von Nick Lüthi

Was macht eigentlich Hansi Voigt (in Basel)?

«Heute brächten mich keine zehn Pferde mehr in ein klassisches Verlagshaus», sagt Hansi Voigt. Doch die Medien lassen ihn nicht los. Der frühere Chef von 20 Minuten Online und Watson baut in Basel ein Lokalmedium auf. Prominent auf der Medienbühne tritt Voigt derzeit im Zusammenhang mit dem Fall Spiess-Hegglin auf. Welche Rolle spielt er dort?

MEDIENWOCHE:

Wir treffen uns hier in Basel, weil du als Co-Projektleiter ein neues Online-Medium entwirfst. Wo steht das Projekt heute?

Hansi Voigt:

Im Moment führen wir viele Bewerbungsgespräche, ein Kernteam von drei Frauen haben wir ja schon. Dabei sind Andrea Fopp, Martina Rutschmann und Naomi Gregoris. Wir machen nun viele sogenannte DNA-Workshops, auch zusammen mit Matthias Zehnder, dem Co-Projektleiter, damit wir wirklich genau wissen, wovon wir alle reden.

MEDIENWOCHE:

Wie sieht die DNA des neuen Medienprojekts aus?

Hansi Voigt:

Uns geht es letztendlich um die Qualität des Diskurses. Also nicht nur senden, sondern auch empfangen, die Debatte moderieren und sie journalistisch begleiten. Unsere Redaktion wird mitten in der Markthalle sitzen, dort können wir auch Veranstaltungen organisieren. Und die Debatte findet online statt oder auch in der realen Welt. Inhaltlich werden wir natürlich einen klaren Fokus auf Basel richten.

MEDIENWOCHE:

Es gibt also eine Neuauflage der Tageswoche, einfach ohne gedruckte Zeitung?

Hansi Voigt:

Man kann bei allem sagen, das sieht nach dem oder nach dem aus. Ich habe etwas gezögert mit diesem Gespräch, weil ich den Erwartungsdruck so klein wie möglich halten will. Aber die Leute dürfen schon hören, was wir machen. Wir machen ein Projekt, das vor allem probiert, den Leuten journalistisch zu nützen. Dass es die Tageswoche gab, ist für uns eine Riesenchance. Alles, was schon mal probiert wurde, ist eh gut. Ob es gelungen ist oder nicht, spielt fast keine Rolle. Hauptsache man zieht die richtigen Lehren draus. Die Tageswoche fand ich in den letzten eineinhalb, zwei Jahren übrigens richtig gut. Aber es war schade, dass sie unter der Last der ersten Jahre extrem gelitten haben. Darum ist es auch wichtig, dass wir jetzt unser Projekt völlig anders aufstellen.

MEDIENWOCHE:

Aber der Vergleich liegt auf der Hand.

Hansi Voigt:

Jeder kann auf einen projizieren, was er will. Der eine stellt sich das vor, der andere dies. Mir ist vor allem wichtig, dass die Anfangs-Erwartungen klein bleiben und dafür eingelöst werden können. Wir wollen irgendwann zu liefern beginnen und dann ist es da. Es ist auch gar kein grossartiger Launch geplant. Und den Journalismus erfinden wir auch nicht neu.

«Unser Geschäftsmodell ist die Identifikation mit dem Angebot, die sich in Mitgliedschaften und Unterstützung niederschlagen soll.»

MEDIENWOCHE:

Finanziert wird das neue Projekt auch gleich wie die Tageswoche.

Hansi Voigt:

Wir haben von der Stiftung für Medienvielfalt Geld zur Verfügung. Aber «nur» eine Million Franken pro Jahr. Und das Geld fliesst auf Dauer nur, wenn wir innert drei Jahren noch mindestens eine weitere Million selbst auftreiben. Aber im Vergleich zur Tageswoche verkaufen wir keine Abonnements und geben keine gedruckte Zeitung heraus. Unser Geschäftsmodell ist eher die Identifikation mit dem Angebot, die sich in Mitgliedschaften und Unterstützung niederschlagen soll.

MEDIENWOCHE:

Rechnen wir: Wenn ihr eine Million Franken selber berappen müsst und euer Produkt für sagen wir mal 100 Franken pro Jahr verkauft, dann braucht ihr in drei Jahren 10’000 Abonnenten. Die Tageswoche hatte am Schluss gut 3000. Wie soll das gehen?

Hansi Voigt:

100 Franken sind ein sehr vernünftiger Betrag. Aber wie gesagt, wir verkaufen keine Abos, sondern wir suchen langfristig Unterstützerinnen und Identifikation. Wenn wir journalistisch den Baslern etwas nützen, bin ich da zuversichtlich. Ausserdem wird klar, dass Journalismus, etwa im Kulturbereich, selber zum Kulturgut wird. Die Finanzierung geht hier weg von den Verlagshäusern im Sparmodus hin zu den Kulturveranstaltern, respektive Förderern.

«Wir müssen nicht die Leserinnen zu uns hinter die Paywall locken, sondern können dorthin gehen, wo das Interesse ist.»

MEDIENWOCHE:

Wann startet ihr?

Hansi Voigt:

Was heisst «starten»? Wir haben noch nicht einmal eine Website. Im August haben wir eine erste Veranstaltung geplant. Aber weil wir stark auf Kooperationen setzen, sind wir bereits ab Ende Juli auf dem Liveticker der Rotblau-Fussball-App sichtbar. Und wir werden im Gegenzug bei uns ab und zu grössere Fussballgeschichten bringen oder Diskussionen zum FC Basel veranstalten. Ich muss nicht zuerst versuchen bei uns einen FCB-Ticker zu etablieren und in Konkurrenz zu einem erfolgreichen Format zu treten. Das ist wirklich eine andere Denke, die möglich wird, durch die Art der Finanzierung. Wir müssen nicht die Leserinnen zu uns hinter die Paywall oder den Werbepixel locken, sondern können dorthin gehen, wo das Interesse ist.

MEDIENWOCHE:

Du kennst den lokalen Online-Markt ein bisschen aus der Innerschweiz, wo du bei Zentralplus im Verwaltungsrat sitzt. Was nimmst du von dort mit?

Hansi Voigt:

Im lokalen und regionalen Journalismus tun sich grosse Chancen und die grössten Lücken auf. Lokaljournalismus ist am wenigsten abdeckbar von internationalen und nationalen Giganten, andererseits nicht über klassische Werbemodelle zu finanzieren. Lokaljournalismus ist immer Community-Journalismus. Dem werden die aktuellen, zentralistischen Regio-Duopole mit ihren Zentralredaktionen in Aarau und Zürich keineswegs gerecht. Aus föderalistischer Sicht ist das eigentlich undenkbar, was gerade passiert. Aber es tun sich Lücken auf. Wenn alles hinter den Paywalls verschwindet, ergibt das wieder neuen Spielraum für frei zugängliche Angebote. Die Finanzierung wird dabei zunehmend anders gelöst. Eben, etwa über Stiftungen oder die Community vermutlich auch über die Kantone. Denn wir brauchen glaubwürdigen, regionalen Journalismus. Egal ob er ein Geschäft für die Verlegerfamilien ist, oder nicht.

MEDIENWOCHE:

Mit dem neuen Medium in Basel verbindest du ein anderes Projekt von dir: Basel soll als erster Anwendungsfall dienen für die Open-Source-Journalismus-Infrastruktur von «Wepublish». Was bringt das?

Hansi Voigt:

Das ist nicht mein Projekt. «Wepublish» ist ein Verein, der eine Infrastruktur baut, damit sich so ein Projekt, wie jetzt das in Basel, einfacher realisieren lässt. In diesem Fall können wir mit vier Content-Partnern starten.

MEDIENWOCHE:

Wer ist das?

Hansi Voigt:

Das sind das Wissenschaftsmagazin «higgs.ch», das regionale Civic-Media-Portal «tsueri.ch», die «Programmzeitung» aus Basel. Und dann noch die «WOZ» für nationale Inhalte. Im Rahmen des Pilotversuchs organisieren wir den Content-Austausch. Higgs.ch kann dann zum Beispiel sagen, ich gebe alle meine Inhalte den anderen Partnern, ausser der WOZ. Oder die WOZ kann sagen, ich will nur von denen, aber von den anderen nichts. Du gibst nur die Inhalte frei, die du willst. Jene die man freigibt, kommen dann in einen Feed, den die anderen Medien nutzen können. So weit sind wir jetzt technisch. Das ist der ganz banale Anfang. Danach kann man dann die ganze Distribution smart, intelligent, oder wie auch immer organisieren.

«Ziel ist es, ein kleines Netzwerk von Inhaltsanbietern zu schaffen, damit gerade regionalen Inhaltsanbietern ein breiteres Angebot und besserer Lesestoff zur Verfügung steht.»

MEDIENWOCHE:

Wie sorgt ihr dafür, dass die Marken nicht verwässern, wenn alles miteinander vermischt wird?

Hansi Voigt:

Das muss man einfach sauber und getreu den Marken ausweisen. Unter einer solche Kooperation leidet keine der Brands. Im Gegenteil: Sie sollen voneinander profitieren! Ziel ist es ja, Inhalte einander zur Verfügung stellen, so dass es allen Seiten nützt und der Leser einen Mehrwert erhält. Kuratieren gehört auch zum Markenprofil. Ziel ist es, ein kleines Netzwerk von Inhaltsanbietern zu schaffen, damit gerade regionalen Inhaltsanbietern ein breiteres Angebot und besserer Lesestoff zur Verfügung steht. Der Benchmark ist einfach: Was die Publikationen auf Facebook stellen und oft noch mit Geld bewerben, können sie auch einander zur Verfügung stellen. «Wepublish» ist der technische Aspekt der publizistischen Vernetzung. Daneben gibt es politisch inzwischen den «Verband Medien mit Zukunft» und auf Seiten der Finanzierung einen dezentralen Ansatz mit dem sogenannten «Medienfranken». Das klingt alles noch ziemlich vage, ist aber im Vergleich zu vor zwei Jahren schon ganz schön konkret.

MEDIENWOCHE:

Öffentlich hat man dich in den letzten Monaten vor allem in der Causa Spiess-Hegglin wahrgenommen. Kannst du mal deine Rolle beschreiben, die du da spielst?

Hansi Voigt:

Ich würde es so beschreiben: Jolanda Spiess-Hegglin und ihrem Mann ging und geht es ums Lebendige, ich kämpfe nur für meinen Beruf als Journalist. Aber ich denke, das lohnt sich schon sehr. Ich bin als Journalist an die Geschichte geraten als ich noch Chef von Watson war. Ich habe der Redaktion schon sehr früh gesagt: Wir wissen schlichtweg nicht was geschehen ist, ob die eine Seite oder die andere Recht hat. Ich vermute inzwischen, dass beide Kantonsräte unter Drogeneinfluss standen. Beweisen kann man es nicht mehr. Und selbst falls einfach zwei besoffene Kantonsräte miteinander in einem Nebenzimmer gevögelt haben sollten, hätten die Medien nie und nimmer mit Namensnennung berichten dürfen. Was aber abging war das Kopfkino in den Köpfen der Journalistinnen und Journalisten und der Anreiz, Klicks ohne Ende zu machen. Auch bei den Qualitätstiteln. Die meisten haben sich dabei zunächst völlig vergaloppiert. Als sich Jolanda Spiess-Hegglin gegen die unbelegten und falschen Geschichten gewehrt hatte, sollten sie, unter anderem auch von den Qualitätsmedien mundtot gemacht werden. Bis heute. Das geht nicht.

«Heute würde ich journalistisch nichts mehr über Jolanda Spiess-Hegglin schreiben, denn inzwischen bin ich Partei.»

MEDIENWOCHE:

Wie kam es zu deinem heutigen Engagement?

Hansi Voigt:

Ich traf Jolanda Spiess-Hegglin vor rund zweieinhalb Jahren auf einem Podium zu Hate-Speech. Ich hatte Erbarmen, wie sie sich da immer mehr in dem ganzen Medienwirrwarr verstrickte und fand, dass ihre Geschichte noch gar nie fair oder aus einer anderen Perspektive erzählt worden ist. Ich fand es eine unglaubliche Unverfrorenheit, diesen Ruf der Medien, sie solle jetzt endlich schweigen. Dann habe ich für Watson diesen Artikel über ihren Fall geschrieben und darin versucht, den Medienskandal herauszuarbeiten. Die Berichterstatter haben die Beweislast umgekehrt und Jolanda Spiess-Hegglin musste dann plötzlich ihre Unschuld beweisen. Der Artikel hat mir enorm viel Wut von Kollegen eingebracht. Seither gelte ich wohl bei einigen als Nestbeschmutzer. Aber damit kann ich gut leben. Heute würde ich journalistisch nichts mehr über Jolanda schreiben, denn inzwischen bin ich Partei. Ich hab geholfen, dass sie sich aus der ganzen verhedderten Medienmisere befreien konnte. Heute kennt man ihre Version der Geschichte und es sind die Medienhäuser, welche die Prozesse verlieren. Und wer ihr heute noch vorwirft, sie hätte die Öffentlichkeit gesucht, würde auch einer Ertrinkenden vermutlich vorwerfen, dass sie beim Ersaufen etwas unelegant gestrampelt hat. Aber diese Stimmen sind ziemlich leise geworden.

MEDIENWOCHE:

Machst du das informell oder bist du mandatiert?

Hansi Voigt:

Nein, ich habe kein Mandat. Jolanda vertraut mir einfach in Kommunikationsfragen und meldet sich, wenn etwas ansteht. Die Kampagne für das Crowdfunding zur Prozessfinanzierung lief über die Agentur, bei der ich auch arbeite. Aber ich wurde noch nie bezahlt. Auch das Gutachten zu den Werbeeinnahmen, die Ringier mit der Publikation von Artikeln über Spiess-Hegglin erzielt hat, machte ich unbezahlt.

MEDIENWOCHE:

Warum machst du das?

Hansi Voigt:

Ich halte den Medienfall Jolanda Spiess-Hegglin für absolut entscheidend in der Branche. Wenn wir es erlauben, dass Menschen quasi um der Klicks wegen in den Tod getrieben werden und das keine finanziellen Konsequenzen hat, ist all das Geschwafel um Glaubwürdigkeit im Journalismus Makulatur. Das kann kein Geschäftsmodell mehr sein.

MEDIENWOCHE:

Kürzlich hast du dich in der Medienkolumne von Kurt W. Zimmermann in der Weltwoche für mehrere Artikel auf 20min.ch entschuldigt, welche die Persönlichkeit von Carl Hirschmann verletzt haben könnten, als du dort Chefredaktor warst. Ist dein Einsatz für Jolanda Spiess-Hegglin eine Wiedergutmachung für die alten Sünden?

Hansi Voigt:

Ich war nie Gegenstand des Verfahrens von Carl Hirschmann gegen Tamedia und wusste gar nicht, um welche Artikel es geht. Ich hab erst mühselig herausfinden müssen, dass zwei von sieben beanstandeten Artikeln von Online-Redaktoren verfasst worden sind, die damals mir unterstellt waren. Aber ich akzeptiere den Entscheid des Gerichts, dass diese beiden Artikel persönlichkeitsverletzend waren und hätte mich schon viel früher und ausdrücklich bei Carl Hirschmann dafür entschuldigt. Das gehört zur Fehlerkultur, die wir unbedingt verbessern müssen. Die grösste Anteil der fehlbaren Hirschmann-Berichterstattung bei 20 Minuten wurde allerdings vom People-Ressort geleistet, dass dem Print-Chefredaktor Marco Boselli unterstellt war.

«Wir waren nicht ohne Fehler. Wie man Klicks jagt, wussten wir früher als die anderen.»

MEDIENWOCHE:

Wofür hast du dich dann genau entschuldigt?

Hansi Voigt:

Meine Entschuldigung in der Weltwoche stand im Konjunktiv: Falls ich irgendetwas falsch gemacht haben sollte, würde ich mich dafür entschuldigen. Ich musste abschätzen, wie ich damit umgehen soll. Es ist halt so eine Kampagne von Kurt W. Zimmermann gegen mich. Soll ich mich nun dagegen wehren oder zeigen, dass einem kein Zacken aus der Krone fällt, wenn man sich entschuldigt und korrigiert? Da ich das wichtig finde, habe ich es dann auch getan. Und wie gesagt, wir waren nicht ohne Fehler und wie man Klicks jagt, wussten wir früher als die anderen. Aber wir haben vermutlich auch früher gelernt, damit umzugehen. Dennoch bedauere ich einiges. Etwa die ganze Berichterstattung gegen Amanda Knox. Wir hatten eigentlich gar keine Ahnung. Alles nur Hörensagen. Auf der Redaktion hiess es dann jeweils: Haben wir heute keine «Foxy Knoxy» -Geschichte, die laufen immer so gut. Alles wird kopiert und rausgeknallt, ohne dass man je mit den Betroffenen geredet hat. Und am Schluss sind Amanda Knox, oder die Porno-Lehrerin in Nevada, keine Menschen mehr, sondern Ereignisse und Bilder. Diese Abstraktion und dieses Kopfkino der Journalisten ist extrem gefährlich.

MEDIENWOCHE:

Aber damit erzielen werbefinanzierte Online-Medien, wie 20min.ch, die erforderliche Reichweite.

Hansi Voigt:

Klicks kann man auch anders machen. Du kannst Emotionen abholen, aber nicht zulasten von Personen oder auf mit dieser Verbreitung von Angst, Schrecken und Hass. Bei Watson wurden wir nach unserer Flucht aus 20 Minuten zunächst ziemlich ausgelacht. Aber wir haben mit Katzenbildern immerhin positiv besetzte Emotionen abgeholt und eine ganz andere Tonalität gesucht. Ich habe gelernt, dass es nicht nur mit Hass geht oder mit Blut, Blech und Busen. Wir haben bei Watson eine ganz andere Sensibilität entwickelt, etwa beim Fall Geri Müller. Wir hatten eben das Privileg, dass wir uns viel früher als jetzt andere, mit diesen Fragen auseinandergesetzt hatten und ich habe auch aktiv Nein gesagt. Etwa bei Geri Müller. Statt ins verlagseigene Halali einzustimmen, haben wir auf Watson die persönlichkeitsverletzende Medienberichterstattung skandalisiert. Das bringt einem nicht nur Freunde. Aber wenn einer in seinem Stadtrats-Büro sein «Pfyffli» fotografiert, geht das im Jahr 2015 die Medien nun mal nichts an. Und auf die verzweifelten Versuche, im Nachgang die Berichterstattung zu legitimieren, sind wir nicht reingeflogen. Auch bei Jolanda war ich froh, dass wir bei Watson da nicht voll reingingen.

MEDIENWOCHE:

Warum bist du nach dem Abgang bei Watson nicht in eine vergleichbare Position bei einem anderen Medienunternehmen gewechselt?

Hansi Voigt:

Ich hatte gute Angebote, auch aus Deutschland. Aber ich wollte meinen Lebensmittelpunkt nicht nach Deutschland verlegen. Ausserdem sah ich in Watson so ein bisschen meinen Abschluss in der klassischen Verlagswelt. Ich bin Peter Wanner für seine Risikobereitschaft äusserst dankbar, und freue mich immer, wenn ich ihn sehe. Ausserdem halte ich Michael Wanner für einen ausgesprochenen Glücksfall für Watson. Michaels Engagement bedeutet, dass Peter Wanner auf seine alten Tage plötzlich noch vom Sprinter zum Marathonläufer wurde. Watson wird sich vermutlich ab Ende dieses Jahres für die Wanners lohnen. Dabei spielt nicht nur Glück eine Rolle. Das Konzept ist so gut, dass es inzwischen auch in Deutschland läuft und es war vor fünf Jahren schon absehbar, dass Watson der Online-Hauptprofiteur von den ganzen Paywall-Kontraktionen der Zeitungstitel wird. Heute brächten mich keine zehn Pferde mehr in ein klassisches Verlagshaus. Ich bin mit meinem Bauchladen aus eigenen Projekten, Beratungs- und VR-Mandaten und persönlichen Engagements sehr zufrieden.

MEDIENWOCHE:

Was willst du eigentlich erreichen?

Hansi Voigt:

Man wird in der Schweiz den ganzen Medienmarkt neu veranstalten müssen. Auf dem Weg dorthin braucht es politische Impulse, es braucht technische Ansätze, da braucht es finanzielle Modelle. Das zu skizzieren, ist sehr interessant, aber auch den Weg dorthin zu verfolgen. Das sind langfristige Geschichten. Ich hab mir inzwischen angewöhnt, da mit einer gewissen Gelassenheit ranzugehen. Umso erfreulicher ist es, dass dann so Aktivitäten wie «Wepublish» trotzdem Gestalt annehmen, die den ursprünglichen Vorstellungen stark entsprechen.

MEDIENWOCHE:

Geld verdienst du heute massgeblich als Unternehmensberater. Wie passt das zum Einsatz für den Qualitätsjournalismus?

Hansi Voigt:

Kommunikation und digitaler Wandel ist ja nicht nur eine journalistische Angelegenheit. Hier gibts vor allem auch sehr viele spannende kulturelle Fragen, vom Innovationsmanagement bis zum Führungsverständnis. Ich bin zum Teil in sehr grossen Firmen tätig. Letztlich geht es fast immer um den überall anstehenden Kulturwandel. Wie kannst du dich öffnen aus der starren Schildkrötenformation heraus? Die meisten haben einfach Angst vor Innovationen. Das ist das grosse Problem. Ich bin ein neugieriger Mensch und freue mich, über die vielseitigen Aufgaben und Engagements. Und unter dem Strich ist es ja auch gar nicht so schwer. Mit meinen jungen Partner bei dasnetz.ch haben wir eigentlich nur zwei Prinzipien vereinbart: Wir wollen möglichst wenig Scheissdreck machen und so selten wie möglich mit Arschlöchern zusammenarbeiten. Funktioniert bis jetzt tadellos.

Leserbeiträge

Ruedi Lienhart 15. Juli 2019, 11:28

Dieser Mann ist ein absoluter Verwandlungskünstler.  Er sucht meiner Meinung nur noch Aufmerksamkeit. Er Vom Saulus zum Paulus.  Für mich unerträglich. Solche Leute brauchen wir nicht in der Schweizer MedienLanschaft.

C. Gerber 16. Juli 2019, 11:01

erstaunlich ist, wie der Online-Journalismus ohne seinen Erfinder doch immer noch funktioniert

Oliver Brunner 16. Juli 2019, 12:25

Der ehemalige Scharfmacher von 20 Minuten Online, der nach einem unschönen Machtkampf um den Chefposten zu Watson ging und ein Tierbild- und Coming-of-Age-and-Sex-Geschichten-Portal aufbaute, gibt seit einiger Zeit den seriösen Journalisten. Bis zur nächsten Verwandlung: Chefredaktor-Weltwoche, Fox-News? Solche „Journalisten“ sind für mich nicht glaubwürdig.