von Benjamin von Wyl

Jetzt kam die Deadline vor der Deadline

Das Ende der Basler TagesWoche war absehbar. Als es am letzten Montag so weit war, kam der Entscheid des Stiftungsrats für die meisten doch überraschend. Die Gründe für das kurze Leben liegen vor allen in der Vergangenheit des einst ambitionierten Medienprojekts. Für die aktuelle Crew, die vieles richtig gemacht hat, ist das besonders bitter.

Samstagnachmittag. Auf tageswoche.ch erscheint ein Zwitter aus Satire und Ratgeberartikel: Co-Redaktionsleiter Gabriel Brönnimann fabuliert darüber, weshalb er sein Büro nie wieder verlassen möchte. Samstagabend. Theaterkritiker Dominique Spirgi guckt während der Premiere des Jungen Theater Basel vergnügt drein. Sonntagmorgen: Durch Facebook-Chats kreisen Gerüchte, dass es wirklich ernst ist und bei der TagesWoche bald das Licht ausgeht. Aber Theaterkritiker Spirgi hat gestern Abend doch so entspannt gewirkt?

Aber warum jetzt? Noch vor Kurzem erhielten die verbliebenen Abonnent*innen noch die Rechnung fürs nächste Jahr.

Montag. Die Woche beginnt. Der neue Chefredaktor der bz Basel stellt sich erstmals der Redaktion vor. Der künftige Chefredaktor der Tamedia-BaZ ist seit einer knappen Woche bekannt. Die Chatfenster mit den TagesWoche-Gerüchten poppen wieder auf, aber es bleiben Gerüchte. Mehr ist nicht. Ein Chatfenster ist noch offen, als ich zum Drucker gehe. Während ich beim Drucker warte, bis 80 Seiten ausgedruckt sind, verpasse ich: neue Nachrichten im Chatfenster, die Medienmitteilung des Stiftungsrats, den Tweet von Co-Redaktionsleiter Renato Beck: «Tageswoche RIP 2011-2018». Brönnimann muss sein heissgeliebtes Büro bald für immer verlassen und das Junge Theater Basel hatte das Privileg in einem der letzten TagesWoche-Artikel besprochen zu werden.

Aber warum jetzt? Noch vor Kurzem erhielten die verbliebenen Abonnent*innen noch die Rechnung fürs nächste Jahr. Es ist Abstimmungsmonat. Die TagesWoche hat das Referendum gegen das Sozialversicherungsgesetz von Anfang an unterstützt. Es ist Herbstmesse. Jene Lokalkolorit-Hochphase, in der herzige, unaufwändige Fotostorys Klicks garantieren.

Im April schrieb die Geschäftsführerin: «Jetzt sind wir die Basler Zeitung». So weit kommt es nun nicht.

Erst vor zwei Monaten wurde man in Basel während jeder Fahrt im überfüllten Bus in die Gesichter der TagesWoche-Redaktor*innen gepresst. Auf den Plakaten stand: «Yen Duong, Aufdeckerin» – «Oliver Joliat, Szenekenner» – «Renato Beck, Skeptiker». Eine «Imagekampagne für unabhängigen Journalismus» sei das gewesen, erklärt Geschäftsführerin Sibylle Schürch gegenüber der MEDIENWOCHE. Als im vergangenen April bekannt geworden war, dass Tamedia die BaZ übernehmen wird, behauptete Schürch in einem Leitartikel: «Jetzt sind wir die Basler Zeitung». So weit kommt es nun nicht.

Noch bevor Markus Somms Regentschaft am Aeschenplatz endet, ist die TagesWoche bereits Geschichte. Acht Jahre hielt es Somm in Basel aus. Die Geschichte der TagesWoche bleibt kürzer als die der Blocher-BaZ. Das Medienengagement von Beatrice Oeri wurde anfangs auch deshalb als Zukunftsmodell präsentiert und gelobt, weil stiftungsfinanzierter Journalismus marktresistent sei. Weil die Journalist*innen nicht täglich bibbern müssen, dass ihr Medium bald geschluckt, eingestampft oder übernommen wird. Das Ende der TagesWoche stellt deshalb auch das Stiftungsmodell in Frage – jedenfalls das kopflose Stiftungsmodell: Wenn nicht von Anfang an ein klarer Fahrplan in die Wirtschaftlichkeit, ein durchdachtes Geschäftsmodell, besteht, ist die Stiftungsfinanzierung kein Zukunftsmodell, sondern ein Schritt zurück in den Feudalismus. (Die einzige Alternative wäre bedingungslose Stiftungsfinanzierung. Aber das ist auch in Basel, der Stadt mit dem höchsten Stiftungsaufkommen pro Kopf weltweit, unrealistisch.) Die arbeitenden Journalist*innen hoffen täglich auf die Gnade der Stiftungsrät*innen. Die können ihnen jederzeit den Geldhahn zudrehen. Daumen hoch, Daumen runter.

Dass die TagesWoche eine Deadline hat, war allgemein bekannt. Das Geld sollte eigentlich bis 2020 reichen.

«Es war für uns alle ein Schock», berichtet Renato Beck, «Noch immer haben wir es noch nicht ganz realisiert.» Sie haben sich, nachdem ihnen die Nachricht am Montag von zwei Stiftungsräten mitgeteilt worden ist, aber als Team gegenseitig gestützt – und gemeinschaftlich in die Nacht hinein getrunken. Am Tag danach seien sogar alle wieder zur Arbeit erschienen. Natürlich habe man gewusst, dass es zu Ende geht. «Die Frage war bloss, wann.» Dass die TagesWoche eine Deadline hat, war allgemein bekannt. Erstmals öffentlich kommuniziert wurde sie im Herbst 2017. Im Leitartikel zu Somms Abgang hat sie Schürch erneuert: Das Geld reicht noch bis März 2020.

Dass die TagesWoche nicht mehr bis zur selbstverkündeten Deadline durchhält, konnte man seit ein paar Wochen erahnen. Mitte Oktober gestand Schürch der «Schweiz am Wochenende», dass niemand wisse, ob die TagesWoche das Jahr 2019 noch erlebt. Ahnen konnte man es auch, weil die gedruckte Ausgabe seit Anfang August bloss noch alle zwei Wochen erschienen ist.

Trotzdem vereinbarte Schürch Ende Oktober mit der MEDIENWOCHE einen Interviewtermin im Dezember. Trotzdem witzelte Co-Redaktionsleiter Brönnimann noch am Samstag, dass er vielleicht seinen Mietvertrag kündigt, um ins Büro zu ziehen. In der Redaktion wurde das Aus am Montag bekannt gemacht. Andreas Miescher, Stiftungsrat der Stiftung für Medienvielfalt, wusste es bereits länger: «Das beschliesst man nicht an einem schönen Montag. Der Entscheid ist etwa eine Woche davor gefällt worden.»

Eine Stiftung, die «Medienvielfalt» im Namen trägt, ist Urheberin der letzten Hiobs-Botschaft in einem von Erschütterungen geprägten Jahr.

In Basel ist Herbstmesse. Abstimmungen stehen an. Theater müssen besprochen werden. Und nicht nur das: Auch wenn das Feindbild Somm aus der Stadt verschwindet, steht es um den Medienplatz Basel schlecht. Eine Stiftung, die «Medienvielfalt» im Namen trägt, ist Urheberin der letzten Hiobs-Botschaft in einem von Erschütterungen geprägten Jahr. Wäre der Medienplatz Basel Hiob, hätte er bereits Vieh und Kinder verloren und siechte mit Geschwüren im Bett:

Das Kulturmagazin «Programmzeitung» ist ins Schlingern geraten, der «Basler Zeitung» steht ein Abbau von 16 Stellen auf Verlagsebene bevor, bz Basel-Chefredakteur David Sieber ist überraschend geschasst worden. Das Facebook-gestützte Onlinemedium barfi.ch stellte Mitte August den Betrieb ein.

Wieso wurde der Daumen jetzt gesenkt? Weil bereits ein neues Medienprojekt in den Startlöchern steht? In der Medienmitteilung, mit der die Stiftung für Medienvielfalt das Aus der TagesWoche verkündet hat, weist sie darauf hin, dass sie für ein neues, noch nicht bestimmtes Medienprojekt weiterhin eine Million Franken pro Jahr zahlen würde. Eine «Absichtserklärung» nannte das Miescher gegenüber der MEDIENWOCHE am Montagabend.

«Nächstes Jahr wird ein neues Basler Medienprodukt lanciert. Darin wird der Geist der TagesWoche weiterleben.»
Sibylle Schürch, Geschäftsführerin TagesWoche

Am Tag drauf wird TagesWoche-Geschäftsleiterin Schürch in einem Leitartikel konkreter: «Nächstes Jahr wird ein neues Basler Medienprodukt lanciert. Darin wird der Geist der TagesWoche weiterleben. Das, was Sie an unserer Arbeit geschätzt haben, soll wieder regelmässig in Ihrem Briefkasten liegen. Dazu müssten Sie ein bisschen Geduld aufbringen und warten, bis wir bereit sind.» Auf Anfrage erklärt sie: Es gebe eine Initiative, wer ausser ihr involviert ist, könne sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Das brauche noch Zeit, so schnell gehe das nicht. «Von Seiten der Stiftung ist grundsätzliche Unterstützung da, aber der Entscheid für unsere konkreten Pläne ist noch nicht gefällt», erklärt sie.

Noch-Tageswoche-Co-Redaktionsleiter Renato Beck sagt: «Momentan ist der redaktionsinterne Zukunftsplan, dass wir alle am 1. Dezember auf’s RAV gehen.» Anders klingt es in der bz Basel vom Mittwoch: «Das neue Projekt soll aus dem gleichen Stall kommen. Ein Businessplan steht. Stiftungsrat Andreas Miescher liess gegenüber der bz durchblicken, dass manche Mitarbeitende der «Tageswoche» auch dem neuen Projekt Pate stehen werden.» Im Gespräch mit der Medienwoche am Montagabend sagte er noch: «Was das wird und wie das aussieht, können wir beim besten Willen nicht sagen. Das wissen wir selber nicht.»

Was stimmt denn jetzt? Will Schürch ihr Projekt vorantreiben und so Tatsachen schaffen? Oder reagieren Schürch und Miescher gar auf Guy Krneta? Der Basler Autor erklärte am Montagabend via Facebook seine Bewerbung für die Million: «Wenig Online-Plattformen in der Schweiz haben eine feste Subvention von 1 Mio Franken. Ich würde also gerne die Aufgabe, die der Verwaltungsrat der Neuen Medien Basel AG nicht zu lösen imstande war, übernehmen und bewerbe mich hiermit um die technische Infrastruktur der Tageswoche sowie die 1 Mio Subvention im Jahr. Ich werde eine Gruppe von Leuten aus Basel und darüber hinaus zusammenstellen, die ein entsprechendes Projekt entwickelt, das in absehbarer Zeit starten kann.»

Die TagesWoche hat eine enorme Symbolkraft. Sie war in den Jahren ihres Bestehens eine Projektionsfläche für vieles und viele.

Guy Krneta gehörte zu den Initiatoren von «Rettet Basel», jenem Komitee, das sich vor acht Jahren aus Protest gegen die Blocher-Übernahme der Basler Zeitung gebildet hatte. «Rettet Basel» erlebte ein Momentum: 20’000 Unterschriften sind Ende 2010 in einer Petition zusammengekommen. Der Zürcher SVP-Patron, der sich als Medienmogul im rotgrünen Basel versucht, empörte die Menschen am Rheinknie und anderswo. Krneta zeigt sich verwundert, dass die Einstellung der TagesWoche ohne öffentliche Diskussion erfolgte, zumal das Projekt ja auch das Ergebnis eines kollektiven Unbehagens über die Mediensituation in Basel gewesen sei.

Die TagesWoche hat für einige Menschen, die bereits lange nicht mehr dort arbeiten oder – wie Krneta – nie dort gearbeitet haben eine enorme Symbolkraft. Sie war in den Jahren ihres Bestehens eine Projektionsfläche für vieles und viele: Die Anti-BaZ (die sie selbst nie sein wollte), ein neuartiges Open-Source-Medium, die Rettung des Kulturjournalismus. Auch intern führten die unterschiedlichen Vorstellungen immer wieder zu Brüchen. Entlassungen in cholerischer Überforderung während Zigipausen, Wegbeförderungen, Mobbing, eine Mäzenin, die sich zurückzieht. Tausende Exemplare am Flughafen Zürich, welche die Auflage künstlich hochtreiben sollten. Die Äusserungen der von den Brüchen Gezeichneten reihen sich am Montagabend zwischen die vielen Beileidsbekundungen auf Twitter und Facebook. Die obskure Rolle von Beatrice Oeris Statthalter Georg Hasler wurde nochmals aufgewärmt, obwohl sich Oeris Stiftung Levedo längst zurückgezogen hat. Die Stiftung für Medienvielfalt erhält bereits seit Jahren kein neues Geld von Levedo. Das war am Montagabend auch Andreas Miescher ein wichtiges Anliegen: «Die Verantwortung für diesen Entscheid trägt die Stiftung für Medienvielfalt und sonst niemand.»

Die anhaltenden Negativnachrichten aus dem Innern der TagesWoche verhinderten, dass sich in der Bevölkerung eine Identifikation mit der TagesWoche entwickelt hat.

Zu den Brüchen der Vergangenheit, die am Montag nochmals auf Social Media echoten, kann und will sich die heutige Geschäftsleiterin Sibylle Schürch nicht äussern: «Ich kann die ersten fünf Jahre der TagesWoche nicht kommentieren, weil ich sie nicht miterlebt habe. Meine Zeit war zu kurz und die Geschichte zu lang. Manchmal wird eine Geschichte zu schwer.» Schürchs letzter Satz deutet aber an, dass sie zumindest weiss, dass ein Gewicht auf der kurzen Geschichte des Mediums lastet. Abbau, Entlassungen und Zoff in einem rein kommerziellen Medienunternehmen können die Leser*innen eher nachvollziehen, als in einem Projekt, das – wie die TagesWoche – Idealismus und Journalismus vereinen will. Die anhaltenden Negativnachrichten aus dem Innern verhinderten, dass sich in der Bevölkerung eine Identifikation mit der TagesWoche entwickelt hat, und Abos allein aus Sympathie und Solidarität gezahlt wurden. Ausser Solidarität gab es schon lange keine Gründe mehr, ein Abo zu lösen. Die Abo-Bezeichnungen Unterstützerin/Unterstützer (160 Franken), Enthusiastin/Enthusiast (220 Franken) bezeugen, dass man sich dessen intern bewusst war.

MEDIENWOCHE:

Nochmals, Herr Miescher: Warum jetzt? Weshalb stampft der Stiftungsrat die TagesWoche zu diesem Zeitpunkt ein?

Andreas Miescher:

Wir mussten einfach einsehen, dass es nicht möglich ist, zusätzliche Mittel zu generieren. So wie sie jetzt ist, hat die TagesWoche keine Chance.

MEDIENWOCHE:

Sah das zu einem bestimmten Zeitpunkt denn mal anders aus?

Andreas Miescher:

Ich war von Anfang an dabei. Wir haben natürlich gehofft, dass die TagesWoche selbsttragend wird. Das hat sich als Illusion rausgestellt. Es ist klar, dass man an ein Projekt glaubt, wenn man dafür eintritt. Sonst würde man nicht anfangen.

So lange hat der Stiftungsrat gebraucht, um sich das einzugestehen? Es scheint schon lange klar, dass die TagesWoche nicht selbsttragend überleben kann. Ein erster Zeitpunkt für den Reset-Knopf wäre der Flughafenbschiss 2014 gewesen: Als bekannt wurde, dass man Woche für Woche 3250 Exemplare an den Euroairport und 8250 an den Flughafen Zürich geschickt hat, für nichts, ausser um die Zahlen zu schönen. 12’000 Exemplare, die gedruckt, geliefert und womöglich geschreddert werden müssen, ramponieren nicht bloss den Ruf, sondern schlagen sicherlich auch finanziell zu Buche. Aber statt mit wirtschaftlicher Vernunft versuchte man in der Folge, den Ruf mit Gratis-Mentalität zu retten: Seit Frühjahr 2014 liegt die TagesWoche in vielen Basler Cafés gratis und explizit zum Mitnehmen auf. Gab es vorher noch das Haptische, die gestalterische Aufbereitung, als Kaufanreiz, bleibt seither die blosse Solidarität. Zwei Jahre nach dem Flughafenbschiss ist die TagesWoche-Redaktion aus ihren Räumen im «Unternehmen Mitte» an die Spitalstrasse gezogen. Dort konnte man den Wasserhahn auf Mineralwasser umstellen; dort sind die Echtholz-Schreibtische per Elektromotor in der Höhe verstellbar. Luxus, der sicher nicht für Solidaritätswellen aus der Bevölkerung gesorgt hat.

In letzter Zeit ging es mit der TagesWoche aufwärts: Besser Zugriffszahlen mit weniger Leuten. Grund ist die Fokussierung den Lokaljournalismus.

Publizistisch hat die TagesWoche in den letzten anderthalb Jahren massiv zugelegt. Zu nennen sind etwa die Sozialreportagen von Andrea Fopp oder Matthias Oppliger, abseitige trotzdem relevante Geschichten wie jene über den Chinakäfer – oder die Polizeirepressions-Ausgabe von Renato Beck, die das Internet explodieren liess, weil man noch nie so umfassend und verdichtet über die fragwürdigen Polizeieinsätze am Rhein informiert worden ist. Auch in der Welt der Aufmerksamkeitsökonomie geht es nach vorne, seit die Tageswoche von Brönnimann/Beck redaktionell und von Schürch geschäftlich geleitet wird. Bessere Zugriffszahlen mit weniger Leuten habe man erreicht, sagt Beck. «Weil wir uns entschieden haben, das zu machen, was wir können.» Beck meint Lokaljournalismus. Davor habe man grossspurig versucht, ein Vollprogramm zu liefern. Ein nationales und gar internationales Medium zu sein.

Jetzt verlieren Menschen ihre Jobs und Basel verliert die Arbeit von Journalist*innen, die sich eigenwillig, manchmal zu sehr in der Nische, aber immerhin ohne Borderliner-Tendenzen (im von Artikel über angeblichen Organhandel traumatisierten Basel keine Selbstverständlichkeit) mit der Stadt auseinandergesetzt haben: Yen Duong, Aufdeckerin – Oliver Joliat, Szenekenner – Renato Beck, Skeptiker. Die Label der Image-Kampagne sind nicht aus der Luft gegriffen. Die schnellen kleinen Recherchestücke von Gabriel Brönnimann oder Renato Beck werden der Basler Öffentlichkeit fehlen. Vor allem auf Social Media. Dort, wo die Debatte ist. Dort, wo der Aufmerksamkeitserfolg nicht zum wirtschaftlichen beiträgt. Dass das von Schürch angedeutete Print-Projekt diese bald klaffende Lücke füllen kann, ist zweifelhaft.

Einen Hype um die TagesWoche gab es vielleicht einmal vor der Lancierung. Dann kamen die Brüche, der Auflagenbschiss, mehrere Entlassungswellen.

«Es ist würdiger, die TagesWoche jetzt zu schliessen», sagt Miescher gegenüber der Medienwoche nach der dritten Nachfrage zu den Gründen für die Deadline vor der Deadline. Daumen runter, Geldhahn zu. Die TagesWoche ist gescheitert. Im gegenwärtigen Medienmarkt ist Scheitern normal. Bei der TagesWoche hat es sich aber abgezeichnet: Ein Unternehmen will ein Produkt verkaufen, dass es ebenfalls gratis im Internet und gratis im Café gibt. Ein solches Unternehmen muss auf einer extremen Hypewelle surfen, falls das klappen soll. Einen Hype gab es vielleicht einmal vor der Lancierung. Dann kamen die Brüche, der Auflagenbschiss, mehrere Entlassungswellen. Sibylle Schürch musste mit teils flehenden Leitartikel, in denen sie um Unterstützung bei den Leser*innen bat – bewusst oder unbewusst – gegen all diese Negativassoziationen ankämpfen. Und das macht dieses Medien-Aus besonders bitter: Alle heute Verantwortlichen können nichts für die entscheidenden Fehlentscheidungen in der Vergangenheit. Sie mussten sie bloss ausbaden.

«Seit dem ersten Arbeitstag bei der Tageswoche war das erste und wichtigste Ziel meiner Arbeit, die Tageswoche unternehmerisch auf sichere Beine zu stellen. Das was in vielen Jahren davor vielleicht nicht erste Priorität hatte, war meine erste Priorität: eine längerfristige unternehmerische Zukunft mit genügend Einnahmen und tiefen Ausgaben», sagt Schürch.

Auf dem freien Markt hatte die TagesWoche nie eine Chance. Hätte man sich das früher eingestanden, gäbe es das Medium künftig vielleicht noch. Man hätte früher gespart, man hätte die Verantwortlichen für den Flughafenbschiss schneller entlassen. Man hätte vielleicht sogar auf Luxus wie einen Mineralwasserhahn und verstellbare Echtholz-Pulte verzichtet. Schon lange war klar, dass das Medienprojekt nur überleben kann, wenn jemand deshalb Geld in die Hand nimmt, weil er will, dass das Medium überlebt. Dafür ist Journalismus auch in der globalen Stiftungshauptstadt niemandem wichtig genug.

Leserbeiträge

Hannes Hofstetter 09. November 2018, 07:39

Sehr interessant, nur: Muss dieses verkrampft-holprige „Journalist*innen“, „Redaktor*en und „Abonnent*innen“ wirklich sein?

Ist – besonders der Leserschaft dieses Mediums – nicht auch so klar, dass jeweils beide Geschlechter gemeint sind?

Vincenzo Tremonte 27. November 2018, 10:31

Ich bin ganz bei Ihnen, Herr Hofstetter. Man könnte ganz entspannt nur noch von Journalistinnen, Redaktorinnen und Abonnentinnen schreiben!

Thomas Gilgen 29. November 2018, 21:37

Dank Levedo sich das Radioangebot in der Schweiz verdoppelt hat. Tageswoche hin oder her. Der Artikel ist spiessig.