von Martha Kuhnhenn

Wo Medien verschwinden, öffnen sich gesellschaftliche Gräben

Im Wahljahr sind Medien, Gesellschaft und Politik in den USA tief gespalten. Ein wichtiger Grund für die Polarisierung ist der Wegfall traditioneller Medienanbieter. Weite Teile der USA sind heute «Nachrichtenwüsten». Das öffnet den Raum für politische Manipulation via Social Media. Eine gefährliche Entwicklungen für Gesellschaft und Demokratie.

Am 3. November finden die Wahlen für den 46. US-Präsidenten statt. Seit Monaten steht bei den Demokraten die Frage im Mittelpunkt, wer gegen Donald Trump antreten wird. Favorit ist bisher Bernie Sanders, Senator aus Vermont. Kürzlich informierte Sanders die Öffentlichkeit darüber, dass er Informationen hätte, Russland würde sich abermals in den Wahlkampf einmischen und plane, ihn, Sanders, zu unterstützen. Gleichzeitig mahnte Sanders, dass sich die russische Regierung aus dem US-Wahlkampf 2020 heraushalten solle.

2016 mischte sich, gemäss offiziellem Bericht des National Intelligence Council der USA, die russische Regierung mit verschiedenen Aktivitäten in den Wahlkampf ein. Unter anderem soll Russland via Tarnfirmen hunderte von Personen engagiert haben, die in den sozialen Medien Gerüchte und Falschmeldungen streuten, um so die öffentliche Meinung und politische Stimmung zu beeinflussen.

Die russische Regierung stand und steht aber nicht alleine da: Gezielte Falschmeldungen, tausende von irreführenden Nachrichten und die Verbreitung von Gerüchten gingen auch von extremen Kräften in den USA selbst aus, sowie von weiteren Quellen außerhalb des Landes. Im Zusammenhang mit den Wahlen von 2016 konnten zahlreiche Fake-News nach Mazedonien zurückverfolgt werden. Im Fall der Fake-News-Produzenten aus Mazedonien dürften vor allem kommerzielle Interessen im Vordergrund gestanden haben, während es der russischen Regierung und rechtskonservativen Lobbyisten in den USA vor allem um politische Stimmungsmache gegangen sein dürfte. Ihr Ziel: Donald Trump sollte US-Präsident werden.

Facebook ist eine Plattform für Fake-News; gleichzeitig ist Facebook eine wichtige Informationsquelle für viele Amerikaner.

Ob die unzähligen Fake-News tatsächlich das Zünglein an der Waage für Donald Trumps Wahlsieg waren, ist umstritten. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Kontext Facebook: Facebook war und ist eine Plattform für Fake-News; gleichzeitig ist Facebook eine wichtige Informationsquelle für viele Amerikaner. 67 Prozent der Bevölkerung nutzt Facebook, wovon 46 Prozent Facebook als Nachrichtenquelle nutzen; zudem informiert sich das Gros der Social-Media-Nutzer lediglich in einem einzigen sozialen Netzwerk. Im Wahlkampf 2016 waren US-Bürger im Schnitt mehr Falschmeldungen mit Pro-Trump-Botschaften ausgesetzt als als Pro-Clinton-Meldungen. Aber auch hier gilt: Ob und wie das den Wahlausgang beeinflusst hat, bleibt unklar.

Die gesellschaftlichen Gefahren von Fake-News und irreführender Wahlwerbung sind in den USA umso größer, da sie auf ein tief polarisiertes Umfeld treffen. Die Politik spaltet sich im Wesentlichen entlang der Parteigrenzen von Republikanern und Demokraten. Die traditionellen Medien, und vor allem die Nachrichtensender, spalten sich in ebendiese Lager. Auf der einen Seite befindet sich der Sender Fox News, 1996 gegründet, der regierungstreu und auf Linie der Republikaner berichtet. Auf der anderen Seite befinden sich regierungskritische und demokratenfreundliche Sender wie CNN und MSNBC.

In diesem polarisierten Medienkontext, der wiederum mit unzähligen widersprüchlichen Nachrichten durchtränkt ist und täglich neue, sich widersprechende Narrative verbreitet, ist es unmöglich, eine allgemein akzeptierte Basis von Fakten zu etablieren. Kritischer als die politische Lagerbildung zwischen Demokraten und Republikanern ist die Spaltung der Gesellschaft in politisch Interessierte und politisch Desinteressierte, wie Ezra Klein in seinem Buch «Why We´re Polarized» diskutiert. Diese Spaltung sei für die Demokratie letztlich am bedrohlichsten. Mit einem unendlichen Angebot an unpolitischen und rein unterhaltenden Beiträgen in Medien und Social Media wird diese Spaltung forciert.

Ganze Landstriche in den USA sind Wüsten mit Blick auf lokale Nachrichten; betroffen sind vor allem Regionen, in denen viele ärmere und weniger gut gebildete Menschen leben.

Gleichzeitig brechen die Auflagen der Tageszeitungen ein. Seit 2004 sind in den USA 1800 Titel von der Bildfläche verschwunden; die Hälfte aller U.S. Counties hat nur noch eine lokale Tageszeitung, oft sogar nur noch eine Wochenzeitschrift. Ganze Landstriche in den USA sind Wüsten mit Blick auf lokale Nachrichten; betroffen sind vor allem Regionen, in denen viele ärmere und weniger gut gebildete Menschen leben. Es liegt auf der Hand, dass diese Leserschaft vor allem auf Online-Medien zugreift und dort auf politische Desinformation trifft.

Was sind die Gegenmittel? Hilft es, eine ebenfalls unüberschaubare Menge an verlässlichem, faktentreuen Journalismus zu verbreiten, um Fake-News zu begegnen? So schön diese Vorstellung sein mag, so unwahrscheinlich ist sie die Lösung des Problems. Denn das würde zunächst den «Lärm» und den Informationsüberfluss stärken und schließlich die Verwirrung bei weiten Teilen der Rezipienten erhöhen. Womöglich wäre dies im Sinne derjenigen, die das traditionelle Mediensystem durch «Überflutung» zerstören wollen, wie beispielsweise Rechtskonservative um Steve Bannon.

Der Erfolg von Fake-News macht Schwachstellen und Gefahren auf verschiedenen Ebenen deutlich. Dazu gehören die Profitlogik von Medien, die Spaltung der Gesellschaft sowie politische Kräfte, die mehr oder weniger offen der Demokratie schaden wollen. Ebenso muss diesen Schwachstellen und Gefahren auf verschiedenen Ebenen begegnet werden.

Qualitätsjournalismus, der Fake-News und die dahinterstehenden Interessen aufdeckt, ist dabei von zentraler Bedeutung. Die Wahl im November wird zeigen, wie sich die US-amerikanische Gesellschaft und Politik gegen die Bedrohungen stellt.