von Daniel Ryser

Angriffe auf «Magazin» und «Republik»: Was man über die grössten Kritiker wissen sollte

Hinter pointierter Medienkritik stecken bisweilen auch persönliche Motive. Anmerkungen zu zwei aktuellen Texten aus «NZZ am Sonntag» und «Schweizer Journalist», die mit der «Republik», respektive dem «Magazin», hart ins Gericht gehen.

Kürzlich feuerte «NZZ-Geschichte»-Redaktor Peer Teuwsen in der «NZZ am Sonntag» einen Kanonenschuss auf das Medien-Start-Up «Republik» ab. Obwohl dort erst ab Januar 2018 publiziert wird, kennt Teuwsen schon im September 2017 das Ergebnis: Die «Republik» habe «ideologischen Selbstmord» begangen, und zwar deshalb, weil sie den «Magazin»-Kolumnisten Daniel Binswanger verpflichtet habe, der in seinen Texten «stramm sozialdemokratisch» argumentiere. Einer der ersten, der Teuwsens Text auf Twitter teilte, war sein NZZ-Kollege Martin Beglinger. Ein relevantes Detail.

In den sozialen Medien wunderten sich viele ob der Heftigkeit des Angriffs der mächtigen NZZ auf das kleine Start-Up. Doch die Heftigkeit ist erklärbar. Peer Teuwsen verschweigt eine zwingende Fussnote, dass ihn nämlich eine komplizierte Geschichte mit Daniel Binswanger verbindet – eine Geschichte, welche die Attacke zu erklären hilft.

Nach zehn Jahren auf einem der sichersten und einflussreichsten Posten im Schweizer Journalismus, hat sich Binswanger nun entschieden, bei der «Republik» etwas Neues auszuprobieren. Der Angriff seines ehemaligen Kollegen erfolgte umgehend.

Peer Teuwsen und sein Redaktionskollege Martin Beglinger waren beide vor ihrer Zeit bei der NZZ «Magazin»-Redaktoren. Beide kündigten im Zwist mit Chefredaktor Finn Canonica. Teuwsen ging im Streit, nachdem er den Kampf um die Nachfolge des damaligen Chefredaktors Res Strehle gegen Canonica verloren hatte. Daniel Binswanger hingegen stellte sich in all den Jahren loyal hinter Canonica, was bei Teuwsen und Beglinger gar nicht gut ankam.

Nach zehn Jahren auf einem der sichersten und einflussreichsten Posten im Schweizer Journalismus, hat sich Binswanger nun entschieden, bei der «Republik» etwas Neues auszuprobieren. Der Angriff seines ehemaligen Kollegen erfolgte umgehend – die Kritik an der «Ideologie» aber wirkte vorgeschoben. Erstens positioniert sich die NZZ selbst ideologisch und zweitens hat die «Republik» noch gar nicht geliefert. Teuwsen hat in seinem Kommentar eine alte Rechnung beglichen – nicht nur mit Binswanger, sondern indirekt auch mit «Magazin»-Chef Canonica, der ihm den Chefposten weggeschnappt und dann den linken Kolumnisten Binswanger aufgebaut hat.

Damit Sie nicht denken, ich tappe als WOZ-Reporter in dieselbe Falle und schütze aufgrund persönlicher Verstrickungen meinen linken Journalisten-Kumpel Daniel Binswanger vor rechten Angriffen: Nein. Ich verstand mich während meiner dreieinhalb Jahre beim «Magazin» blendend mit Martin Beglinger. Mit Binswanger hingegen hatte ich wenig Berührungspunkte.

Den Auftakt zu diesen Tiraden gegen das «Magazin» hatte vor ein paar Jahren der rechte «Schweizer Monat» gemacht mit einem Rundumschlag: Das «Magazin» pflege journalistisch das linksliberale Motto «Erlaubt ist, was nicht stört».

Zum selben Zeitpunkt, als die Teuwsen-Attacke in der «NZZ am Sonntag» erschien, publizierte das Branchenmagazin «Schweizer Journalist» die dort inzwischen jährlich erscheinende, inhaltlich jeweils nur leicht variierende Breitseite gegen Finn Canonica und sein «Magazin». Dies mit den üblichen Vorwürfen, wonach das «Magazin» unter Canonica erstens belanglos geworden sei und zweitens der Chef gemein sei zu den MitarbeiterInnen. Den Auftakt zu diesen Tiraden hatte vor ein paar Jahren der rechte «Schweizer Monat» gemacht mit einem Rundumschlag: Das «Magazin» pflege journalistisch das linksliberale Motto «Erlaubt ist, was nicht stört».

Der jüngste, mehrseitige Text im «Schweizer Journalist» wurde von meinem WOZ-Kollegen Andreas Fagetti verfasst. Darin kommen ehemalige Mitarbeiter Canonicas vor – natürlich anonym –, die behaupten, er habe sie vor drei oder vier Jahren nicht fair behandelt. Gleichzeitig aber muss Fagetti feststellen, dass Canonica in den letzten Jahren ein neues «Magazin»-Team aufgebaut hat, das nicht nur regelmässig relevanten und spannenden Stoff liefert, sondern zweitens auch noch mit dem Chef zufrieden ist.

Gibt es tiefere Gründe als die Sorge um eine angebliche «Belanglosigkeit», welche den «Schweizer Journalist» immer wieder umtreibt, dem «Magazin» mehrere Seiten zu widmen? Was in den Artikeln jeweils nicht erwähnt wird: Kurt Zimmermann, Chefredaktor des Branchenheftes, war einst als Tamedia-Verlagsleiter für das «Magazin» verantwortlich und ist nach wie vor emotional mit dem Heft verbunden. Zu Zimmermanns Zeit stand das Heft vor dem Aus – es drohte vor Schönheit in Langeweile zu sterben. Zimmermann wehrte sich damals auch gegen den neuen Chefredaktor, der das ändern sollte: Roger Köppel. Als Köppel wider Erwarten Erfolg hatte, wurde Zimmermann zu Köppels Fan und ist heute nicht nur Chefredaktor des «Schweizer Journalist», sondern gleichzeitig auch Medienkolumnist in Köppels «Weltwoche». In Gesprächen macht er kein Geheimnis aus seiner Verachtung für das linksliberal positionierte «Magazin». Der «Schweizer Journalist» ist durch Zimmermanns Doppelrolle kein neutrales Branchenblatt mehr.

Bei den regelmässigen Attacken gegen das «Magazin» sollte man nicht vergessen: Nach wie vor, auch nach zehn Jahren Canonica, ist keine Stelle im Schweizer Printjournalismus derart begehrt wie eine Stelle beim «Magazin». Der Neid unter Kollegen ist erheblich, die Verletzungen bei gewissen Ehemaligen sind es auch. Ich kenne manchen, der in Gesprächen gerne über das «Magazin» abgekotzt hat, aber sofort dahin gesunken ist, wenn Canonicas Angebot für eine Stelle oder eine Reportage kam.

Leserbeiträge

Oliver Brunner 09. Oktober 2017, 14:30

Ich habe von diesen Medien-internen Hahnenkämpfen nichts mitbekommen. Teile aber die Ansicht der hier Erwähnten (Unaufrichtigen Journalisten), dass „das Magazin“ völlig beliebig und irrelevant geworden ist. Zudem bin ich auch der Meinung, dass die „Republik“ kaum Erfolg haben wird. Sog. Edelfedern, die wenige Artikel pro Woche schreiben und mir darin ihre Meinung vermitteln, gibt es schon mehr als genug. Kompetenten Tagesjournalismus von Leuten, die die Materie kennen, aber immer weniger. Ich will nicht von Strehle zum 10. Lesen wieso es zur Finanzkrise kam.

Ronnie Grob 09. Oktober 2017, 15:11

Der angesprochene Text im «Schweizer Monat» ist übrigens online: https://www.schweizermonat.ch/artikel/die-sache-mit-der-sauberkeit

Der Autor? Der linksliberale Republik-Mitgründer Christof Moser. Der Analyse, dass das der «Auftakt» war zu «Tiraden» gegen Canonica, stimme ich nicht zu.

Andreas Fagetti 09. Oktober 2017, 19:52

Der von mir verfasste Artikel im «Schweizer Journalist» ist alles andere als eine «Attacke» gegen Das Magazin. Ich habe meine Arbeit getan, mit allen Seiten geredet und es aufgeschrieben. Ich verkehre nicht in diesen Kreisen, habe mit niemandem eine Rechnung offen und lasse mich von niemandem instrumentalisieren. Es gibt zumindest von meiner Seite keine «tieferen Gründe». Ich «musste» demnach nicht feststellen, dass Das Magazin aus der personellen Krise um das Jahr 2014 herausgefunden hat und trotz erheblicher Sparübungen einen guten Job macht. Wer sich ein eigenes Urteil bilden möchte, lese den Artikel.

Robert Weingart 09. Oktober 2017, 23:47

Sieht wie nach einem Kleinkrieg von narzistisch veranlagten Journalisten aus. Es gilt zu konstatieren: Bisher ist Republik erst ein Projekt und hat noch nicht geliefert. Und was Das Magazin angeht: Eine Erosion ist festzustellen. Und es stimmt, den Schweizer Journalisten kann man seit Zimmermann nicht mehr ernst nehmen, das zeigt sich schon alleine am boulevardesken Schreibstil, der eher an Thesenjournalismus erinnert.

Lahor 10. Oktober 2017, 17:44

Revisionismus pur. Das Magazin, einst Leuchtturm, ist insbesondere wg Binswangers wöchentlicher Sermone unbedeutend geworden. Jetzt kann es sich erholen … dafür wissen wir schon heute, was uns an EU-Fanatismus und FDP-/SVP-Bashing in der Republik erwartet.

Andreas Volkart 15. Oktober 2017, 21:55

Ich habe das Magazin gelesen, als ich noch zur Schule ging. Damals waren sehr interessante Artikel drin, über Kriegsverbrecher, Interviews, Musiker, Alltagserlebnisse, usw. Schon damals war das Magazin ein bunter Mix und war jeweils als Beilage im Tagesanzeiger dabei, den wir auch von Verwandten geschenkt bekamen. Damals (90er-Jahre) meinte ich, sei das Magazin weder politisch, noch ideologisch gewesen. Auch einen Rätselteil hatte es damals schon drin. Heute lese ich keine Tageszeitung mehr, dazu habe ich auch gar keine Zeit mehr und die News sind eh alle von 3 internationalen Medienagenturen, die von „Unbekannten“ kontrolliert werden.

Ich informiere mich über relevante Inhalte und Themenfelder bei KenFm.de, höre relevante politische und Hintergrundrecherchen von deutschen Journalisten, die im Exil leben und auf Youtube senden, oder informiere mich sachgerecht und mittels Faktentiefe bei der Express-Zeitung (https://www.expresszeitung.com), die ich jedoch auch noch nicht fest abonniert habe und immer wieder geschenkt bekomme.

Dass Journalisten manchmal Exzentriker und getroffene Protagonisten sind, sieht man gut an diesem persönlichen Beitrag mit den Ab- und Zugängen der Stellenwechsel. Zu amüsant ist die Geschichte, dass es eben überall auch nur „menschelt“.

Ob es ein weiteres Heft „Republik“ wirklich braucht, ist eher eine Frage des immer mehr unglaubwürdigen Mediensektors: Heute sind Bürger selber Journalisten oder Ferienberichterstatter: Unfallfotografen sterben aus, Tipp-Rubriken in Magazinen machen keinen Sinn mehr, wenn Google und Co eigene Bewertungen liefern, und mittels Photoshop und Co kann man jederzeit selber seine eigene „Geschichte“ basteln, die man mit Bildmaterial glaubhaft ausstattet.