von Nick Lüthi

The Good, The Bad & The Ugly LV

Neuer Journalismus, Tamedia, Weltwoche

The Good – Aufbruchstimmung

Entgegen dem anhaltenden Trend zu Abbau und Konzentration in der schweizerischen Medienlandschaft gibt es auch Anzeichen einer neuen Vielfalt. So machten sich in den letzten Tagen gleich drei neue Stimmen bemerkbar, aus so unterschiedlichen Genres wie Lokaljournalismus, Satire und Kulturberichterstattung.

In Bern geht ab nächstem Dienstag die «Hauptstadt» auf Geldsuche. Das lokale Online-Portal für den Grossraum Bern sieht das Crowdfunding «als Markttest für den Medienplatz Bern». Der Name, den die Gruppe «Neuer Berner Journalismus» am letzten Donnerstag öffentlich gemacht hat, ist allerdings kein gutes Omen. Eine alternative Wochenzeitung für Bern namens «Hauptstadt» überlebte 1998 nur ein halbes Jahr.

Während die «Hauptstadt» auf den Abbau bei Tamedia reagiert, ist «Die Petarde» als Reaktion auf den Umbau des «Nebelspalters» zum Politmagazin entstanden. Die «neue, unabhängige Satireplattform der Schweiz» will die Grenzen der Satire sprengen. Peter Schneider verspricht «tagesaktuelle Satire, fangfrische Kalauer und Pointen in bester Qualität». Für den Betrieb der künftig kostenlos zugänglichen Plattform sucht «Die Petarde» nun Gönner und Investorinnen.

Wie die «Petarde» sammelt auch «Frida» seit ein paar Tagen Geld. Das Online-Kulturmagazin für die Deutschschweiz will im März 2022 loslegen. Dank Stiftungsgeldern und öffentlicher Unterstützung konnte sich das in der Kulturszene breit abgestützte Projekt mit Recherche-Reisen und -Gesprächen auf die Gründung von «Frida» vorbereiten.

The Bad – Anscheinsproblematik

Berichterstattung in eigener Sache ist immer heikel. Wenn Zeitungen über den geplanten Ausbau der Medienförderung schreiben, dann betrifft sie das sehr direkt, schliesslich ermöglichen zusätzliche Subventionen je nachdem ein längeres (Über-)Leben. Da die Medienförderung politisch umstritten ist, müssen die Redaktionen damit rechnen, dass sie stärker als sonst unter Beobachtung stehen.

Als die relevanten Schweizer News-Medien nicht darüber berichteten, dass das Referendumdskomitee (nach eigenen Angaben) die erforderlichen Unterschriften gegen das Medienpaket zusammengetragen hatte, sah dies die «Weltwoche» prompt als Beleg für ein bewusstes Verschweigen. Das war etwas vorschnell. In den Wochen darauf gab es weitere Anlässe zur Berichterstattung über das Zustandekommen des Referendums. Und dann wurde auch breit darüber berichtet. Mit einer Ausnahme. In den Tamedia-Zeitungen konnte man bis heute keine Zeile dazu lesen. Auch diese Woche, als der Bundesrat den Termin der Abstimmung festgelegt hat – nichts. Warum?

«Wir sind bei solchen Nachrichten selektiv», erklärt auf Anfrage Tamedia-Inland-Chefin Raphaela Birrer (Bild), «weil uns sowohl online als auch im Print der Raum fehlt, um über Unterschrifteneinreichung, Zustandekommen und Abstimmungstermin jeder Initiative und jedes Referendums zu berichten.» Ein weiterer möglicher Grund für die Nicht-Berichterstattung: Ende Juli hat die für das Dossier zuständige Journalistin die Redaktion verlassen.

Bei aller Plausibilität dieser Erklärungen bleibt ein schaler Nachgeschmack. Das Schweigen könnte den Anschein der Befangenheit erwecken.

The Ugly – Abgründiges

Wenn nicht «Editorial» darüber stünde, man könnte es glatt für eine Fingerübung in Satire halten. Aufgabe: Schreib mal ein Plädoyer für Hass. Schreib, warum mehr Hass auf Social Media gut ist.

Nicht als Satire, aber vermutlich als originelles Gedankenspiel versteht SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel sein Plädoyer für mehr Hass im Netz. Nach dem Motto: Wenn der Ruf nach weniger Hass im Netz lauter wird, dann halte ich dagegen. Und darum schreibt er: «Es darf kein Hass-Verbot geben. Im Gegenteil, wir sollten die Leute ermutigen, ihren Hass auf den sozialen Medien auszuleben. Das ist besser, als wenn sie zum Küchenmesser greifen oder sich eine Pistole oder ein automatisches Gewehr kaufen.»

Die Begründung, dass damit reale Gewalttaten zu verhindern seien, ist so verquer wie auch fachlich falsch. Zwar macht nicht jeder Hasskommentar auf Social Media die Leute zu Gewalttätern, aber Online-Hass kann in eine Radikalisierungsspirale führen, die ganz reale Effekte auf Einstellungen, Werte und letztlich auch auf das Verhalten hat.

Mehr Hass führt vor allem zu mehr Hass. Wer das fordert, trägt die Verantwortung für eine Verrohung und Spaltung der Gesellschaft.

Leserbeiträge

Hannes Hofstetter 18. Oktober 2021, 09:44

Platzmangel im Internet? Echt jetzt?