Wegen «obszönen» Covers: Google sperrt App des Satiremagazins «Titanic» im Play Store
Google hat einige Heftmotive als «obszön» bezeichnet und fordert deren Löschung – das Satiremagazin wehrt sich und zieht alternative Vertriebswege in Betracht.
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Google hat einige Heftmotive als «obszön» bezeichnet und fordert deren Löschung – das Satiremagazin wehrt sich und zieht alternative Vertriebswege in Betracht.
Das deutsche Satiremagazin «Titanic» veröffentlichte im letzten Herbst eine Tweet, wo der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz mit einem Fadenkreuz auf der Brust abgebildet war. Dazu der Text: «Zeitreise in Österreich – Endlich möglich: Baby-Hitler töten!» Das ist keine öffentliche Aufforderung zu Straftaten, befand nun ein Gericht in Berlin. Ob es sich um eine Beleidigung handelt, klärten die Gerichte nicht, weil Kurz keinen entsprechenden Strafantrag gestellt hatte.
Der Coup war gelungen. «Titanic» führte die «Bild»-Zeitung vor. Die Empörung war gross. Und dem Satiremagazin Applaus gewiss. Autor Moritz Hütgen, der die «Bild» aufs Glatteis führte mit der erfundenen Geschichte, wonach der Juso-Vorsitzende mit russischen Trollen konspiriere, tritt nach vollbrachter Tat beim russischen Staatssender RT auf. Verwirrung. Ist das auch Teil der satirischen Inszenierung oder schlicht eine Grenzüberschreitung? Das Medienmagazin Meedia dokumentiert die kritischen Reaktionen auf Hütgens Auftritt. Die «Bild»-Zeitung wiederum hat den Steilpass dankend angenommen und die «Titanic» der Kumpanei mit einem Regime gescholten, «zu dessen Agenda die Zersetzung freier Medien gehört».
Mitte Februar berichtete die «Bild»-Zeitung prominent darüber, dass der deutsche Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert mit einem russischen Internet-Agitator in Kontakt gestanden habe. Es soll darum gegangen sein, wie der Russe Kühnerts Kampagne gegen die neue grosse Koalition unterstützen könnte. Als vermeintliche Belege für die Korrespondenz zeigte «Bild» einige E-Mail-Ausschnitte. Für Fachleute war schnell klar: es handelt sich um Fälschungen. Jetzt meldet sich das Satire-Magazin «Titanic» zu Wort. Alles Fake, sie habe der «Bild» die gefälschten Mails untergejubelt: «Eine anonyme Mail, zwei, drei Anrufe – und ‹Bild› druckt alles, was ihnen in die Agenda passt.» Nur: Ob diese Version stimmt, oder ob die «Titanic» nicht einfach einen Fake auf den Fake draufgesetzt hat, wissen nur die Satiriker selbst.
Wenn Algorithmen Fake-News identifizieren und eliminieren sollen, droht Satire mit entsorgt zu werden. Tim Wolff, Chefredaktor der «Titanic», nimmt das gelassen, obwohl die Folgen der Gleichbehandlung von Fake-News und Satire schon heute gut sichtbar sind.
«Titanic»-Chefredakteur Tim Wolff reagiert schockiert auf den Anschlag auf die Kollegen des Pariser Satiremagazins «Charlie Hebdo». Im Deutschlandfunk sagte er, Satiriker machten sich viele Feinde – nicht nur unter Muslimen. Bedrohung und Gewalt dürften aber nicht zu Selbstzensur führen.
Der Postillon hat sich mit plausibel klingenden, jedoch frei erfundenen Nachrichten zu einem kleinen Massenmedium gemausert. Der rasche Erfolg der Internet-Zeitung hat Betreiber Stefan Sichermann schon nach wenigen Jahren einen Vollzeitjob eingebracht. Im Gespräch mit der MEDIENWOCHE erklärt der 31-Jährige, woher er die Inspiration nimmt und wie viele Leser er hat.