Presseförderung und Medienabgabe: so läufts in Schweden
In Schweden soll die Presseförderung ab 2019 plattformunabhängig erfolgen. Auch Online-Medien könnten unterstützt werden. Ebenfalls geplant ist die Einführung einer Mediensteuer, welche die heutige Geräteabgabe ablösen soll. Beide Vorhaben sind nicht unumstritten. Die Konfliktlinien in der Debatte um eine Medienzukunft mit öffentlichen und privaten Anbietern gleichen jenen in der Schweiz.
Auch in Schweden läuft eine intensive Service-public-Debatte, die in vielen Punkten jener in der Schweiz gleicht. Auch im skandinavischen Königreich geht es im Kern um das Verhältnis zwischen privaten und gebührenfinanzierten Medien. Doch die Voraussetzungen unterscheiden sich doch in wesentlichen Punkten von der Situation in der Schweiz. So soll etwa die Radio-TV-Gebühr in eine Steuer umgewandelt, was man in der Schweiz explizit nicht wollte. Ausserdem gibt es in Schweden schon lange eine direkte Presseförderung, die nun sogar noch ausgeweitet werden soll.
Mit umgerechnet knapp 63 Millionen Franken fördert der schwedische Staat die Presse. Der genaue Betrag hängt dabei von der Grösse der Redaktion ab. In einem neuen Gesetzesentwurf der Regierung soll der Betrag sogar erhöht werden auf bis zu 77,5 Millionen Franken ab 2020. Zusätzlich sollen neu auch Medien in jenen Gebieten des Landes gefördert werden, die als journalistisch unterversorgt gelten. Auch in der Schweiz wurde kürzlich wieder die Forderung nach einer direkten Presseförderung laut. Allerdings spricht sich bisher nur die Linke für öffentliche Gelder auch für Zeitungen und andere Medien aus.
Boris Vasic vom Schwedischen Kulturdepartement, das für die Medienförderung zuständig ist, erklärt die Idee dahinter so: «Ziel ist es, die Demokratie zu stärken, indem wir eine Vielfalt an Informationsmedien mit redaktionellen Beiträgen hoher Qualität unterstützen, und so den Zugang zu unabhängiger Berichterstattung in allen Teilen des Landes ermöglichen.» Eine finanzielle Unterstützung ist künftig nicht nur für gedruckte Medien vorgesehen, sondern soll plattformunabhängig vergeben werden, um Innovation und neue Technologien zu fördern. Eine entsprechende Regelung soll im Januar 2019 in Kraft treten.
Der Schwedische Verband der privaten Zeitungsverleger (Svenska Tidningsutgivareföreningen, TU) begrüsst die Ausweitung der Medienförderung. Dennoch: Es sei nur ein Tropfen auf den heissen Stein. «Die öffentlichen Medien erhalten 8,2 Milliarden Kronen pro Jahr, die privaten Medien gerade einmal 0,55 Milliarden», sagt Per Hultengård, Chefjurist bei TU. Umgerechnet sind dies knapp 950 Millionen Schweizer Franken für die öffentlichen Medien (zum Vergleich: die SRG erhält jährlich 1,2 Milliarden Franken an Gebührengeldern) und 63 Millionen Franken gehen an die Privaten. «Doch nicht nur die öffentlich-rechtlichen Medien können den Service-public-Auftrag erfüllen», so Hultengård vom Verlegerverband. Gerade in Randregionen und in kleinen Gemeinden auf dem Land, wo das Schwedische Radio und Fernsehen nicht präsent seien, spielten private Medien eine essentielle Rolle. Schweden zählt rund 10 Millionen Einwohner, 87 Prozent leben in urbanen Gebieten im südlichen Teil des Landes. Der grosse Rest des Landes, vor allem der Norden, ist nur dünn besiedelt.
Die Gelder für das Schwedische Radio und Fernsehen werden zurzeit noch analog zum Schweizer Billag-System erhoben. Jeder Haushalt mit Fernsehgerät muss eine Gebühr von umgerechnet 275 Franken pro Jahr bezahlen. Allerdings dürfte sich dies bald ändern: Die Gebühr soll durch eine einkommensabhängige Individualsteuer ersetzt werden, die maximal 150 Franken pro Jahr und pro Person betragen soll. Bei einer Familie, in der beide Elternteile erwerbstätig sind, käme die Steuer mit rund 300 Franken nur wenig teurer als die bisherige Haushaltsabgabe. Ein Einpersonen-Haushalt dagegen würde gegenüber dem heutigen System fast die Hälfte weniger bezahlten. Personen ohne oder mit sehr tiefem Einkommen müssen die Steuer gar nicht bezahlen. Nachbarstaat Finnland hat bereits 2013 auf eine Steuer umgestellt.
Wenig begeistert vom geplanten Systemwechsel ist das öffentliche Radio. «Sveriges Radio» befürchtet einen Einschnitt in die unabhängige Berichterstattung: «Eine Steuer könnte zu grösserer politischer Kontrolle und Einflussnahme führen», sagt Claes Bertilson, Pressesprecher des Schwedischen Radios. Die privaten Medien hingegen sprechen sich für eine Steuer aus: «Dann sieht man endlich klar und deutlich, was die Gebühr ohnehin bereits ist: Eine Steuer, schliesslich ist sie obligatorisch», so Verlegervertreter Hultengård. Voraussichtlich im kommenden Sommer wird der schwedische Reichstag, das Parlament, über den Vorschlag diskutieren.
Der bereits heute starke Service public scheint die Mediennutzer nicht davon abzuhalten, auch für private Medien Geld auszugeben. Europaweit ist das schwedische Boulevard-Blatt «Aftonbladet» eines der digitalen Nachrichtenangebote mit den meisten zahlenden Lesern: 250‘000 Abonnenten bezahlen für das digitale Angebot zwischen 7 und 11 Franken monatlich.
Dabei stecken nicht einmal alle Artikel des «Aftonbladet» hinter der Paywall: Alle allgemeinen News- und Meinungsartikel sind online gratis lesbar, wer aber die Plattform «Plus» abonniert, erhält Zugriff auf Hintergrundartikel, Experten-Analysen, Editorials und Video-Inhalte. Nebst der normalen Redaktion arbeitet ein 16-köpfiges Team eigens für die «Plus»-Angebote und produziert dafür täglich um die 25 Artikel sowie verschiedene Newsletter. Das Interessante: 80 Prozent der Leser gelangen direkt auf die Homepage des Mediums. «Aftonbladet» ist somit zu grossen Teilen unabhängig von Facebook und anderen Plattformen. Der Erfolg von «Aftonbladet» ist kein Einzelfall. Auch die höher positionierten «Dagens Nyheter» zählen 100’000 Digitalabonnenten – ein Wert, von dem Schweizer Zeitungen nur träumen können.
Trotz der hohen Zahlungsbereitschaft des schwedischen Publikums warnt der Verlegerverband vor der Konkurrenz durch gebührenfinanzierte Online-Medien. Eine Studie im Auftrag des Verbands hat analysiert, in welcher Form die öffentlichen Medien Nachrichten von privaten Medien als Quelle benutzen. Beim Schwedischen Fernsehen wird in den wenigsten Fällen der Text mit eigenem Videomaterial ergänzt, was gemäss TU nicht der Idee des Service-public-Auftrags entspricht. Beim Schwedischen Radio enthält immerhin jeder dritte Artikel auch Audioinhalte des Senders.
Jimmy Ahlstrand, Strategiechef des Schwedischen Fernsehens, sagt dazu: «Wir haben Kenntnis von dieser unvollständigen Studie. Sie ignoriert das Verhalten unserer Nutzer sowie das breite Angebot an tausenden Stunden an Videomaterial auf unserer Website.» Ausserdem bestehe die Aufgabe des Schwedischen Fernsehens nicht nur in der Produktion von Videoinhalten: «Elektronischen Text bieten wir bereits seit den 1970er-Jahren an, dies ist somit kein neuer Service.» Interessant: Letztes Jahr hat die Zeitung «Aftonbladet» einen Gewinn von umgerechnet 29 Millionen Franken erwirtschaftet – zu grossen Teilen dank Videowerbung.
Längst bieten nicht nur öffentlich-rechtliche Medien audiovisuelle Beiträge an, auch private Medien kreieren Podcasts und Videos. Eine Trennung von öffentlichen und privaten Medien ist in Zeiten der Digitalisierung kaum mehr klar möglich.