AUF DEM RADAR

Täglich lesen, was die Medien bewegt.
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Von Montag bis Freitag vier aktuelle Lektüretipps aus schweizerischen und internationalen Publikationen zum Medienwandel. Ausgewählt und kommentiert von Nick Lüthiredaktion@medienwoche.ch Jetzt auch als Newsletter abonnieren.

«Die linkslastigen Angehörigen der Journalistengilde, getarnt als Medienexperten»

BaZ-Mitbesitzer Rolf Bollmann will etwas klarstellen: Der «Basler Zeitung» geht es ausgezeichnet, wer etwas anderes behauptet, hat keine Ahnung und ist «ein selbst ernannter Medienexperte und BaZ-Hasser» der nur seinesgleichen gefallen wolle: «Einfach schlecht über Blocher und Somm schreiben, dann bekomme ich bestimmt Aufmerksamkeit und Anerkennung im linken Einheitsbrei der Journalistenszene.» Bollmann schreibt sich seinen Frust von der Seele und greift zum verbalen Zweihänder. Die WOZ ist ein «Kommunistenblatt» und deren Kolumnist (oder etwa Kommunist!?) Hansi Voigt «der grösste Loser der Medienbranche». Wenn die BaZ je am Abgrund gestanden habe, dann unter der Verlegerfamilie Hageman. Er aber, Rolf Bollmann, habe das Blatt saniert und zum Erfolg geführt.

Die Ultra-Empörungsspirale: gewaltgeile Medien

Daniel Ryser über das gestörte Verhältnis zwischen Ultra-Fussballfans und Medien: «Wo Fans, die als Teil der grössten Subkultur dieses Landes in den Stadien Feuerwerk zünden, von der Justiz für ihr Handeln im Internet ausgestellt werden, und wo dieses fragwürdige Vorgehen der Behörden von den Medien meist unkritisch multipliziert wird, werden JournalistInnen nicht mehr als AufklärerInnen mit offenem Blick nach allen Seiten wahrgenommen, sondern als Teil des verhassten Systems.»

Chaschperlitheater bi de Heugümperli

Watson-Autor Alex Dutler findet die angemessene Form für das aktuelle Theater um den Grasshoppers-Club Zürich. Er inszeniert ein Kaspertheater. Mit dabei sind neben den Hauptfiguren Prinz Zaubergingg und König Gwaggelfuess auch die Schurnalischten Joggel und Toggel und der Prässemeischter Schribnidbös.

Rekonstruktion der gezielten Tötung von Reporterin Marie Colvin

Angehörige der Journalistin Marie Colvin strengen einen Prozess an wegen der Tötung der Reporterin in den Anfängen des Syrienkriegs 2012. Aus den beim Federal Court in Washington, D.C. eingereichten Unterlagen wird klar, dass Colvin kein zufälliges Ziel war. Vielmehr waren die Assad-Truppen hinter ihr her: «Die Dokumente liefern detaillierte und beispiellose Beweise für die Behauptung, dass Colvin absichtlich gejagt und getötet wurde, als Teil einer Politik des Assad-Regimes, Journalisten zu eliminieren.»

Weitere Beiträge dieser Woche

Auto-Attacke: politische Instrumentalisierung und Medienschlamperei

Inzwischen ist man es sich gewohnt, dass nach einer Gewalttat, die von der Machart her nach einem Anschlag aussieht, sofort versucht wird, daraus politisches Kapital zu schlagen. Nach der tödlichen Auto-Attacke von Münster war es, wenig überraschend, die AfD, die sich insinuierend zu Wort meldete und einen Konnex zur deutschen Flüchtlingspolitik machte. Doch auch internationale Medien trugen nicht eben dazu bei, die Umstände des Vorfalls zu erhellen. So wollte ein rumänischer TV-Sender wissen, dass der Täter ein Kurde gewesen sei. Eine Quelle zur Aussage gab es keine. Und schon fast lustig ist der Übersetzungsfehler britischer Medien, die aus dem deutschen Satzfragment, beim Täter «soll es sich um Jens R. handeln», kurzerhand den vollen Namen Jens R. Handeln bastelten.

«Wir sind ja nicht zum Spass hier»

Ein Jahr lang war Deniz Yücel, Korrespondent der «Welt», in der Türkei im Gefängnis – ohne zu wissen, was ihm genau vorgeworfen wird. Gegenüber der Sendung «TTT – Titel, Thesen, Temeperamente» hat er sein bislang erstes und einziges Fernseh-Interview gegeben nach der Haftentlassung Mitte Februar und der Rückkehr nach Deutschland. Darin berichtet Yücel, dem es in Haft untersagt war zu schreiben, wie er bei einem Arztbesuch einen Stift mitlaufen liess und mangels Notizpapier in das Kinderbuch «Der kleine Prinz» schrieb, das er von seiner Frau erhalten hatte. Seine Verhaftung habe er nie bereut. «Es war ein bisschen auch das Ergebnis dessen, dass ich mit meiner Arbeit einigen Leuten, und ich glaube den richtigen Leuten, auf den Zeiger gegangen bin. Und dafür ist Journalismus da. Wir sind ja nicht zum Spass hier».

Für ein besseres «Live»-Radio

«Live» senden zu können, ist das, was Radio letztlich ausmacht. Doch dieses Alleinstellungsmerkmal gerät zunehmend in Bedrängnis. Vorproduzierte Podcasts klingen nun mal professioneller und perfekter als die permanente Improvisation einer Live-Sendung. Darum fordert der australische Radio-Futurologe James Cridland weniger «live» bei einer Live-Sendung. Sprich: Elemente, die vorproduziert werden können, soll man auch vorproduzieren, ja: er hält «live» gar für ein Zeichen von Faulheit der Radiomacher: «Das Üben, Voraufnehmen, Bearbeiten, Polieren und Vorbereiten grosser Audiodateien braucht natürlich Zeit. Es ist verlockend, alles live zu machen.»

Staatstragende Verschwörungstheorie

In Polen glauben grosse Teile der Bevölkerung, die Rede ist von rund 20 Prozent, dass der Flugzeugabsturz 2010, bei dem der damalige Staatschef Lech Kaczynski umgekommen war, die Folge eines Anschlags gewesen sein müsse. Eine offizielle Untersuchung kam zum Schluss, dass bei dem Flug viele Sicherheitsbestimmungen missachtet worden waren und dies zum Absturz führte. Die Legende vom Attentat haben auch staatsnahe Journalisten befeuert. Doch inzwischen musste sich selbst Jaroslaw Kaczynski, Chef der Regierungspartei PiS und Bruder von Lech Kaczynski, Anfang dieses Jahres zu dem Eingeständnis durchringen, dass «wir die Wahrheit wohl nie erfahren werden». Klingt ganz nach geordnetem Rückzug, nachdem PiS & Co. zuvor jahrelang mit teils hanebüchenen Theorien und inkompetenten «Fachleuten» die Terrorthese verfolgt hatten.