von Nick Lüthi

Mitgliederbeschimpfung als präsidialer Fehltritt

Der Entscheid der SRG, den Studiostandort in Bern zu schwächen, hat tiefe Gräben gerissen innerhalb der Organisation. Anstatt zu kitten und die Hand zu reichen, giesst SRG-Präsident Jean-Michel Cina Öl ins Feuer. Gerade jetzt braucht es aber Vermittler und nicht Spalter.

Als am vergangenen Freitagabend in der Burgdorfer Markthalle der Verwaltungsratspräsident der SRG ans Rednerpult trat, hätte man eigentlich erwarten können, dass Jean-Michel Cina Worte der Vermittlung und Versöhnung finden würde. Nach der langen und teils emotional verlaufenen Generalversammlung der Berner SRG-Basisorganisation wäre dies eine angemessene präsidiale Reaktion gewesen. Stattdessen goss Cina Öl ins Feuer. Den anwesenden Mitgliedern der SRG Bern Freiburg Wallis warf er vor, «gegen die Gesamtinteressen der SRG» verstossen zu haben mit ihrem Engagement für den Erhalt des Radiostudios Bern. Cinas Worte gingen in lauten Pfiffen und Buhrufen unter.

Die heftige Reaktion überrascht nicht. Denn der Vorwurf ist infam. Die politisch und gesellschaftlich breit abgestützte Allianz, die sich gegen eine Entkernung des Radiostudios Bern einsetzt, hat sehr wohl das grosse Ganze im Auge und nicht irgendwelche Partikularinteressen. Ein föderal verankerter Service public lässt sich bestimmt besser erfüllen mit einer dezentralen Organisation als mit der beschlossenen Zentralisierung in Zürich.

Stärker als jedes private Verlagshaus sollte sich der Service-public-Veranstalter um die Verankerung in der Gesellschaft bemühen.

Eine Gefährdung der SRG-internen Medienvielfalt drohe mit einer Zentralisierung nicht, vermutet Cina. Schliesslich gebe es weiterhin getrennte Chefredaktionen für Radio und Fernsehen und die Inland-Redaktion bleibe in Bern. Der Verwaltungsrat habe mit dem Umzugsentscheid die «Gesamtverantwortung» für die SRG wahrgenommen in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Damit argumentiert Cina gleich wie die Unternehmensleitung.

Wenn es in der Schweiz ein Medienunternehmen gibt, das seine Strategie nicht allein von Spar- und Sachzwängen abhängig machen darf, dann ist das die SRG. Stärker als jedes private Verlagshaus sollte sich der Service-public-Veranstalter zudem um die Verankerung in der Gesellschaft bemühen. Dazu verfügt er auch über das Instrument der Trägerschaft, an deren Spitze Cina steht.

Vor einem Jahr wäre eine breite Debatte über die Zukunft des Service public möglich gewesen. Doch anstatt den Rückenwind aus der überraschend deutlichen Ablehnung der «No Billag»-Initiative zu nutzen, brüskierte die SRG-Spitze breite Bevölkerungskreise mit dem radiklalen und wenig durchdachten Entscheid: Der Informationsjournalismus von SRF sollte fortan in Zürich konzentriert werden. Das Studio Bern würde zu einer Filiale degradiert. Der Entscheid trägt die Handschrift von Generaldirektor Gilles Marchand, der mit seiner Vision einer SRG 4.0 aufs Tempo drückt.

Als Nachteil erweist sich zudem, dass Cina zwar von Raumplanung etwas versteht, aber nicht viel von Medienmanagement.

Wenn jemand den Turbo bremsen könnte, dann wäre das der Präsident. Wenn aber die Doppelspitze im Gleichschritt marschiert, verkommt sie zur Farce. Als Nachteil erweist sich zudem, dass Cina zwar von Raumplanung etwas versteht, aber nicht viel von Medienmanagement. Er muss daher auf die Einschätzung von Profis wie Marchand vertrauen.

Eine Verhärtung der Fronten, wie man sie in Burgdorf beobachten konnte, wäre vermutlich zu vermeiden gewesen, wenn der Prozess zur Neuorganisation der Standorte von Schweizer Radio und Fernsehen nicht mit vollendeten Tatsachen eröffnet worden wäre. Zur Option, die Radioinformation von Bern zum Fernsehen nach Zürich zu verlegen, hat die SRG-Führung keine ernstzunehmenden Alternativen erarbeitet. Der Evaluationsprozess glich einer Alibiübung, bei der das Ergebnis von vornherein feststand.

Nachdem nun aus dem Parlament klare Signale kommen, nicht in die Standortpolitik der SRG eingreifen zu wollen, steht dem Abzug der Radiochefredaktion und eines Grossteils der Ressorts aus dem Studio Bern nichts mehr im Weg. Unklar bleibt weiterhin, wann und wie das genau geschehen soll. Wenn es der SRG-Präsident selbst angesichts der inzwischen geklärten Situation nicht schafft, denjenigen die Hand zu reichen, die sich ernsthaft und begründet um die Qualität der SRG-Informationsleistungen sorgen, sondern sie beschimpft, dann ist das kein gutes Zeichen für sein Rollenverständnis als formal höchstes SRG-Mitglied. Was es jetzt dringend braucht, sind Vermittler und keine Spalter. Sonst droht die SRG ihre treusten Anhänger zu verlieren.

Leserbeiträge

Lahor 07. Mai 2019, 21:13

Das Regijournal bleibt in Bern. Die Buha-Redaktion auch.

Kein Grund, sich zu beklagen.

1.3 Mrd Filag sollten für BE reichen.

Mark Balsiger 08. Mai 2019, 11:08

An jener Generalversammlung der SRG-Regionalgesellschaft BE/FR/VS war ich dabei. Dass etliche Leute der SRG-Spitze sich ebenfalls zeigten, fand ich bemerkenswert und – zunächst – positiv. Sie wussten, dass die Genossenschafterinnen und Genossenschafter die Standortverlegung des Radiostudios nach Zürich weiterhin als falsch einstufen. «Chapeau, die Spitze sucht den Dialog zu uns», dachte ich zu Beginn der GV. Es sollte anders kommen, wie dieses Posting eindrücklich aufzeigt.

Die SRG ist in allen Landesteilen stark verwurzelt. Das liegt auch an den Regionalgesellschaften und den über 20’000 Mitgliedern, die vor Jahresfrist tatkräftig mithalfen, die «No Billag»-Initiative zu bodigen. Ihnen zu unterstellen, sie hätten das «Big Picture» für die SRG nicht, ist starker Tobak. Der unvorbereitete Auftritt von Verwaltungspräsident Cina und seine deplatzierte Wortwahl machen den Graben zwischen SRG-Spitze und Basis noch tiefer. Von Burgdorf bis Genf hat die Konzernspitze an Rückhalt verloren. Möglich, dass sich viele Genossenschafts- und Vereinsmitglieder wie nützliche Idioten vorkommen. Beim nächsten Sturm kann sich das rächen.

Andreas Müller 09. Mai 2019, 00:02

Ich halte den Entscheid der SRG für falsch und unnötig. Dass sie „breite Bevölkerungskreise“ mit dem Entscheid brüskiert hat, glaube ich aber nicht. Die Reaktionen scheinen mir trotz intensiver Berichterstattung äusserst bescheiden. Einmal mehr machen Journis den Fehler, ihr eigenes Universum für besonders relevant für alle zu halten. In einer Zeit, in der St. Galler Journalisten plötzlich in Aarau arbeiten müssen und andere von einem auf den anderen Tag ganz ohne Job dastehen, ist das Ausmass der Aufregung um diesen Entscheid übertrieben. Berner SRG-Journis sind zuvor nicht dadurch aufgefallen, dass sie eine föderalere Verteilung des SRG-Personals wünschen angesichts der Tatsache, dass St. Gallen, Luzern oder das ähnlich grosse Winterthur beinahe SRG-freie Zonen sind. Dass sich das nun geändert hat, da der eigene Arbeitsweg auf dem Spiel steht, hinterlässt zumindest einen fahlen Nachgeschmack.

Lahor Jakrlin 09. Mai 2019, 12:14

Wenn man Dir gibt, so nimm,
wenn man Dir nimmt, so schrei!

Nach diesem alten Sprichwort handelt die Berner Journi- und Lokalpolitikerli-Blase, deshalb danke für Ihren Kommentar, Andreas Müller.

Der Kanton Bern hat sich derart aufs Verwalten und durch Filag-Milliarden Gefüttertwerden gewöhnt, dass er in Situationen, wo ihm WENIG wieder genommen wird, mit kolikartigen Entzugserscheinungen reagiert. Aber unter dem Strich gesehen, was wird passieren: Nichts. Alle Stellen, die mit der Regionalberichterstattung (Regijournal) und dem Bundeshaus zu tun haben, verbleiben in Bern. Es gehen nur jene Redaktionsteile in den zentralen Newsroom nach Zürich, die mit der „Region“ direkt nichts zu tun haben. Insgesamt wird Bern weiterhin mehr SRF-Beamte beschäftigen als die von Ihnen genannten anderen Kantone und Gebiete (v.a. die Ostschweiz).

Abgesehen davon: Wenn die Reorganisation zu Einsparungen führt (SRG ist auch stark überfüttert), dürfen alle Billag-Steuerzahler, auch bernische, für eine Entlastung dankbar sein.