Zahlensalat (VII): Bessere Ausbildung und mehr Kooperation mit der Wissenschaft
Noch nie gab es so viele Daten, noch nie standen so viele Studien zur Verfügung. Für die Journalisten eröffnet sich ein Eldorado, wenn Sie lernen, diese Studien einzuschätzen und faule Eier auszuscheiden. Was Ausbildung und Wissenschaft dazu beitragen können.
2015 wiesen zwei deutsche Dokumentarfilmer angeblich nach, dass Schokolade schlank mache. Doch die Studie war ein Fake, was man mit dem entsprechenden Know-how schnell hätte herausfinden können: Das ihr zu Grunde liegende Experiment war schlecht gemacht, die Anzahl Probanden viel zu tief und die Statistik überhaupt nicht aussagekräftig. Nichtsdestotrotz fanden die Ergebnisse Verbreitung in zum Teil seriösen Medien rund um die Welt. Journalisten von Deutschland bis Indien, von Amerika bis Australien liessen sich mit plumpen Mitteln an der Nase herumführen. Ein ganzer Berufsstand war diskreditiert.
Auch wenn das darauf folgende Medienbashing überzogen war, so hat die Geschichte doch den Finger auf einen wunden Punkt gelegt: Viele Journalistinnen und Journalisten sind im Umgang mit Zahlen und Statistik unsicher und bekunden Mühe, Studien zu lesen, deren Qualität einzuschätzen und die Resultate zu hinterfragen. Doch vor Verallgemeinerungen sei gewarnt. Viele, gerade auch junge, Medienschaffende haben eine solide natur- oder sozialwissenschaftliche Ausbildung durchlaufen und kennen sich mit Statistik aus.
Mit den Datenjournalisten zieht weiteres statistisches Know-How in Schweizer Redaktionen ein. So helfe etwa das SRF Data Team Kolleginnen und Kollegen aus anderen SRF-Redaktionen mit Daten klarzukommen, wie Teammitglied Julian Schmidli erklärt. Auch in der Ausbildung von Medienleuten tut sich etwas. An der Universität Zürich kann man im Rahmen des Politologiestudiums einen Lehrgang für Datenjournalismus belegen, Im Medienstudium an der Universität Fribourg wurde das Fach Statistik jüngst aufgewertet und die Journalistenschule MAZ in Luzern führt neu einen Pflichtkurs Statistik im Diplomstudiengang. «Es geht hier aber nur um die Basics», gibt Studienleiter Dominique Strebel zu bedenken. Strebel wünscht sich von zukünftigen Journalisten mehr Kompetenz im Umgang mit wissenschaftlichen Studien und überlegt sich, auch hierfür einen Pflichtkurs einzuführen.
Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Journalisten können neben dem Tagesgeschäft nicht auch noch Statistik mit wissenschaftlichem Anspruch betreiben, dafür reicht die Zeit schlicht nicht. Genau das wäre aber nötig, wenn man aus Daten belastbare Schlussfolgerungen ziehen will. Es gibt allerdings an den Universitäten und Fachhochschulen ein grosses Heer an Wissenschaftlerinnen und Forschern, das sich täglich mit Signifikanz, Kausalität und Kontrollgruppen herumschlägt. Diese Forscherinnen und Forscher produzieren laufend neue Studien, manchmal von bescheidener, manchmal von hervorragender Qualität. Journalisten sollten lernen, die reifen Früchte zu pflücken und die faulen Eier auszuscheiden und akademisches Fachpersonal für Rat beizuziehen. Schliesslich gehört die Vermittlung der universitären Forschung zum Auftrag einer öffentlich finanzierten Institution.
Schokoladenstudien zirkulieren viele. Es kann für eine Redaktion verlockend sein, reisserische Resultate zu publizieren, quasi als Teil des Unterhaltungsjournalismus. Ein sorgloser Umgang mit angeblich wissenschaftlichen Studien ist aber gefährlich. Er kann bei Leserinnen und Lesern langfristig Studienmüdigkeit auslösen. Im schlechtesten Fall würde am Ende auch seriöse Wissenschaft ignoriert werden.
Journalismus kommt daher in Zukunft die Aufgabe zu, neben Fake News und auch Fake Studies zu entlarven. Im angelsächsischen Raum, wo die Fact-Checking-Kultur weiter gediehen ist als hierzulande, gibt es Gefässe, die schon heute genau das tun; etwa die mehrfach preisgekrönte Sendung «More or Less» auf BBC Radio 4, deren Redaktoren lustvoll und unterhaltsam Statistiken aus Politik, Medien und Wissenschaft sezieren. Schokoladenstudien kommen hier ganz flach raus.