von Nick Lüthi

Medienförderung: Die Zeitung als Non-Profit-Unternehmen

Zeitungen sind Service public. Das zeigt ihre Berichterstattung zum Coronavirus. Was die aktuelle Situation aber auch zeigt: Es fehlt den Redaktionen der sichere Boden, damit sie ihre Rolle im Dienste der Öffentlichkeit langfristig erfüllen können. Medienförderung, die über Nothilfe hinausgeht, muss langfristig für wirtschaftliche Stabilität sorgen.

«Systemische Probleme werden in der Regel so lange übersehen, bis Erschütterungen des Status quo sie besser sichtbar machen.»
Victor Pickard, Professor Annenberg School for Communication

Viele Medien befinden sich nicht nur in einer vorübergehenden Krise, sie erleben auch einen Vorgriff auf eine mögliche, düstere Zukunft. Zwar wird nach durchgestandener Pandemie auch die Werbung wieder zurückkommen. Aber an der allgemeinen Entwicklung, die schon lange vor Corona einsetzte, ändert das nichts.

Jeder Verlag, der heute noch zu guten Teilen von Inseraten und Anzeigen lebt, muss sich auf eine werbefreie Zukunft einstellen. Das ist keine Schwarzmalerei, sondern lässt sich von Jahr zu Jahr an den Geschäftszahlen ablesen. Die Verantwortlichen wissen das längst und sagen das auch offen, wenn man sie danach fragt.

Wenn nun im Corona-Ausnahmezustand der Ruf nach Nothilfe erschallt, dann ist das eine nachvollziehbare und legitime Forderung. Wie allen anderen Branchen, die finanziell unter den Folgen der Pandemie-Krise leiden, soll der Bund auch den Medien unter die Arme greifen. Als praktikable Massnahme steht eine Erhöhung der indirekten Presseförderung zur Diskussion. Damit würden die Verlage bei der Zustellung der Zeitungen zusätzlich entlastet. Viel mehr erlaubt die Gesetzeslage nicht; auch darum nicht, weil sich die Verlage bisher immer wieder gewehrt hatten gegen weiterreichende Formen der Medienförderung.

Die Vorschläge des Bundesrats taugen bestenfalls als lebensverlängernde Massnahmen in einem zunehmend dysfunktionalen Mediensystem.

Aber die Corona-Krise ist ein Wendepunkt. Sie unterstreicht die Dringlichkeit, Finanzierungsmodelle zu finden ohne die gefährliche Werbeabhängigkeit. Unabhängig von der nun eingetretenen Situation will der Bundesrat bis im Sommer dem Parlament ein Paket zur Förderung der Medien unterbreiten. Kern des Pakets ist eine Aufstockung der indirekten Presseförderung, wie sie die Verleger nun auch als Sofortmassnahme fordern. Daneben will der Bund auch Online-Medien finanziell unterstützen. Die Entwicklung der letzten Wochen und der anhaltende Abwärtstrend der Werbeumsätze zeigen indes, dass diese Vorschläge bestenfalls als lebensverlängernde Massnahmen in einem zunehmend dysfunktionalen Mediensystem taugen.

Eine zukunftsfähige Medienförderung, die den Service-public-Charakter der Zeitungen stärkt, muss die dafür erforderliche Mittel bereitstellen; was für die heimische Landwirtschaft recht ist, kann für demokratierelevante Medien nur billig sein. Dass private Unternehmen mit direkter Medienförderung nicht zu Staatsmedien verkommen, zeigt das bewährte Modell mit der öffentlichen Unterstützung von Privatradio und -fernsehen in der Schweiz.

Der Zuwachs bei den digitalen Abonnementen vermag den Verlust bei der Werbung längst nicht zu kompensieren.

Allerdings gibt es hier einen Zielkonflikt: Grosse Medienhäuser, allen voran die TX Group, sind sehr solide aufgestellt und wirtschaften profitabel, weil sie ihr Geschäft diversifiziert haben. Doch davon profitieren die Redaktionen nur in geringem Mass. Sie müssen sich mit ihrem eigenen – und zunehmend geringeren – kommerziellen Potenzial selbst über Wasser halten. Der Zuwachs bei den digitalen Abonnementen vermag den Verlust bei der Werbung längst nicht zu kompensieren. Die Konsequenzen sind hinlänglich bekannt: Abbau und Konzentration.

Einen Ausweg aus dem Dilemma bietet die Koppelung der Förderwürdigkeit an ein Gewinnverbot. Nach diesem Modell müssten Zeitungen als Non-Profit-Unternehmen aufgestellt werden. An der inhaltlichen Voraussetzung für eine finanzielle Unterstützung mit öffentlichen Mitteln mangelt es den Tamedia-Zeitungen nicht, schliesslich leisten sie weiterhin den Löwenanteil der politischen Berichterstattung in der Schweiz. Auch Ringier und CH Media verfügen über zahlreiche Medien, die diese Bedingungen erfüllen und als förderwürdige Service-public-Unternehmen aufgestellt werden könnten.

Wer weiterhin auf irgendwelche Wunder auf dem Werbemarkt hofft, riskiert in Schönheit zu sterben.

Ein solcher Schritt würde mehr zur langfristigen Sicherung der Zeitungen als demokratierelevante Medien beitragen, als die Sonntagsreden der Verleger, während sie gleichzeitig die Sparschrauben anziehen. Wer weiterhin auf irgendwelche Wunder auf dem Werbemarkt hofft, riskiert in Schönheit zu sterben.

Leserbeiträge

Patrick W. Meyer 06. April 2020, 10:35

Lieber ein Päckli vom Bio-Bauernhof als schlechte News von den Boulevard-Medien.

Roland Hausin 08. April 2020, 12:37

Viele Medien werden bereits heute mi öffentlichen Geldern unterstützt. Das Mass der Förderung muss möglicherweise zukünftig erhöht werden, um ein minimum an Vielfalt und Qualität zu erhalten. Für mich in Ordnung, solange der Bund beginnt, GEZIELT zu fördern, damit eine LENKENDE Wirkung erreicht wird. Medien die unabhängig sind, gründlich recherchieren, ethisch und verantwortungsbewusst handeln, sollen überproportional unterstützt werden.
z. B. Medien, welche seit einiger Zeit alle ihre Artikel zum Thema „Coronavirus“ für die gesamte Bevölkerung freigeschaltet haben (Danke), haben verantwortungsbewusst gehandelt. Die Medien, die immer noch versuchen mit der „Corona-Kriese“ ihre Abo-Zahlen zu erhöhen, sollen entsprechend weniger Fördergelder erhalten. So sollte es gelingen, die Art von Medien zu erhalten, die wir auch wirklich brauchen und wollen.

Ueli Custer 15. April 2020, 11:10

Die Ansichten von Roland Hausin sind ja schon extrem schräg. Offenbar betrachtet er seine persönliche Unterteilung in gut und schlecht als tauglichen Massstab für die Subventionierung von Medien. Zum Glück gibt es aber auch noch ein paar Millionen andere Mediennutzer, die mit Sicherheit abweichende Massstäbe anlegen. Aber man könnte ja sicher jeden Monat eine Volksabstimmung machen um herauszufinden, wer für den Nächsten Monat von Subventionen profitieren darf.

Roland Hausin 15. April 2020, 16:50

Herr Cluster, als Medien-Berater/Vertreter, wieso sprechen Sie sich dagegen aus, dass Gelder von der öffentlichen Hand an das tatsächliche Verhalten eines Medienunternehmens geknüpft werden? Welche Art von Medien wünschen sie sich? Das Prinzip „Giesskanne“ bedient nur Begehrlichkeiten.
Ich habe meine Vorstellungen und brauche keine Volksabstimmung. Ich handle im Rahmen meiner Möglichkeiten. Ich hatte die Redaktionen zweier Medienhäuser höflich gebeten ihre Paywalls zum Thema „Coronavirus“ abzuschalten. Ohne Erfolg.
Dann habe ich die Redaktionen informiert, dass ich meine Abos für ihre Print-Produkte gekündigt habe und dass ich die Leserschaft auffordern werde, es mir gleich zu tun, falls sie meiner Meinung sein sollten. Die Paywall eines der Medienhäuser ist seit einigen Tagen gefallen. Hält dieses Medienhaus dies bis zum Ende das Ausnahmezustandes bei, werde ihr Print-Produkt erneut abonnieren.
Und dies war mein Argument: auch der Bund soll mit unsern Steuergeldern LENKEND einwirken, sodass wir die Art von Medien erhalten, die wir auch wirklich wollen und brauchen: recherchierend, vielfältig, unabhängig, aber eben auch verantwortungsbewusst.

Ueli Custer 15. April 2020, 17:44

Herr Hauslin, Sie haben offensichtlich rein gar nichts begriffen. Wenn Sie als Privatperson mit irgendwelchen Medien irgendwelche persönlichen Deals machen wollen bzw. können, ist das ja ihre Privatsache. Sie übersehen einfach, dass ihre Meinung nicht massgebend ist für alle Bewohnerinnen und Bewohner in der Schweiz.

Und wenn sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass die Verlage unter einem massiven Einnahmeverlust durch ausbleibende Werbung leiden und es sich nicht leisten können, jetzt noch zusätzlich redaktionelle Leistungen zu verschenken, dann kann ich Ihnen wirklich nicht mehr helfen. Oder wie stellen Sie sich vor, dass Journalistinnen und Journalisten bezahlt werden sollen, wenn die Einnahmen wegbrechen?

Roland Hausin 16. April 2020, 05:56

Meine Meinung ist nicht massgebend. Aber ich drücke sie aus. Wie nennt man das? Menschen sollen aus einer Vielfalt von Meinungen schöpfen können, dann eigenständig überlegen, die eigene Position beziehen und schlussendlich konsequent danach handeln.
Dass die schreibende Zunft mit dem Einbruch von Werbeeinnahmen wegen der Corona-Krise jetzt noch mehr in der Klemme sitzt, ist wohl wahr. Bei den Besitzern und Angestellten anderer Branchen ist das ähnlich. Nur erhalten diese bestenfalls einen Kredit vom Bund und müssen sich verschulden. Die Steuergelder an die schreibende Zunft sind hingegen geschenkt. Diese Zahlungen dienen aber einem Zweck. Wer ihn erfüllt, soll die Gelder auch weiterhin erhalten. Wer den Zweck vorbildlich erfüllt, sogar mehr. Das zusätzliche Geld kommt dann von denen, die keine Zahlungen mehr erhalten, weil sie den eigentlichen Zweck der Zahlung nur ungenügend erfüllt haben.
Wer seine Abo-Zahlen mit Hilfe der Corona-Krise und einer Paywall zu erhöhen versucht, setzt sein Unternehmen dem Vorwurf aus, Kriesengewinnler zu sein. Mehrere Medienhäuser haben alle ihre Artikel zum Thema Corona bereits freigeschaltet (und sie erklären ihren Kunden auch wieso).
Nicht nur der Bund, sondern auch der Kunde soll (und kann) mit seinem Verhalten entscheiden, wer überlebt.

Roland Hausin 16. April 2020, 16:15

Medienwoche, haben sie meine Antwort zensuriert? Falls ja, lerne ich  dazu. Falls nein, hier noch einmal:
Dass die schreibende Zunft mit dem Einbruch von Werbeeinnahmen wegen der Corona-Krise jetzt noch mehr in der Klemme sitzt, ist wohl wahr. Bei den Besitzern und Angestellten anderer Branchen ist das ähnlich. Nur erhalten diese bestenfalls einen Kredit vom Bund und müssen sich verschulden. Die Steuergelder an die schreibende Zunft sind hingegen geschenkt. Diese Zahlungen dienen aber einem Zweck. Wer ihn erfüllt, soll die Gelder auch weiterhin erhalten. Wer den Zweck vorbildlich erfüllt, sogar mehr. Das zusätzliche Geld kommt dann von denen, die keine Zahlungen mehr erhalten, weil sie den eigentlichen Zweck der Zahlung nur ungenügend erfüllt haben.
Wer seine Abo-Zahlen mit Hilfe der Corona-Krise und einer Paywall zu erhöhen versucht, setzt sein Unternehmen dem Vorwurf aus, Kriesengewinnler zu sein. Mehrere Medienhäuser haben alle ihre Artikel zum Thema Corona bereits freigeschaltet (und sie erklären ihren Kunden auch wieso).
 
Nicht nur der Bund, sondern auch der Kunde soll (und kann) mit seinem Verhalten entscheiden, wer überlebt.