Nach dem Start von Nau: «Der Mix ist in der Tat noch etwas wild»
Seit zehn Tagen ist das neue News-Portal Nau online. Noch wirkt das Angebot etwas unübersichtlich. Klar ist aber schon so viel: Hier wächst ein Medium heran mit grossem Potenzial, vor allem im Bereich Live-Video. «Journalismus Y» hat sich mit Simon Klopfenstein unterhalten. Er hat als Head of Content das redaktionelle Konzept von Nau mitentwickelt und betreut die lokalen Video-Reporter. Das Gespräch wurde auf Schweizerdeutsch geführt.
Journalismus Y:
Für alle, die nau.ch nicht kennen: Wie würdest du es ihnen beschreiben?
Simon Klopfenstein:
Ich habe heute einen verfrühten Ritterschlag erhalten. Der Tages-Anzeiger hat nämlich geschrieben: «Wie Schweiz Aktuell, nur frecher». Ich glaube das trifft es sehr gut. Nau ist die Verschränkung von «out of home» auf den Bildschirmen überall in der Schweiz und dem Webportal nau.ch. Wir möchten am Puls der Zeit sein und vielfältige Schweiz abbilden und zwar auf eine persönliche Art und Weise mit unseren Lokalreportern, die für uns unterwegs sind.
Journalismus Y:
Wo seht ihr euch im Schweizer Medienmarkt neben Medien?
Simon Klopfenstein:
Bei dieser Frage ist es wichtig, die Entstehungsgeschichte zu verstehen. LiveSystems hat vor 10 Jahren angefangen mit den Bildschirmen im öffentlichen Verkehr. Dort lief schon immer 75 Prozent «Content». Meist automatisiert von anderen Medienunternehmen bestehend aus Text und Bild. Das war nicht immer gleich gut und innerhalb der Firma war schon immer klar: Irgendwann wollen wir diese Inhalte selbst produzieren. Auf dieser Basis bauen wir auf und wollen zum sichtbarsten Medium der Schweiz werden. Nicht nur am Bildschirm sondern auch von Mensch zu Mensch. Die Leute in den Regionen können für Verbundenheit sorgen. An den Tischen zuhause, bei Freunden oder im Ausgang. So wollen wir Trends in den Regionen aufspüren.
Journalismus Y:
Ihr habt schon von Beginn an 45 Angestellte. Das ist sehr viel im Vergleich zu anderen.
Simon Klopfenstein:
In der Tat, das ist aussergewöhnlich. Dahinter steht die Überlegung, dass wir von Anfang an clever alle vorhandenen Plattformen integrieren wollen. Dafür benötigen wir Personal mit dem nötigen Know-How. Und Quantität ist etwas, das man nicht ausser Acht lassen. Wir sehen bei anderen Projekten – und ich freue mich über alle diese Initiativen – dass es schwierig ist, mit einem geringen Output eine substantielle Reichweite zu erzeugen. Und das ist es, was wir wollen.
Journalismus Y:
Wenn man die Seite besucht, findet man einen wilden Mix aus Ausland, Regio und Sport. Wie passt das alles zusammen?
Simon Klopfenstein:
Der Mix ist in der Tat noch etwas wild. Ich gebe auch zu, dass unser Produkt zum heutigen Zeitpunkt erst 70 Prozent perfekt ist. Wir müssen nicht immer die Schnellsten sein, aber der Reiz soll schon bestehen, täglich bei uns vorbeizuschauen. Wir haben der Einfachheit halber sogar auf Rubriken verzichtet, aber wir mussten feststellen, dass die User vielleicht doch träger sind, als wir es erwarteten. Deshalb werden wir jetzt drei Rubriken erstellen: Politik/Wirtschaft, Sport und People. Gleichzeitig möchten wir die Entscheidungen, die ein User treffen muss, auf ein Minimum reduzieren.
Journalismus Y:
User können selbst Beiträge erfassen. Was für Pläne habt ihr mit dieser Funktion?
Simon Klopfenstein:
Das ist der Bereich, der noch am wenigsten entwickelt ist. Wir kamen im Endstress nicht mehr dazu, deshalb kann ich noch nicht allzu viel dazu sagen. Aber Partizipation wird eine wichtige Rolle spielen bei uns. User Generated Content beschränkt sich heute noch auf Kommentare, aber wir glauben, dass da mehr Gehalt möglich ist. Wir möchten das Fachwissen der Leute anzapfen.
Journalismus Y:
Mich hat überrascht, wie viele Livestreams ihr bereits gemacht habt. Im Bus ist man nur kurz und kann nicht mit Ton hören. Wie passen da Livestreams hinein?
Simon Klopfenstein:
Live finde ich den spannendste Bereich im Digitalen. Ich habe kürzlich «Das intensive Leben» von Tristan Garcia gelesen. Er stellt darin die These auf, dass Menschen auf der Suche nach Intensität sind. Und die neue Technologien sollen die Distanz zwischen Ereignis und Zuschauer verringern. Gutes «Live» kann diese Intensität gut vermitteln – dieses Gefühl des Dabeiseins, der Teilhabe, der Partizipation.
Journalismus Y:
Die für mich alles entscheidende Frage ist: Ihr habt ein funktionierendes Geschäftsmodell. Ihr habt viele Einnahmen. Warum bürdet ihr euch diese neuen Ausgaben auf?
Simon Klopfenstein:
Weil es werbemarkttechnisch interessant ist, nicht nur «out of home» sondern auch online anbieten zu können und weil wir einen innovativen Verwaltungsrat und Gründer haben, die immer einen Schritt weiter denken. Der schnelle Profit ist nicht das einzige, was sie antreibt, sondern auch die Freude am Inhalt.
Journalismus Y:
Redest du da von klassischer Werbung oder auch von «Native Advertising»?
Simon Klopfenstein:
Ich rede von klassischer Werbung. Wir schliessen für die Zukunft nichts aus, aber für jetzt möchten wir ganz auf Glaubwürdigkeit setzen. Ich weiss, dass bei uns die Verkaufsleute und die Redakteure im selben Raum sitzen, aber zeig mir eine freiere Redaktion als unsere. Für uns ist klar, dass wir die User mit glaubwürdigen, echte Beiträgen holen.
Journalismus Y:
Man hört von euch auch kritische Töne – um die Schweizer Medien stehe es nicht gut. Womit seid ihr denn unzufrieden?
Simon Klopfenstein:
Ich finde es steht nicht so schlecht um die Schweizer Medien. Ich hatte das Privileg, 50 Leute zu rekrutieren und dafür in der ganzen Schweiz mit über 100 JournalistInnen zu reden und ich habe gespürt: Da ist so viel Engagement. Gerade bei den Jungen. Sie stehen für ein kleines Gehalt um vier Uhr nachts auf und schmeissen eine gute Sendung. Die haben ein super Verständnis, um was es im Journalismus geht. Ich finde aber, dass der digitale Wandel auch die Qualitätsstandards des Publikums verändert und ich sehe eine gewisse Lethargie, sich daran anzupassen. Heute gilt: «Content first», wenn das Bild etwas wackelt, ist das egal. Wenn der Funke springt, dann spüre ich die Nähe. Das ist doch viel wichtiger. Da wünsche ich mir etwas mehr Mut.
Journalismus Y:
Wo siehst du Nau in einem Jahr?
Simon Klopfenstein:
Nau hat sich in einem Jahr einen soliden Namen gemacht. Man sagt über Nau, dass sie Neues wagen aber auch eine solide Qualität vorweisen können. Gelegentlich übertreiben sie es ein bisschen.
Das hier wiedergegebene Interview ist eine redigierte und gekürzte Abschrift des Gesprächs im Podcast.
Bild: Simon Klopfenstein/zvg
Jules Spörri 28. Oktober 2017, 15:56
Die Rede ist von viel Personal und einem Altersschnitt von 3o. Man muss ich nur das Team auf der Seite anschauen, um zu verstehen, wie das geht. Fast die Hälfte der Leute machen ein Praktikum. Wie wäre es denn mit einer kritischen Frage dazu?
Stattdessen Lobhudelei. Ich würde mal sagen, sobald das Verhältnis von regulärem Person zu Praktikanten 3 zu 1 überschreitet hat, kann man einfach von billigen Arbeitskräften sprechen, die ausgebeutet werden. Tolles Geschäftsmodell!
Robert Weingart 31. Oktober 2017, 00:26
„Sie stehen für ein kleines Gehalt um vier Uhr nachts auf und schmeissen eine gute Sendung. Die haben ein super Verständnis, um was es im Journalismus geht.“, sagt Herr Klopfenstein. Da ist Jules Spörri Analyse auch gleich belegt – das ist mir auch aufgefallen mit den vielen Praktikanten. Nun, das ist offenbar in gewissen Medienhäusern schon fast ein Geschäftskonzept. Eben: „Die haben ein super Verständnis, um was es im Journalismus geht.“, sagt Klopenstein. Sein Verständnis ist wohl, billig und willig. Der Herr hat nichts begriffen, macht einen Berufsstand zur Sau. Auch den jungen Leuten ist da nicht gedient.
Qualität ist wichtig 10. November 2017, 19:30
Nein Herr Klopfenstein, es ist mir nicht egal wenn das Bild wackelt, unscharf ist und wirr zusammengeschnitten ist! Natürlich kommt es genauso auch auf den Inhalt an, aber technische Schlamperei und handwerkliches Unvermögen als hip und trendy anzupreisen finde ich eine Frechheit.