Vorläufig will Tamedia nicht zu härteren Massnahen greifen, sondern die User für die Bedeutung der Werbefinanzierung sensibilisieren.

Bei Tamedia sind Adblocker Chefsache. Im aktuellen Geschäftsbericht preist Präsident Pietro Supino die starke Stellung seiner Gratistitel im In- und Ausland und lobt den kommerziellen Erfolg auch auf den mobilen Kanälen. Gleichzeitig gibt Supino zu bedenken: «Eine Herausforderung stellt allerdings die Unterdrückung von Werbung durch Adblocker dar.» Verständlich: Wer sein Geld mit Werbung verdient, sieht es nicht gerne, wenn deren Auslieferung systematisch blockiert wird. Darum bleibt es nicht nur bei den präsidialen Bedenken.

Seit einer Woche kriegt einen freundlichen Hinweis angezeigt, wer 20min.ch mit installiertem Adblocker anwählt. Man solle doch bitte der Sperrsoftware beibringen, fortan bei 20min.ch wieder Werbung durchzuleiten. Damit folgt Tamedia dem Beispiel zahlreicher Medienunternehmen, die mit solchen Hinweisen die Nutzer für die Konsequenzen und Nebenwirkungen rein werbefinanzierter Onlinemedien zu sensibilisieren versuchen. In der Schweiz hat das bisher noch niemand gemacht. Auch darum nicht, weil weniger Leidensdruck besteht als in anderen Ländern.

Gemäss dem «Ad Blocking Report 2015» der Firmen Pagefair und Adobe haben in der Schweiz 15 Prozent der Internetnutzer einen Adblocker installiert. Ein durchschnittlich bis tiefer Wert, verglichen mit 10 Prozent in Frankreich, respektive 25 Prozent in Deutschland und Schweden oder hohen 35 Prozent in Polen.

Einen konkreten Schaden kann Tamedia nicht beziffern, den die Adblocker bisher angerichtet haben sollen. «Eine Zahl zu nennen wäre Spekulation», erklärt Unternehmenssprecher Christoph Zimmer. Ein Blick in den Geschäftsbericht zeigt, dass die Verluste so dramatisch nicht sein können; Tamedia verdient ganz gutes Geld mit 20 Minuten. Ausserdem erfolgt der Grossteil der mobilen Zugriffe über die App, wo Werbeblocker noch weniger verbreitet sind.

Mit der Bitte, ihre Werbeblockade doch wenigstens bei 20min.ch aufzuheben, wolle man die Nutzer sensibilisieren mit der Botschaft: «Ohne Werbefinanzierung keine kostenlosen News.» Das scheint nicht überall gleich gut anzukommen. Als Reaktion auf die Kampagne weisen vereinzelte User daraufhin, dass die Installation eines Adblockers aus Gründen erfolge.

An anderer Stelle wird nach einer Gegenleistung gefragt: Wenn schon Werbung, dann bitte etwas dezenter.

 

Ob Tamedia zu härteren Massnahmen greifen wird und Nutzer mit Adblocker aussperrt, wie das in Deutschland bild.de macht, hänge vom Erfolg der aktuellen Kampagne ab, teilt Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer auf Anfrage mit.

Anfang Jahr äusserte sich der Verband Schweizer Medien zum Umgang mit Adblockern. Sein Fazit damals: «Es ist keine Hektik angesagt.» Es bleibe Zeit, eine möglichst einheitliche Haltung in Abstimmung mit den Werbetreibenden und den Vermarktern zu erarbeiten. Die Medienhäuser sollten hier den Lead übernehmen. Sie sind die Hauptleidtragenden der Entwicklung. Tamedia hat nun als erstes Unternehmen einen Schritt gemacht.

Leserbeiträge

Emanuel 16. März 2016, 17:21

Die Adblocker sind und bleiben notwendig, solange Online-Werbung ein Sicherheitsrisiko darstellt (aber auch aus Datenschutzgründen). Siehe dazu Vorfälle wie: http://heise.de/-3139150
Zudem wird sie leider immer aggressiver mit automatisch startenden Videos, überlappenden Grafiken usw… Sorry, aber so nicht.

twimc 17. März 2016, 14:03

Vielleicht sind Medienhäuser die Hauptleidtragnden dieser Entwicklung. Eher noch verweist diese Entwicklung jedoch wieder auf jene Offenheit, die Innovation ermöglicht.