von Nick Lüthi

Lokalfernsehen 2.0

Auf den ersten Blick sieht das neue News-Portal nau.ch enttäuschend konventionell aus. Doch unter der Oberfläche zeigt sich das Potenzial der Plattform: Video-, und vor allem Live-Video, sind die Stärken von nau.ch.

Die Frage erscheint so berechtigt, wie sie natürlich kompletter Unsinn ist. Wozu 2017 ein weiteres News-Portal? Seit gestern Abend gibt es einen neuen digitalen Vollversorger für News und Unterhaltung in der Deutschschweiz. Mit nau.ch betritt ein Anbieter das Feld mit einem ungewöhnlichen Hintergrund. Dank der Präsenz auf den eigenen Bildschirmen in öffentlichen Verkehrsmitteln, kann die neue Nachrichtenplattform vor einem Millionenpublikum für sich werben und (mehr dazu).

Video spielt eine wichtige Rolle. Hier verfügt die junge Redaktion, das Durchschnittsalter beträgt 29 Jahre, über die grösste Kompetenz.

Bis zum Launch war wenig Konkretes zu erfahren über das publizistische Profil von nau.ch. Klar war nur so viel: Es muss ein Angebot für alle sein, kein Zielgruppenmedium wie Watson, das für die realen und gefühlten Plusminusdreissiger/innen produziert. Nau.ch will die Pendlermassen ansprechen von alt bis jung.

Entsprechend mehrheitsfähig sieht die Plattform auch aus. Keine Spielereien und Verspieltheiten, ein konventioneller Seitenaufbau, informative Bild-Text-Teaser, 48 Stück davon auf der Startseite. Thematisch dominierte in den Stunden nach dem Start Agenturmeldungen zur internationalen Politik, vor Gesellschaftsthemen, Sportmeldungen und einer Video-Rubrik, wo sich nau.ch-Mitarbeitende ihren grössten Ängsten und Phobien stellen.

Überhaupt spielt Video eine wichtige Rolle. Hier verfügt die junge Redaktion, das Durchschnittsalter beträgt 29 Jahre, über die grösste Kompetenz. Etliche Journalistinnen und Journalisten verfügen über TV-Erfahrung. Entsprechend sicher kommen die Auftritte daher. Dabei zeigt man auch Mut zu längeren Formaten. Der Besuch in der Backstube bei einem Basler Rahmdääfeli-Hersteller dauert zwölf Minuten und kann es von der Machart her locker mit jedem Hintergrundreport eines Regionalsenders mithalten. Der Artikel aus dem Bundeshaus von Radiojournalist Matthias Bärlocher zur Olympia-Milliarde kommt mit einem Videostatement von Bundesrat Parmelin daher. Und auch beim Besuch auf der Baustelle im Fussballstadion von Kriens läuft die Kamera. So weit so gewöhnlich.

Für die Videoproduktion stehen nau.ch 13 Reporter-Teams in der ganzen Deutschschweiz zur Verfügung.

Was nau.ch im Videobereich von anderen Anbietern unterscheidet, ist der grosse Live-Anteil. Am ersten Tag nach dem Start bietet das Portal fünf Direktübertragungen. Das beginnt am Vormittag mit einem Gespräch mit dem Sportchef des Schlittschuclub Bern, geht am Mittag weiter mit einer Schaltung aus einer Tabakmanufaktur, wo legale Joints hergestellt werden. Am Nachmittag liest Pedro Lenz live aus seinem neuen Buch und am Abend noch Termine bei einem Zürcher Tramchauffeur und einer Band in Baden. Für die Videoproduktion stehen nau.ch 13 Reporter-Teams in der ganzen Deutschschweiz zur Verfügung.

Wie die Videos sind auch die reinen Textformate überraschend lang, gemessen an der Ansage vor dem Start, kurz und bündig informieren zu wollen. Von der Struktur her bieten die Artikel keine überraschenden Elemente. Das Wichtigste wird in einer Box in Kürze zusammengefasst für die Flüchtiglesenden. Ein Werbebanner unterbricht den Artikel zwischen den Titelelementen und dem Textkörper. Auch sonst wirkt die Werbung nicht störend. Als einziges grösseres Element haftet auf der Startseite am rechten Rand eine Anzeige. Sonderwerbeformen wie Native Advertising gibt es keine.

Den Start von nau.ch kann man in Kenntnis des vorhandenen Angebots als geglückt bezeichnen. Wenn es der Redaktion gelingt, neben dem starken Videoakzent noch weitere Formen und Formate zu finden, die sie von der Konkurrenz unterscheiden, hat das Portal das Potenzial ein Publikum zu finden und sich neben den bestehenden News-Plattformen zu etablieren.

Leserbeiträge

Robert Weingart 23. Oktober 2017, 13:27

Habe das Eröffnungsvideo gesehen. Da besteht noch „Luft nach oben“.  Nicht jedermann ist zum Moderieren geboren.