von Miriam Suter

The Good, The Bad & The Ugly XIX

«Schweizer Journalist», «Blick», APG

The Good – Damenwahl beim «Schweizer Journalist»

Man(n) glaubt es kaum: So viele Frauen wie dieses Jahr haben bei der Wahl zu den «Journalist*innen des Jahres» noch nie gewonnen – ausser beim Sport haben die Frauen in allen Kategorien die Spitzenplätze abgeräumt. Allen voran das «Power-Trio» Fiona Endres, Nicole Vögele und Anielle Peterhans: Sie veröffentlichten dieses Jahr die Crypto-Leaks und wurden sehr verdient zu den Journalistinnen des Jahres gewählt.

Zum ersten Mal in der 15-jährigen Geschichte des Preisverleihung hätten so viele Frauen gewonnen, schreibt Chefredaktor David Sieber im Editorial der aktuellen Ausgabe. Ob mehr Frauen nominiert waren als die letzten Jahre, hat Sieber zwar nicht mitgezählt: «Der Unterschied zum letzten Jahr: Damals musste ich bei Punktgleichheit das Geschlecht noch berücksichtigen – dieses Mal reichten Medientitel und Region, damit die Auswahl fair verteilt ist», schreibt Sieber auf Anfrage der MEDIENWOCHE.

Es scheint, als spürten wir auch bei der Wahl des «Schweizer Journalist» die Auswirkungen der Anstrengungen der vergangenen Jahre: des Frauenstreiks, der #MediaToo-Recherche von Simone Rau für Tamedia und, wie Sieber selber es formuliert, «des seither stark spürbaren Empowerments der Frauen». Oder die Medienwelt merkt langsam aber sicher: Verdammt viele Frauen machen einfach verdammt guten Journalismus. Herzliche Gratulation, liebe Kolleginnen!

The Bad – Bersets Puppen oder «Blick» kann nicht lesen

Vergangene Woche titelte der «Blick»: «Hat Berset Puppen besucht? BLICK klärt auf!». Bundesrat Alain Berset besuchte diese Woche ein Spital im Kanton Neuenburg, «ein Foto davon sorgt nun für Verwirrung», heisst es weiter. Denn wer das Foto von Bersets Spitalbesuch genauer anschaue, stelle fest: In den Betten liegen keine Patient*innen, sondern Puppen. Das Foto hatte der «Blick» selber veröffentlicht – es sorgte «bei einigen Leserinnen und Lesern für Skepsis und Empörung». Man werde für blöd verkauft, hiess es etwa in den entsprechenden Kommentaren. Auch SVP-Mann Andreas Glarner teilte das Foto auf Twitter, «offensichtlich ohne den Hintergrund abgeklärt zu haben», schreibt «Blick» weiter.

Nun, es wäre die Aufgabe der «Blick»-Redaktion gewesen, Hintergründe abzuklären und diese transparent zu publizieren. Im «Aufklär»-Artikel gibt die Redaktion zu, bei der Formulierung der Bildlegende sei «ein Fehler» passiert. Es hiess dort, Berset habe ein Spital besucht. Das sei zwar nicht falsch, jedoch fehlt die kleine, sehr wichtige Ergänzung, dass es sich um einen Übungsraum an einer Fachhochschule handelte – darum die Puppen in den Betten. Man habe das Bild vorübergehend gelöscht, bis klar war, in welchem Kontext es genau entstanden sei und entschuldige sich für die Verwirrung.

Lieber «Blick», danke für die nachträgliche Korrektur. Besser wäre allerdings vorgängige Sorgfalt gewesen: Denn auch vermeintlich kleine Fehler können zu Futter für Verschwörungstheoteriker*innen werden.

The Ugly – APG handelt verantwortungslos

Seit dieser Woche hängen in Basel Plakate mit einem Aufruf: «Jetzt klagen», steht schwarz auf gelbem Hintergrund, darunter in ein kurzer Brief. Angesprochen werden ein «Herr Eventmanager», eine «Frau Gastronomin» und ein «Herr Verbandspräsident». Man sei eine «Gruppe anerkannter Wissenschaftlern, Ärzten, Rechtsanwälten und bekannten Experten zum Thema Corona», welche zum Schluss kommen, die Corona-Massnahmen seien verfassungswidrig. Man würde «geschädigte Unternehmen» unterstützen, welche bereit sind, «vor Gericht zu gehen».

Gemäss auf dem Plakat vermerkter Website stehen hinter der Kampagne unter anderem der deutsche Verschwörungsblogger Samuel Eckert und der deutsche Molekularbiologe Stefan Lanka. Lanka vertritt die Ansicht, Viren würden nicht existieren und AIDS sei eine Erfindung. Selbstverständlich ist er zudem Impfgegner.

Die mit dem Aushang beauftragte Allgemeine Plakatgesellschaft APG SGA hat kein Problem mit der Kampagne: «Für den Inhalt und die Ausgestaltung der Werbemittel trägt ausschliesslich der Kunde die Verantwortung», schreibt die Medienstelle auf Anfrage der MEDIENWOCHE. Die APG «übt keine inhaltliche Zensur oder gestalterische Bewertung von Plakaten aus». Man respektiere das Gesetz der freien Meinungsäusserung und freien Kommunikation. «Wir behalten uns aber vor, im Zweifelsfall den Aushang eines Werbemittels intern zu prüfen und den zuständigen Stellen zur Beurteilung und zur Entscheidung vorzulegen. Das ist in diesem Falle geschehen». Schade, denn auch Werbevermarkter tragen – eigentlich – eine ethische Verantwortung.

Leserbeiträge

Jürg Fehr 27. Dezember 2020, 11:52

Was auch noch interessieren würde: Woher haben die Herren Eckert und Lanka die Mittel für diese nicht ganz billige Plakatekampagne? TRANSPARENZ bitte!