TV-Sport: Willkommen im Dschungelcamp!
Wir beobachten gegenwärtig einen tiefschürfenden Umbruch auf dem Fernsehmarkt. Besonders deutlich sichtbar wird das beim TV-Sport. Neue Anbieter mischen das Geschäft auf. Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Erklärungen für die Verwerfungen auf dem Schweizer Markt der letzten Jahre.
Früher war zwar nicht alles besser, aber immerhin einfacher. Wollte man sich eine Sportveranstaltung am TV zu Gemüte führen, konnte man einfach das Schweizer Fernsehen einschalten, allenfalls noch ARD, ZDF, ORF oder die öffentlich-rechtlichen Sender der anderen benachbarten Länder. Gezeigt wurde das heimische Sportgeschehen, sowie internationale Titelkämpfe. Das hat sich geändert. Die Sportwelt ist längst globalisiert. Heute wollen wir Fussball aus England, Basketball aus den USA und Eishockey aus Russland sehen. Und das können wir auch. Aber wie und zu welchem Preis?
Der Sportboom am Bildschirm begann in den neunziger Jahren. Damals drängten die Privatsender auf den Markt und griffen die Monopolstellung der Öffentlich-rechtlichen an. Plötzlich wanderten Sportinhalte weg zu den Privaten, in Deutschland allen voran die Bundesliga – wer erinnert sich nicht an das legendäre SAT1-Format Ran – oder die Formel 1, die seit Jahren von RTL übertragen wird.
2006 sicherte sich Teleclub erstmals die Rechte an der Fussball- und Eishockey-Nationalliga.
Damit explodierten auch die Preise für Sportrechte. «Content is King» hiess die mediale Losung in den neunziger Jahren. Das gilt auch heute noch. Die Preise, insbesondere für Fussball-Rechte, steigerten sich in ungeahnte Höhen, die Übertragungsrechte wanderten zunehmend ins Bezahlfernsehen ab auch in der Schweiz. 2006 sicherte sich Teleclub erstmals die Rechte an der Fussball- und Eishockey-Nationalliga.
Trotz allem blieb die Schweizer Fernsehlandschaft eine Art Insel. Die staatlich privilegierte SRG geniesst bis heute Artenschutz und geniesst ihn in geringerem Mass bis heute noch. Internationale Fussballfeste wie die Fussball-WM und-EM, die UEFA Champions League und Europa League sind nach wie vor v.a. im SRF, RTS und RSI zu sehen. Doch das goldene Zeitalter neigt sich langsam aber sich dem Ende zu. Konkurrenz kam einzig von der staatlichen Swisscom, die mit ihrem Bezahlsender Teleclub die heimische Fussball-Liga, sowie die europäischen Top-Ligen zeigte und im Winter Eishockey-Spiele gegen Bezahlung.
Doch 2016 kündigte sich Bewegung im Markt an, als die englische Perform Group mit DAZN (ausgesprochen: ‹The Zone›) ein kostenpflichtiges Streaming-Angebot lancierte. Der neue Konkurrent setzte vor allem Teleclub unter Druck, indem er sich die Rechte an der englischen Premier League schnappte und ebenso jene an den hierzulande immer beliebteren US-Sportarten, wie American Football oder Basketball.
Und es ging weiter im Takt. Teleclub sicherte sich zwar erneut die Rechte an den beiden obersten Schweizer Fussball-Ligen, verlor aber die Rechte an der schweizerischen Eishockeymeisterschaft an Konkurrent UPC, der mit MySports einen neuen Sportkanal lancierte. MySports legte nach, sicherte sich auch noch die Rechte an der deutschen Bundesliga.
Und dann kam wieder Teleclub zum Zug. Die UEFA Champions League wird neu auf Teleclub zu sehen sein, ebenso die UEFA Europa League. Und immer noch ein bisschen auf SRF, wenn auch eingeschränkt.
Aber damit nicht genug. Erst kürzlich wurde bekannt, dass auch Sky Deutschland mit einem Angebot auf den Schweizer Markt kommt. Sky hat zwar sowohl mit der Swisscom, als auch mit UPC Distributionsverträge. Aber das hindert den Murdoch-Sender nicht, ein eigenes Angebot zu lancieren, nachdem man im Frühjahr 2017 den schweizerischen Streaming-Dienst Hollystar übernommen hatte. Die Strategie ist klar: mit Sport gegen DAZN antreten, mit Hollystar (das in Sky umfirmiert werden soll) gegen Netflix im Fiction-Bereich.
Wer von Vielem ein bisschen etwas will, ohne das volle Programm in Anspruch nehmen zu wollen, ist mit SRF nach wie vor gut bedient.
Und was bedeutet das alles für das sportinteressierte TV-Publikum? Zuerst einmal: Vielfalt belebt den Markt und die eingangs erwähnte einfache Welt gehört definitiv der Vergangenheit an. Wer insbesondere an ausgewählten internationalen Veranstaltungen interessiert ist – etwa an ausländischen Profifussball-Ligen oder US-Sportarten – kann je nach Präferenz den einen oder anderen Anbieter wählen. Wer von Vielem ein bisschen etwas will, ohne das volle Programm in Anspruch nehmen zu wollen, ist mit SRF nach wie vor gut bedient.
SRF mit seinem Service-Public-Auftrag bietet insbesondere dann Vorteile, wenn auch Randsportarten gewünscht werden, wie Unihockey, Volleyball oder Handball oder Schwingen. Und auch für die nationalen Blockbuster Fussball und Eishockey ist SRF immer noch gut aufgestellt: Fussball-WM bzw. -EM? Derzeit noch auf SRF. Eishockey-WM? Derzeit noch auf SRF. Super League? Das obligate Sonntagsspiel auf SRF. Eishockey National League? Ab den Playoffs ganz gut dotiert. Und dazu weitere wichtige Veranstaltungen, wie etwa Olympische Spiele, Ski-Weltcup und Weltmeisterschaften, Formel1, Tennis, Tour de France, Leichtathletik Top-Meetings und internationale Titelkämpfe – und die Aufzählung ist noch nicht abgeschlossen.
Die Frage ist allerdings, wie lange das Sportparadies SRG noch bestehen bleibt. Der Gebührensender hat lange davon profitiert, dass wichtige internationale Veranstaltungen auch auf ausländischen Sendern konsumiert werden konnten. Das gestaltete die Verhandlungen über Ausstrahlungsrechte für die SRG vorteilhaft, da immer das Argument der fehlenden Exklusivität ins Feld geführt werden konnte. Aber wir sehen heute im Premiumbereich einen klaren Trend hin zum Bezahlfernsehen in den umliegenden Nachbarländern, was dieser Verhandlungsposition den Nährboden entzieht. Aktuellstes Beispiel dafür sind die UEFA Champions League und die UEFA Europa League, wo die SRG deutliche Abstriche hinnehmen musste.
Quo vadis? Dass Swisscom und UPC in diesem Bieterwettbewerb tüchtig mitmischen, ist nachvollziehbar. Es geht um Kundenbindung bzw. Kundengewinnung für ihre ICT-Produkte. Die SRG kommt finanziell an ihre Grenzen, zumal sie einen staatlichen Auftrag wahrnehmen muss, der weit über Sport und Fiction hinausgeht. Gespannt darf man die Entwicklung von DAZN und Sky beobachten.
Für den Konsumenten aber ist es eine Krux. Viel mehr Angebote, aber eben auch die Qual der Wahl, sollte der Konsum von Sportinhalten nicht zu einer ernsthaften Belastung des Haushaltsbudgets werden. Wie gesagt, willkommen im Dschungelcamp. Wie heisst es so schön im Disney-Blockbuster Lion King? «In the jungle, the mighty jungle, the lion sleeps tonight». Die Frage ist, wer der schlafende Löwe ist. Die besten Karten besitzen unbestritten sogenannte Over-the-top-Anbieter wie DAZN oder Sky. Sie verfügen oft über die nötigen finanziellen Mittel bei der Rechteakquisition und bieten mit ihren kanalunabhängigen Plattformen mittelfristig das wohl beste Nutzererlebnis.