von Nick Lüthi

«Man muss sich schon fragen, wie offen dieses Wahlverfahren überhaupt ist.»

Er ist eines der bekanntesten Gesichter des Schweizer Fernsehens. Seit 1996 moderiert Ueli Schmezer die Konsumentensendung «Kassensturz». Nun bewarb er sich als SRF-Direktor – erfolglos. Mit der MEDIENWOCHE sprach er über seine gescheiterte Kandidatur und seine Erwartungen an die künftige Unternehmensleitung.

MEDIENWOCHE:

Demnächst wird der Posten des SRF-Direktors neu besetzt. Was muss die künftige Direktorin, der künftige Direktor mitbringen?

Ueli Schmezer:

Für das interne Klima braucht es jemanden, der die Mitarbeitenden mitnehmen kann, der sie motiviert und als Vorbild SRF mit Leidenschaft verkörpert. Ganz wichtig ist auch eine publizistische Ader, damit der Journalismus an der Spitze des Unternehmens verankert ist.

MEDIENWOCHE:

Im Gegensatz zu anderen mutmasslichen Kandidatinnen und Kandidaten hast du dich – zwar erfolglos – öffentlich für das Amt beworben. Warum?

Ueli Schmezer:

Ich habe wirklich lange überlegt, ob ich das tun soll. Schliesslich fand ich, dass ich ein paar Sachen mitbringe, die SRF weiterbringen könnten. Es könnte auch jemand anderes sein mit diesen Eigenschaften. Mir geht es gar nicht in erster Linie um meine Person. Aber ich wollte eine Auswahl ermöglichen und eine Debatte darüber, was in der nächsten Zeit für SRF wichtig ist. Heute wird vor allem von Digitalisierung und Konvergenz geredet. Das ist o.k. und wichtig, aber es spricht schon seit einiger Zeit kaum noch jemand vom Inhalt. Doch ohne gute journalistische Inhalte nützt der schönste Online-Auftritt nichts. Wir dürfen die Inhalte nicht vernachlässigen. In der heutigen komplexen Welt sollten wir hier nicht abbauen sondern investieren.

«Wie die ganze Konsumenten-Redaktion von ‹Kassensturz/Espresso› stehe ich für Glaubwürdigkeit und Publikumsnähe. Wir haben die Leute jeden Tag am Telefon.»

MEDIENWOCHE:

Was hättest du mitgebracht?

Ueli Schmezer:

In aller Bescheidenheit denke ich, dass ich dafür stehe, was heute für die SRG fundamental wichtig ist. Wie die ganze Konsumenten-Redaktion von «Kassensturz/Espresso» stehe ich für Glaubwürdigkeit und Publikumsnähe. Wir haben die Leute jeden Tag am Telefon. Wenn ich in der Beiz sitze oder vorhin auf dem Weg zu diesem Gespräch im Zug, sprechen mich die Leute an und wollen mit mir reden. Das heisst, ich weiss, was es bedeutet, Programm für die Leute zu machen. Und ich stehe für Service public – der «Kassensturz» verkörpert im Kleinen, was die SRG im Grossen darstellen sollte – und für Qualitätsjournalismus. In diesen unruhigen Zeiten der Digitalisierung, von Social Media, wo man nicht genau weiss, wo die Reise hingeht, sind diese Punkte enorm wichtig. Insbesondere die Nähe zu den Leuten, die uns finanzieren. Bei mir wäre der Öffentlichkeit klar, was in Zukunft zählt bei SRF. Ausserdem bin ich in der deutschen Schweiz bestens vernetzt, habe keine Berührungsängste und bin Stress gewohnt.

MEDIENWOCHE:

Eine zentrale Voraussetzung bringst du nicht mit für das Amt. Du hast keine Führungserfahrung, zumindest nicht in dem Mass, wie es das Stellenprofil des SRF-Direktors erfordert.

Ueli Schmezer:

Das ist so. Meine Führungserfahrung bewegt sich nicht in dem Rahmen, wie sie in der Stellenausschreibung gefordert wird. Das heisst aber noch lange nicht, dass die beste Person für dieses Amt genau diese Führungserfahrung mitbringen muss. Die Frage ist doch, ob diese Führungserfahrung so entscheidend ist für die nächsten paar Jahre. Man sollte überhaupt weniger von Führungserfahrung reden als von Führungseignung. Und da hätte man mich auf Herz und Nieren prüfen können mit einem Assessment oder mit einem Psychotest. Wenn man danach zum Schluss kommt, dass ich mich nicht eigne, dann akzeptiere ich das.

«Die Öffentlichkeit und alle, die hier arbeiten, möchten eine möglichst breite KandidatInnensuche.»

MEDIENWOCHE:

Deine Bewerbung stiess auf taube Ohren. Das Auswahlgremium, der sogenannte Nominationsausschuss, wollte dich nicht einmal anhören. Bist du enttäuscht?

Ueli Schmezer:

Ich hätte mindestens erwartet, dass man mit mir ernsthaft spricht. Nach der Absage war ich enttäuscht über den Prozess. Darum habe ich ein Wiedererwägungsgesuch formuliert. Ein recht langes Schreiben mit allen Gründen, warum ich finde, dass man trotz meiner mangelnden Führungserfahrung vielleicht doch mit mir hätte sprechen können. Aber auch auf dieses Gesuch kam vom Ausschuss direkt ein Nein und nicht die geringste inhaltliche Reaktion. Das hat mich dann skeptisch gemacht und ich habe mir schon überlegt, wie offen dieses Wahlverfahren überhaupt ist. Da muss man nicht überkritisch sein, um das so zu sehen. Das ist der wichtigste Punkt: Die Öffentlichkeit und alle, die hier arbeiten, möchten eine möglichst breite KandidatInnensuche. Die Funktion der SRF-Direktion ist wichtig und hat es verdient, dass ergebnisoffen in alle Richtungen gesucht wird – was, wie es heute scheint, nicht geschehen ist. So weiss ich von ein paar valablen Figuren, die der Headhunter gar nicht erst kontaktiert hat.

MEDIENWOCHE:

Nimmst du dich in dieser Sache nicht viel zu wichtig?

Ueli Schmezer:

Ich verstehe, dass dieser Eindruck entstehen könnte. Aber nein, ich habe lange darüber nachgedacht. Es ging mir bei meiner Kandidatur nicht um mein Ego. Ich finde einfach, dass es ein paar Sachen gibt, die SRF gut tun würden. Und dafür hätte ich sorgen können.

MEDIENWOCHE:

Welche Reaktionen gab es auf die Kandidatur?

Ueli Schmezer:

Jene, die das total daneben fanden, haben sich mir gegenüber nicht geäussert. Ich habe aber positive E-Mails erhalten aus allen Abteilungen von SRF. Gut, die Nähe zu den Mitarbeitenden im Unternehmen ist vielleicht nicht das zentrale Kriterium. Einen, der zu nah bei den Leuten ist, will man möglicherweise gar nicht. Auf der Strasse haben mich Passanten angesprochen und gefragt, ob ich nun der neue Direktor werde. Als ich ihnen sagte, dass die Chancen dafür gegen null tendieren, haben sie mich erstaunt angeschaut und gefragt: Warum denn?

«Es wäre gut, wenn jene, die sich beworben haben, das auch sagen würden, wie jemand, der in den Bundesrat will.»

MEDIENWOCHE:

Nun wird halt jemand anderes Direktor oder Direktorin. Zwei Namen werden immer wieder genannt: Hansruedi Schoch, heute stellvertretender SRF-Direktor und Natalie Wappler, ehemalige SRF-Kulturchefin und heute beim MDR in Halle. Das wären zwei Figuren, die das Unternehmen gut kennen und für Kontinuität sorgen würden. Das wäre doch ein wichtiges Signal in Zeiten der Unsicherheit und Verunsicherung.

Ueli Schmezer:

Es ist nicht meine Aufgabe, die beiden Namen auch nur in irgendeiner Form zu kommentieren. Es wäre völlig daneben und stillos, umso mehr, als dass wir ja nicht einmal wissen, ob die beiden genannten Personen überhaupt im Rennen sind. Das ist ja auch das Spezielle an der Situation. Wir wissen gar nicht, worüber und über wen wir sprechen. Es wäre gut, wenn jene, die sich beworben haben, das auch sagen würden, wie jemand, der in den Bundesrat will. Dann weiss man auch, dass er oder sie das wirklich ernst meint. So kann man sich eine Meinung bilden und sagen, jetzt überschätzt du dich aber. Wer öffentlich hinsteht, trägt auch das Risiko der Nichtwahl – und ich finde, das gehört dazu.

MEDIENWOCHE:

Die Direktorenwahl steht unter Beobachtung der Politik. Wird jemand gewählt, der für den bisherigen Kurs steht, ist damit zu rechnen, dass die Politik die Daumenschrauben weiter anzieht mit Vorstössen, die den Spielraum der SRG einschränken. Wie kann sich die SRG aus der Umklammerung der Politik lösen?

Ueli Schmezer:

Die Frage lautet doch: Wie ist die SRG an diesen Punkt gelangt? Da finde ich es bemerkenswert, dass der Verwaltungsrat beim Entscheid, die Standorte zu zentralisieren und die Radioredaktionen von Bern nach Zürich zu verlegen, die ernsthaften und fundierten Argumente von breiten Kreisen, nicht zur Kenntnis genommen oder bewusst übergangen hat. Wir wissen es nicht. Das finde ich doch bemerkenswert. Deine Frage muss die Führung beantworten.

MEDIENWOCHE:

Rechnest du noch mit einer Überraschung, dass jemand an die SRF-Spitze kommt, den oder die niemand auf dem Radar hatte?

Ueli Schmezer:

Ich hoffe einfach auf einen Verwaltungsrat, der seine Kontrollfunktion wahrnimmt und ich hoffe auf eine gute Entwicklung in den nächsten Jahren.

«Im Moment herrscht bei SRF eine grosse Unruhe, weil es viele Baustellen gibt.»

MEDIENWOCHE:

Bei SRF in Zürich vergeht derzeit kaum ein Tag, an dem nicht das Organigramm umgestellt wird. So gibt es eine neue Abteilung Digital mit einem neuen Chef aus Deutschland. Die Abteilung Unterhaltung heisst jetzt Jugend, Familie, Unterhaltung. Was spürt man davon im Arbeitsalltag?

Ueli Schmezer:

Im Moment herrscht hier eine grosse Unruhe, weil es viele Baustellen gibt. Das ist nicht nur bei uns so, sondern auch in der Westschweiz. Es gibt ganz wenige Mitarbeitende, die nicht in irgendeiner Form von einer dieser Baustellen betroffen sind. Das ist nicht per se schlecht. Aber die Menge ist im Moment einfach sehr gross. Das ist eine zusätzliche Belastung in einem Alltag, der eh schon anstrengend ist. Wir sind ja nicht überdotiert.

MEDIENWOCHE:

Du arbeitest seit über 20 Jahren beim Schweizer Fernsehen. Umbrüche und Druck von aussen gab es immer wieder. Was unterscheidet die aktuelle Situation von früheren?

Ueli Schmezer:

Das ist schwierig zu sagen. Aktuell kommt schon ein bisschen viel zusammen. Wir befinden uns sicher in einer speziellen Zeit. Man ist vor allem mit sich selber beschäftigt und zuerst einmal froh, wenn die eigene Stelle nicht verloren geht. Das Interesse, sich in die Debatte über die grossen Fragen einzuklinken, ist da verständlicherweise bei einem grossen Teil begrenzt.

MEDIENWOCHE:

Geht es allen so?

Ueli Schmezer:

Es gibt schon auch jene, die das Positive im Umbruch sehen. Es sind ja auch spannende Zeiten. Die Arbeitsabläufe ändern sich, es gibt viele Herausforderungen. Aber es gibt eben auch eine grosse Gruppe, bei denen im Arbeitsalltag alles mal umgeschichtet wird und denen sich nicht automatisch erschliesst, was nun alles besser werden soll.

Leserbeiträge

AllesWasRechtIst 31. Oktober 2018, 11:44

Nun ja, bei allem Goodwil für seine Leistung als Moderator… hier drückt doch (zu) deutlich das Moderations-Ego durch. Logisch findet jeder, ER (oder SIE) müsste doch zumindest angehört werden… aber wie nicht jeder „Der-schon-immer-mal-was-mit-Medien-machen-wollte“ zum Casting eingeladen wird, wenn eine TV-Moderationsstelle zu vergeben ist – sollte auch bei dieser Stelle ein Blick auf notwendige Erfahrungen und Qualifikationen gerichtet bleiben (ob das alle anderen ausreichend haben, ist eine andere Frage). Schuster bleib bei deinen Leisten: Nicht jeder kann moderieren, aber wer moderiert, kann nicht automatisch alles andere auch.
PS: Ich find eigentlich schon den Platz für dieses Interview nicht der Bedeutung dieser Bewerbung angemessen…. aber das nur noch so nebenbei.