Krautreporter: «Wir sind im Grunde ein revisionistisches Projekt»
2014 sind die Krautreporter angetreten mit den Worten: «Der Online-Journalimus ist kaputt – wir kriegen das wieder hin». Zwei Jahre später las man: «Krautreporter ist kaputt». Wo steht das Online-Magazin heute? Wir sind nach Berlin gefahren und haben bei Mitgründer und Geschäftsführer Sebastian Esser nachgefragt.
Aus 15’000 mach 5000
Wenn man rein die Zahlen anschaut, ist man geneigt, den Kritikern Recht zu geben: Der Versuch, den Online-Journalismus zu retten, scheint gescheitert zu sein. Zwei Drittel der Mitglieder, die zu Beginn dabei waren, sind abgesprungen. Doch fragt man den Mitgründer und Geschäftsführer Sebastian Esser, widerspricht er: «Ja, man hätte Dinge anders machen müssen, aber wie hätten wir das im Vorhinein wissen sollen? Man muss die Dinge ausprobieren.»
Gestartet ist Krautreporter mit einem Pool von 28 Autorinnen und Autoren. «Leute, die verstanden haben wie Journalismus im Internet funktioniert», sagt Esser. Doch die 28 Communities dieser Einzelkämpfer zu vereinen, erwies sich als schwieriger als erwartet. Die Krautreporter mussten sich den Vorwurf gefallen lassen, keine klare Haltung auszustrahlen. Mit einem «Blumenstrauss von starken Persönlichkeiten», die ihr Ding machten und meist parallel zu Krautreporter weiterhin ihre eigenen Kanäle bedienten, war die Plattform als Medium kaum fassbar.
«Jetzt haben wir den Dreh raus»
Esser und seinen Kolleginnen und Kollegen wurde klar: «Davon müssen wir wegkommen.» Sie richteten eine feste Redaktion mit zehn Leuten in Berlin ein. Und letztes Jahr folgte ein zweiter radikaler Wandel: eine Paywall. Ein Leser kann nur noch die Hälfte des Textes lesen. Dann muss er sich zu einem Jahresabonnement entschliessen oder ein Testabo von 30 Tagen lösen. «Und das funktioniert richtig, richtig gut», bilanziert Geschäftsführer Esser, der vor einiger Zeit noch sagte, er glaube nicht an Bezahlschranken.
«Je besser der Journalismus, desto höher die Umsätze.»
Das sei das Schöne an seiner Arbeit, sagt Esser heute – das sei die «krasse Botschaft», die hinter dem Geschäftsmodell der Krautreporter stecke. Während andere Medien für Reichweite belohnt würden – also über Werbung, die pro Klick bezahlt wird – würde Krautreporter für Qualität belohnt. Indem sie die Neumitglieder mit qualitativ hochwertigen Inhalten zum Beitritt bewegten. Wie sich das bisher auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt hat, möchte Esser aber nicht verraten.
Das Brancheninteresse am dreijährigen Startup hat sich unterdessen gelegt. «Zum Glück», findet Esser. «Meine Befriedigung ist es, durch Erfolge, den Leuten, die dachten, nun komme das grosse Scheitern, Lügen zu strafen.» Er präzisiert: «Innovation im Journalismus ist ein trügerischer Begriff. Er beinhaltet, dass man am Kern – am Journalismus etwas ändert. Aber das wollen wir nicht. Wir wollten uns von den Vermarktungszwängen befreien. Eigentlich ein sehr revisionistisches Projekt.»