von Markus Gabriel

Sabotage an den Säulen der Netzökonomie?

Die Werbewirtschaft fürchtet die Grundlage ihres Digitalgeschäfts zu verlieren, wenn der Internet-Browser automatisch Daten löscht, die es bisher ermöglichten, den Nutzer zu «verfolgen» und ihm massgeschneiderte Anzeigen zu servieren.

Apple hat mit dem jüngsten Update seines Safari-Browsers Zukunftsängste bei Digitalwerbern geschürt. Die neue Version blockiert zwar keine Werbung von sich aus, löscht aber nach 24 Stunden automatisch seitenübergreifende Trackingcodes und ruiniert so eine Speerspitze der digitalen Werbung. Für Digitalwerber herrscht natürlich Grund zur Beunruhigung, wenn der auf allen Apple-Geräten vorinstallierte Browser seinen Usern Schutz vor unliebsamer Werbeverfolgung verspricht. Zwar dümpelt der Apple-Browser aktuell bloss etwa um zehn Prozent Marktanteil herum, hat aber aufgrund seiner Herkunft potenziell eine Leuchtturm-Funktion.

Das, was Apple nun unterbindet, nennen Online-Werbeprofis Retargeting. Es ist eine der gefeiertsten Errungenschaften der digitalen Werbung, aber vielen Usern ungeheuer bis hin zu lästig. Dank Retargeting stolpert der Internetnutzer auf wundersame Weise immer wieder über die selbe Werbeanzeige, obwohl er sich quer durchs ganze Internet bewegt. Und auf dieser Anzeige glänzt immer genau jener Toaster, den er zuvor auf irgend einer Shopping Seite angeklickt hat. Selbst wenn er den Artikel gekauft hat – die Werbung bleibt an ihm dran.

Die so genannte Conversion-Rate solcher verhaltensbasierten Anzeigen, die durch seitenübergreifendes Tracking erst möglich werden, ist in der Tat deutlich höher als der werbliche Cold Call herkömmlich gestreuter Banner. Darum beschuldigen nun sechs der grössten US-Marketingverbände, allen voran das Interactive Advertising Bureau und die American Advertising Federation, Apple der Sabotage an den Säulen der Netzökonomie. Sie sind der Meinung, dass Apple damit dem Internet und dem Allgemeinwohl schadet.

Da Apple aber sein Geld nicht mit Werbung verdient, kann es sich der Konzern leisten, PR-trächtig zuerst an seine Kunden zu denken und die Werber im Regen stehen zu lassen. Ausserdem kann der Apple-Browser damit auch ein bisschen Boden gut machen gegenüber Google Chrome, dem dominanten Safari-Konkurrenten. Dieser nämlich kann es sich ganz und gar nicht leisten, seitenübergreifendes Tracking auszuschalten – dafür verdient Google zu viel Geld damit. Zusammen mit Facebook ist der Werbegigant der eigentliche Treiber hinter der Retargeting-Methode.

Die Safari-Schelte ist aber nur das jüngste Sperrfeuer der Werbewirtschaft gegen geschäftsschädigende Entwicklungen in der digitalisierten Welt. So wurden aus diesen Interessenkreisen immer wieder Forderung laut, wonach etwa Bannerblocker oder Time-Shift-Funktionen beim Digitalfernsehen verboten werden sollten: um die Presse zu retten, die Arbeitsplätze und das Wirtschaftssystem als solches. Werbetreibende, Werbeschaffende, Werbevermittelnde und Werbemedien sind sich einig, was es braucht, um den Untergang zu verhindern: Verbote bei gleichzeitigem Kampf gegen Werbeverbote aller Art. Aber diese Strategie wird wohl eher nicht aufgehen.

Denn längstens installieren auch Firmen Adblocker in ihren Firewall-Konfigurationen aus Sicherheits- und aus Performance-Gründen. Banner können die Ladezeiten, die Produktivität der Mitarbeitenden und den Virenschutz beeinträchtigen. Die 500 grössten Werbenetzwerke sind für Firewall-Sheriffs bequem als Liste zu beziehen. Das erinnert an Blacklists zur Spam-Bekämpfung, die bei jeder Mailserver-Konfiguration zum Standard gehören. Welches Gesetz könnte dieses Vorgehen den Firmen verbieten?

Die Werbewirtschaft wird ihre Zukunft nicht auf Verbote stützen können, sondern auf Werbeformen, die von den Konsumenten akzeptiert werden. Denn alles, was lästig ist, lässt sich filtern. Das war früher nicht so. Aber heute dagegen anzukämpfen, ist naiv.

Leserbeiträge

Lahor Jakrlin 12. Oktober 2017, 14:23

Safari welcome! Retargeting ist Stalking

Ich bin Werber und unsere Agentur ist ein Pionier des Digital Marketing (Online Marketing) und darauf stark spezialisiert.

Und gerade deswegen heissen wir die Einschränkung des Retargeting herzlich willkommen! Wir sind der Meinung, dass gute Werbung SICHTBAR/ERKENNBAR und KREATIV sein muss. Das sich durch Retargeting, also Hintertüren, bei Usern Einschleichen darf mittlerweile durchaus als Digital Stalking bezeichnet werden, es ist unangenehmer als Call Center und im Grunde genommen unlauter.

Matthias Giger 12. Oktober 2017, 15:38

Genau, die beste Werbung sind immer noch überzeugende Inhalte in Form echter Produktinformation, am besten noch in Form von user generated content.