von Nick Lüthi

Warum wollt ihr mein Geld nicht?

Wenn sich heute jemand bereit zeigt, für Medien Geld auszugeben, dann dürfte man erwarten, dass Verlage diese Kunden entsprechend zuvorkommend behandeln. Doch gefehlt. Erfahrungen bei der Süddeutschen Zeitung, Die Zeit und Tamedia zeigen etwas anderes. Aber es gibt auch Ausnahmen (welche die Regel bestätigen).

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlicht vierteljährlich eine Auswahl ihrer längeren Artikel als sogenannte «SZ Langstrecke» in Taschenbuchform und digital. Für unregelmässige SZ-Leser das ideale Format: ein Best-of, das Zeitungsartikeln, die den Tag überdauern, ein zweites Leben einhaucht.

Die ersten vier gedruckten Ausgaben fanden ihren Weg problemlos in die Schweiz. 2016 soll das nicht mehr möglich sein. Irgendwo habe ich das aufgeschnappt, aber nicht mehr weiter verfolgt. Bis ich schliesslich Mitte März realisierte, dass die nächste Ausgabe fällig wäre, ich aber keine Post mehr aus München erhielt.

Also E-Mail an den Kundendienst: Liefert ihr die «Langstrecke» wirklich nicht mehr in die Schweiz und wie komme ich an die E-Book-Ausgabe? Einfache Frage, keine Antwort. Auch nach zehn Tagen stellt sich der SZ-Shop in München stumm. Zum Glück gibt es Twitter und die «Langstrecke» hat sogar ein eigenes Konto. Also gleiche Frage dort:


Und gleiche Reaktion wie beim Kundendienst: Keine. Möglicherweise lautet die unausgesprochene Botschaft: Macht dich gefälligst selber schlau und stell keine dummen Fragen! Tatsächlich findet sich inzwischen im Online-Bestellprozess ein Hinweis zu Bestellungen aus Österreich und der Schweiz:

Wegen uneinheitlicher Versandkosten und Mehrwertsteuerregelungen können diese Bestellungen nicht verarbeitet werden.

Und für die Bestellung der gedruckten Ausgabe solle man sich an die Buchhandlung des Vertrauens wenden. Das entspricht durchaus einer Branchenlogik: Zeitung unterstützt Buchhandel oder der Blinde hilft dem Lahmen.

Strategie zur Kundenabwehr
Nicht viel anders als beim Kundendienst der «Süddeutschen Zeitung» ergeht es einem bei der Wochenzeitung «Die Zeit». Simple Fragen bleiben entweder unbeantwortet oder es dauert so lange, bis sich doch noch irgendjemand der Anfrage annimmt, dass sich das Problem in der Zwischenzeit von selbst erledigt hat. Auch das ist natürlich eine Strategie zur Kundenabwehr: Auf den Faktor Zeit setzen und darauf hoffen, dass sich das Problem von selbst erledigt oder der Kunde Wichtigeres zu tun hat.

Nun ist es kein Privileg der Medienbranche, einen Kundendienst anzubieten, der seinen Namen nicht verdient. Das können auch andere ganz schlecht. Gleichwohl irritiert es, wenn ausgerechnet Unternehmen, die mit Kommunikation ihr Geld verdienen den Kundendialog nicht besser beherrschen. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass für sie ein Abonnement mehr oder weniger keine Rolle spielt. Der Geschäftsgang spricht aber eine andere Sprache: Printabos brechen weg und die Bereitschaft, Online für Medien zu zahlen, hält sich in bescheidenen Grenzen.

Darum erstaunt auch die Erfahrung mit einem Probeabonnement einer Tageszeitung des Zürcher Verlagshauses Tamedia. Weder kurz vor, noch nach Ablauf der Zustelldauer meldete sich der Kundendienst und erkundigte sich, ob man an der getesteten Zeitung Gefallen gefunden habe und sich für den Erwerb eines regulären Abonnements entscheiden könne. Solche Ignoranz muss man sich leisten können. Aber Tamedia verdient ja ganz gutes Geld ausserhalb des klassischen Mediengeschäfts.

Vielleicht sind das alles nur Ausnahmen und eine unglückliche Häufung von Zufällen. Schliesslich stützt sich mein Urteil auf gerade mal drei negative Erfahrungen ab. Zu einem vollständigeren Bild zählt darum auch ein positives Beispiel. Vorbildlich verhält sich der Kundendienst der Neue Zürcher Zeitung: schnelle Reaktionszeit, freundliche Ansprache, Kulanz und Kompetenz. Wer sich über die ausgebliebene Zustellung der gedruckten Zeitung beschwert, erhält innert weniger Stunden eine Antwort mit der Zusicherung, das Abonnement um die fehlende Ausgabe zu verlängern. Als ob es für dessen Qualität noch eine Bestätigung bräuchte, trifft im Moment als ich diese Zeilen schreibe, eine Umfrage ein, die sich nach der Zufriedenheit mit dem NZZ-Leserservice erkundigt. Es geht doch.

Nachtrag 24. März: Irgendwann wurde meine Bitte in München dann doch noch erhört und die aktuelle Ausgabe der «SZ Langstrecke» fand den Weg in die Schweiz. Und sogar ein Abo soll möglich sein. Das klingt gut – oder auch nicht. Denn damit signalisiert der Verlag, dass nur wer hartnäckig genug auf allen Kanälen nachhakt, in den Genuss einer einigermassen unbürokratischen Aboabwicklung kommt. Für alle anderen gilt weiterhin der Weg über die Buchhandlung, die für den Kunden bei der SZ die «Langstrecke» bestellen soll.

Leserbeiträge

Felix Hürlimann 26. März 2016, 13:19

Ist die „Langstrecke“ ein Mischwort aus ‚lange Bank‘ und ‚auf der Strecke bleiben‘? Mit dem NZZ-Kundendienst (NZZ Libro) habe ich übrigens auch sehr gute Erfahrungen gemacht. Die antworteten sehr schnell und ermöglichten bei einer Bestellung bis 16.00h die Auslieferung am nächsten Tag. Bei einer Schweizer Buchhandlung mit Onlineshop wartete ich über einen halben Tag auf eine Antwort.

Ein grosses Ärgernis sind die sehr teuren Auslandabos von deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Zum Beispiel GEO: CHF 150.- stehen EUR 84.-, Die Zeit: CHF 322.40 statt EUR 228.80 etc.