von Isabelle Schwab

Wer profitiert von der indirekten Presseförderung?

Die indirekte Presseförderung ist umstritten. Der Bundesrat hält sie nicht für zielführend und will sie abschaffen, das Parlament hält immer wieder erfolgreich dagegen. Viele Verleger halten die Subvention für überlebenswichtig – existenzsichernd sind sie trotzdem nicht. Die MEDIENWOCHE nennt erstmals die genauen Zahlen zur indirekten Presseförderung.

Besser als nichts ist es allemal, sagen die Verleger. Mit 30 Millionen Franken unterstützt der Bund jährlich kleine und mittelgrosse Tages- und Wochenzeitungen. Das heisst: Bei einer Auflage von weniger als 40’000 Exemplaren und einem redaktionellem Anteil, der mehr als die Hälfte der Zeitung ausmacht, darf ein Verlag seine Zeitung um rund 20 Rappen günstiger durch die Post zustellen lassen. Die Vergünstigung kann von Jahr zu Jahr ändern, da sie von der Anzahl subventionswürdiger Titel abhängt. Von der indirekten Presseförderung profitieren rund 150 Lokalzeitungen. Darunter kleine Lokalblätter, wie die italienischsprachige La Voce del San Bernardino mit einer Auflage von rund 1000 Exemplaren, aber auch grössere Titel, wie die Walliser Regionalzeitung Le Nouvelliste, mit einer Auflage von fast 40’000 Exemplaren. Und auch die grossen Deutschschweizer Medienhäuser, die sich sonst vehement gegen staatliche Einmischung ins Geschäft wehren, lehnen die Unterstützung nicht ab. Tamedia und Somedia (Südostschweiz) sparen mit dreizehn respektive zwölf Zeitungen, die von den vergünstigten Versandkosten profitieren, zwei bis drei Millionen Franken pro Jahr.

Das sind die zehn meistgeförderten Verlage:

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Anmerkung: Beteiligungen an einzelnen Zeitungstitel wurden prozentual berücksichtigt. Eine Auflistung aller einem Medienhaus zugehörigen Medien finden Sie in diesem Excel-File. Die Daten des BAKOM wurden mit von der MEDIENWOCHE recherchierten Informationen angereichert. Die Beträge in CHF wurde nicht vom BAKOM veröffentlicht sondern entsprechen einer Berechnung der MEDIENWOCHE.

Dass ein Medienkonzern wie Somedia von der indirekten Presseförderung profitiert, hält Verleger Hanspeter Lebrument für unproblematisch: «Es kann ja jeder eine Lokalzeitung gründen und erhält dann auch Presseförderung. Für die meisten ist es einfach nicht attraktiv genug.» Es sei demokratisch von höchster Bedeutung, dass die Regionen eine Lokalzeitung haben, sagt Hanspeter Lebrument weiter. «Sie bestehen, weil sie von der Bevölkerung gewünscht wurden». Gleichzeitig macht Lebrument keinen Hehl daraus, dass die Indirekte Presseförderung für kleinere Titel überlebenswichtig sein kann: «Ich habe Novitats, Pöstli und die Aroser Zeitung gegründet. Mittlerweile bin ich 75 Jahre alt und würde sagen, wenn wir hier nicht mehr unterstützt werden, werden die Lokalzeitungen halt geschlossen.»

«In 63 Jahren hat es nie rentiert»

Kleine Lokalzeitungen sind fest in ihrer Region verwurzelt und bestehen in erster Linie dank einer treuen Leserschaft und dem lokalen Gewerbe, das für seine Werbung kaum Alternativen hat. Finanziell lohnen sich die Blättchen in der Regel nicht. So auch die Schaffhauser Lokalzeitung Das Heimatblatt. Dieses habe sich in 63 Jahren Betrieb nie rentiert, sagt Verleger Karl Augustin. Einer der Gründe, warum der heute 77-Jährige 2014 seine Zeitung einstellte. «Die Presseförderung hat das Defizit des Heimatblattes immer nur vermindert.» So, oder so ähnlich klingt es bei vielen Verlegern von Lokalzeitungen. Meist besitzen sie eine Druckerei und führen nebenbei das Blättchen, manchmal mit einem redaktionellen Mitarbeiter, manchmal alleine. Selbst nicht mehr die jüngsten, haben sie keine klare Vorstellung von der Zukunft ihres Blättchens. Man hofft, es gehe so weiter, wie bisher – nur noch ein bisschen besser. «Die Indirekte Presseförderung ist überlebenswichtig», bestätigt so auch Gian-Marco Pazeller, Verleger der Elgger/Aadofer Zeitung. Er hat die Zeitung vor einem Jahr nach dem Tod seines Vaters übernommen. «Das ist Ehrensache.» Die Elgger / Aadorfer Zeitung kann durch den stabilen Anzeigenverkauf und die treuen Leser im Markt bestehen. Doch Pazeller stellt klar: «Die Presseförderung macht mehr als die Hälfte unserer Portokosten aus. Ohne den Beitrag würde es enorm schwierig werden den Weiterbestand der Zeitung zu sichern.»

Die 30 meistgeförderten Zeitungen:

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Anmerkung: Betrachtet man die Verteilung der Gelder insgesamt auf Sprachregionen, entspricht der Prozentsatz in etwa auch der Verteilung der Bevölkerung. Die Beträge in CHF wurde nicht vom BAKOM veröffentlicht sondern entsprechen einer Berechnung der MEDIENWOCHE.

Angesichts der schmalen Ertragsbasis von Lokalzeitungen ist es verständlich, wenn sich deren Verleger an jeden Strohhalm klammern, der ihnen etwas Milderung verspricht. Etwas anders sieht es dagegen bei Grossverlagen wie Tamedia aus, die ebenfalls in grossem Masse von den staatlich garantierten Rabatten profitieren. Im Zeitraum von Oktober 2013 bis September 2014, für die der MEDIENWOCHE die Ermässigungen pro Zeitungstitel vorliegen, profitierte Tamedia im Umfang von rund 2.9 Millionen Franken von der indirekten Presseförderung. Bei einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Franken scheint dieser Betrag vernachlässigbar. Doch Sprecher Christoph Zimmer hält dagegen: «Auch für Tamedia stellt sich die Frage, ob die Zeitung eine eigenständige Perspektive auf die Region bieten kann und ob sie von dieser wirtschaftlich, sei es durch Abonnenten oder Inserate, getragen wird.» Eine Quersubventionierung durch andere Angebote schliesst er aus: «Das würde die Unabhängigkeit der Zeitungen gefährden.» Die indirekte Presseförderung als solches findet er durchaus sinnvoll, denn sie habe den Vorteil, dass sie an keine politischen Interessen gebunden ist: «Es entsteht somit keine ausufernde Diskussion darüber, wer förderungsberechtigt ist und wer nicht.»

Zimmer begrüsst damit das Giesskannenprinzip der indirekten Presseförderung. Auf Verlegerseite gab es auch schon kritischere Stimmen gegenüber dem Fördermodell. 2006 wollte Hanspeter Lebrument, der damalige Präsident des Verband Schweizer Medien, gar einen «Schlusspunkt unter die staatliche Unterstützung der Presse zu setzen». Wer für Marktwirtschaft, Wettbewerb und gewinnorientierte Medienunternehmen plädiere, mache sich unglaubwürdig, wenn er gleichzeitig staatliche Unterstützung fordere, zitiert die NZZ die Begründung des Verlegerpräsidenten. Doch Lebrument hatte die Rechnung ohne seine Mitglieder gemacht. Vor allem kleinere Verleger pfiffen ihn zurück und der Verband stellte sich einstimmig hinter die indirekte Presseförderung – eine Haltung, die bis heute gilt.

«Es fehlen klare Ziele»

Weiterhin umstritten bleibet das Fördermodell bei Politik und Wissenschaft, sie kritisieren die indirekte Presseförderung als ziel- und wirkungsloses Giesskannenprinzip. Voraussetzung für die Subventionsberechtigung ist lediglich ein redaktioneller Anteil von 50 Prozent des Blattumfangs sowie eine Auflage weniger als 40’000 Exemplaren. Inhaltliche Anforderungen an die finanzielle Unterstützung gibt es keine. Dass das Ziel der Sicherung einer vielfältigen Presse mit dem Instrument nicht oder nur beschränkt erreicht werden kann, zeigen auch jene Fälle von Lokalzeitungen, die trotz Subventionierung des Vertriebs den Betrieb einstellen mussten. Eine wissenschaftliche Evaluation zuhanden des Uvek hielt 2010 denn auch unmissverständlich fest: «Es fehlen klare Ziele in der Presseförderung». Seit Jahren will darum der Bundesrat diese Form der Mediensubventionierung abschaffen – bisher erfolglos. Das Parlament hielt regelmässig dagegen. So zuletzt auch im vergangenen Juni, als der Nationalrat eine Motion überwies, welche die indirekte Presseförderung von künftigen Sparprogrammen ausnehmen will. Die Zustimmung erfolgte jedoch nicht aus voller Überzeugung, sondern mangels Alternativen. Bevor der Bundesrat die indirekte Presseförderung aufgibt, fordert der Nationalrat, solle er «glaubwürdige» Modelle der Medienförderung aufzeigen. Das ist indes einfacher gesagt als getan. Denn alles, was in Richtung direkte Presseförderung zielt, etwa in Anlehnung an die Gebührenfinanzierung von Radio und Fernsehen, fände in den Räten derzeit kaum eine Mehrheit – und bei den Verlegern sowieso nicht. Die indirekte Presseförderung dürfte damit länger überleben als eigentlich allen lieb ist.


Die im Artikel publizierten Zahlen zur indirekten Presseförderung waren bisher nicht öffentlich zugänglich. Erst mit einem Einsichtsgesuch auf Grundlage des Öffentlichkeitsgesetzes machte das Bundesamt für Kommunikation Bakom die Beträge für die Jahre 2013 und 2014 zugänglich. Das war allerdings nicht auf direktem Weg möglich, sondern erst nach einem Schlichtungsverfahren vor dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte EDÖB. Mehrere Verlage sträubten sich anfänglich dagegen, ihre Förderbeträge offenzulegen. Den Gang vor Bundesverwaltungsgericht scheuten sie aber und stimmten der nun erfolgten Veröffentlichung schliesslich zu.

Die MEDIENWOCHE berichtete über das von ihr angestrebte Verfahren:

Mitarbeit: Nick Lüthi

Bild: Flickr/Maurice Velati (CC BY 2.0)