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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

Informationsfreiheit als Risiko für investigativen Journalismus

Sie haben richtig gelesen: Informationsfreiheit kann sich als Risiko für investigativen Journalismus erweisen. Im Fall des Ende Februar in der Slowakei ermordeten Journalisten Jan Kuciak gehen ehemalige Kollegen des Reporters inzwischen davon aus, dass just der öffentliche Zugang zu Behördeninformationen ihn erst in das Visier der Killer gerückt haben könnte. Warum? Bei der Eingabe eines Gesuchs um Einsichtnahme in amtliche Dokumente legte der Journalist seine Identität offen. Ausserdem formulierte Kuciak seine Anträge oft sehr detailliert, in der Hoffnung, so die Chancen auf positiven Bescheid zu erhöhen. Nun könnte es sein, dass die betreffenden Behörden, die Information weiterreichten an die Personen, zu denen der Journalist recherchiert hatte. Zwar streiten das die betroffenen Stellen ab, aber vorstellbar ist alleweil – gerade in einem Land, das nicht frei ist von Korruption.

«Ich weiss es nicht»

Journalistinnen und Journalisten sollten mehr Fragen stellen und vor allem zugeben, wenn sie etwas nicht wissen. Nicoletta Cimmino, Redaktorin des Radiomagazins «Echo der Zeit», erzählt in einer Kolumne, wie sie einst allen Mut zusammennehmen musste, um in einer Redaktionssitzung nach dem Tod einer offenbar berühmten Persönlichkeit, die sie aber nicht kannte, zu fragen: Wer ist das? Ich weiss es nicht. «Mich dünkt, der Satz ‹Ich weiss es nicht› ist das grösste Geschenk, das wir uns selber machen können. Er ist der Freipass, um ganz viele, ganz harte Fragen zu stellen», schreibt Cimmino im Medienmagazin «Edito».

Fussball gucken auf Twitter

Von wegen Kurznachrichtendienst: Zumindest in den USA wird Twitter auch eine Plattform für Live-Fussball. Das Social-Media-Unternehmen hat mit der US-Liga MLS einen Vertrag unterzeichnet für die Übertragung von 24 Spielen pro Saison. Die Ankündigung von Twitter kommt nur einen Tag nachdem Facebook bekanntgegeben hat, die Exklusivrechte an Live-Spielen der Baseball-Liga MLB gesichert zu haben. Aber Fussball in den USA? Wer will das schauen? Offenbar immer mehr Leute. Bei den beliebtesten Sportarten ist Fussball auf dem besten Weg, sich hinter Football und Basketball auf Platz drei festzusetzen und dort Baseball zu verdrängen.

Verbotene Artikel vorsingen

Zum gestrigen «Welttag gegen Internetzensur» hat sich die Organisation Reporter ohne Grenzen etwas einfallen lassen: Wie können Menschen in Ländern, wo der freie Zugang zum Internet beschränkt ist, auf journalistische Inhalte zugreifen, die ihnen die Zensur vorenthält? Die Lösung: Man singt die Artikel, erstellt aus den Songs eine Playlist auf Spotify, Apple Music und Deezer. Denn die Streamingplattformen sind auch in Ländern zugänglich, wo andere Inhalte blockiert sind. Gesungener Journalismus diente einst auch in der Schweiz zur Umgehung behördlicher Einschränkungen. Polo Hofer sang 1986 für das Berner Lokalradio «Förderband» die Nachrichten, weil der Sender keine Konzession für gesprochene Nachrichten hatte.

Weitere Beiträge dieser Woche

Mythos Filterblase

«Die meisten Eigenschaften, die wir der Filterblase zugeschrieben haben, treffen gar nicht zu», schreibt Sebastian Meineck auf Motherboard Vice. Was nun? Das beliebte Erklärmodell für unser Social-Media-Verhalten taugt nichts? Empirische Forschung belegt inzwischen, dass zentrale Faktoren, die zur Blasenbildung beitragen sollen, ebenso das Gegenteil bewirken können. Algorithmen zum Beispiel, denen in diesem Kontext nachgesagt wird, sie verengten unser wahrnehmares Informationsspektrum, «konfrontieren Nutzer sogar mit Dingen, die ihnen eigentlich nicht passen.» Wer sich radikalisiere und im Netz Hass und Hetze verbreite, mache dies nicht, weil er nur Informationen nach seinem Gusto mitschneide, sondern weil er andere Meinungen nicht gelten lasse. Das Wort Filterblase sei daher «der verzweifelte Versuch, die Technik für solche gesellschaftlichen Probleme verantwortlich zu machen», schreibt Meineck.

So sieht die Schweizer Crowdfunding-Landschaft aus

Heute gibt es in der Schweiz rund 40 Plattformen, die in der einen oder anderen Form mittels Schwarmfinanzierung Projekt zu unterstützten helfen. Unbestrittener Marktführer bleibt der Pionier Wemakeit, der das Crowdfunding hierzulande breiter bekannt gemacht hat. Im Gespräch mit Matthias Morgenthaler blickt Céline Fallet, Co-Geschäftsführerin der Plattform, auf die Geschichte des Unternehmens zurück und beleuchtet den aktuellen Markt. Trotz zahlreicher Anbieter existiert weiterhin Spielraum für erfolgreiches Geldsammeln auf eigene Faust. Das Online-Magazin «Republik» brachte den Crowdfunding-Weltrekord für Medienprojekte ganz ohne die Hilfe von Wemakeit oder einer anderen Schweizer Plattform zustande.

Meine Stimme ist auch deine Stimme

Was gibt es Persönlicheres als die eigene Stimme? Doch damit dürfte bald Schluss sein. Wie das Fachblog Vrodo schreibt, sei es Forschern des chinesischen Suchmaschinenbetreibers Baidu mithilfe von nur wenigen Sekunden Tonmaterial gelungen, «eine Stimme glaubhaft digital zu reproduzieren.» Damit wird es möglich, einer Originalstimme beliebige Aussagen «in den Mund zu legen». Eine Verifikation im Zuge journalistischer Faktenprüfung wird umso anspruchsvoller, wenn davon ausgegangen werden muss, dass jede Aussage einer Person, und sei sie mit einem O-Ton «belegt», potenziell manipuliert sein könnte.

So geht Innovation

Es gibt viele Gründe, warum Medienorganisationen gegenwärtig einen schweren Stand haben. Einer davon, und in Zeiten des Umbruchs ein zentraler Grund, ist die fehlende Innovationskultur. Zu oft werde Innovation mit dem Einfall guter Ideen verwechselt, stellt Konrad Weber fest, der sich bei Schweizer Radio und Fernsehen um die Entwicklung der digitalen Angebote kümmert. Wer nur auf seine Ideen vertraue, könne genauso gut Lotto spielen. Ein Erfolg versprechendes Modell sei es, so Weber, ein Innovationsmodell in der eigenen Organisation zu implementieren. Das könne in 80 Tagen geschehen. Dazu skizziert Weber vier Schritte hin zu einem minimalen Innovationssystem: Definition des Innovationsschwerpunkts, Fokussierung der Entwicklungsrichtung, Aufbau eines Innovationsteams und Entwicklung eines Projekt-Controllings. Erst dann kann es losgehen, gilt es doch zu bedenken, «dass das Einrichten des Systems nur der Anfang des Prozesses ist.»