von René Zeyer

Fall Vincenz: Geheucheltes aus der Weltwoche

Gegen den früheren Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz werde eine «Hexenjagd» betrieben, die Unschuldsvermutung mit Füssen getreten, schimpft die Weltwoche – so wie sie es im Fall Hildebrand tat.

Ist der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz ein Hexer, hat er sich unziemlich bereichert, sitzt er zu Recht in Untersuchungshaft? Oder wird hier «eine geifernde Hexenjagd» betrieben, wie Roger Köppel in seinem Editorial schäumt? Ist es gar «eine ausgemachte Gemeinheit, wie der Ex-Banker und seine Familie ohne Gerichtsurteil jetzt durch den medialen Fleischwolf gedreht werden»? Köppel konstatiert «eine journalistische Verwilderung des Rechtsstaats» und lässt seinen Wirtschaftsredaktor Beat Gygi eine mehrseitige Verteidigungsschrift für den tief gefallenen ehemaligen Star-Banker verfassen.

Alles erlaubt, alles Business as usual bei der Weltwoche, die reflexartig gegen den Mainstream schwimmen will, sei das beim Klimawandel oder indem sie Vincenz immer noch amtierenden Kollegen, dem Versagerrat Urs Rohner von der Credit Suisse, Gelegenheit einräumt, über Seiten Sprechblasen zu blubbern («wir können und werden profitabler werden»). Allerdings hat Köppel tatsächlich die Chuzpe, in seiner Philippika gegen die Medien auch die Affäre Hildebrand zu erwähnen, in dem «sich das vorverurteilende Getöse in nichts anderes als heisse Luft auflöste». Er bezieht sich dabei allerdings auf die Strafuntersuchung gegen Christoph Blocher und hofft auf das Kurzzeitgedächtnis des Lesers. Denn der damalige Skandal war von der Weltwoche verursacht.

Kurze Rückblende: Philipp Hildebrand, der damalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank, stolperte über ein Währungsgeschäft, das vom Konto seiner im Kunsthandel aktiven Gattin getätigt wurde. Die Weltwoche brachte diesen Vorgang ans Licht, unter Verwendung gestohlener und in der Faksimile-Darstellung manipulierter Bankunterlagen der Familie Hildebrand. Sie fabulierte von einem «Riesenskandal», gar einer «Staatsaffäre», Hildebrand habe sich «illegal Vorteile erschlichen», sich als «Gauner entpuppt», natürlich müsse er zurücktreten, forderte die Weltwoche. Ohne jede Rücksicht auf eine allfällige Unschuldsvermutung – oder das sonst von ihr stramm verteidigte Bankgeheimnis. Zudem ramponierte der damalige Weltwoche-Redaktor Urs-Paul Engeler seinen Ruf, indem er fälschlicherweise behauptete, es sei eine Strafanzeige gegen Hildebrand eingereicht und er habe mit mehreren Informanten gesprochen und mit einer Quelle namens «Deep Throat II» Kontakt gehabt. Damit wollte Engeler einen Watergate-Groove schaffen, also seine «Recherche» in den Rang der Aufklärungsarbeit der «Washington Post» heben, die zu Rücktritt von Richard Nixon führte und bei der die Reporter von einer hochrangigen Quelle mit dem Decknamen «Deep Throat» angefüttert wurden.

Die helvetische Wirklichkeit und das journalistische Niveau von Engeler waren dann aber doch eher kläglich. Wie jeder angehende Journalist in Grundkursen lernt, sollte jede zugespielte Information von einer zweiten, unabhängigen Quelle bestätigt werden, so skandalös und verführerisch sie auch sein mag. So hielten es die Reporter der «Washington Post», deshalb hatten sie Erfolg und fielen nicht auf die Schnauze. Engeler hingegen hatte im Gegensatz zu seinen Behauptungen nur mit einem Mittelsmann einer einzigen Quelle Kontakt, nicht mal direkt mit dieser. Deshalb fielen die Weltwoche und Engeler furchtbar auf die Schnauze. Hildebrand trat zwar unter dem Dauerfeuer des Blatts und nicht zuletzt wegen seiner äusserst ungeschickten Informationspolitik zurück. Nachdem sich der Pulverdampf verzogen hatte, stellte sich nach umfangreichen Untersuchungen allerdings heraus: Er hatte nichts Illegales getan, wurde wegen nichts verurteilt. Es mag ungeschickt oder anrüchig gewesen sein, dass seine Frau Währungsgeschäfte tätigte. Aber bei Hildebrand bestätigte sich die Unschuldsvermutung. Die von der gleichen Weltwoche grobfahrlässig verletzt worden war, die sich nun heuchlerisch über das gleiche Vorgehen bei Vincenz erregt.

Diese Doppelmoral beschädigt das ohnehin schon lädierte Image der Weltwoche. Zudem ist ihr stellvertretender Chefredaktor Philipp Gut wegen «übler Nachrede» zu einer bedingten Geldstrafe, einer Busse und einer Prozessentschädigung von über 30’000 Franken verurteilt. Hier gilt also die Unschuldsvermutung definitiv nicht mehr, man kann sich den Kalauer erlauben: Die Weltwoche ist gut und gerne für eine üble Nachrede gut. Das Blatt überschreitet gesetzliche Grenzen und wird dafür sanktioniert. Es kann sich so wenig zum Kronzeugen für das Hochhalten der Unschuldsvermutung aufplustern wie eine Prostituierte ihre Jungfräulichkeit behaupten darf. Aber das löst natürlich das dahinterstehende Problem nicht.

Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Es wäre weltfremd und absurd, die Unschuldsvermutung so zu verstehen, dass sich die Medien jeglicher Berichterstattung zu enthalten hätten, bis ein Übeltäter rechtskräftig, das heisst sogar bis nach dem ganzen Instanzenzug bis zum Bundesgericht, verurteilt ist. Es wäre unsinnig und sogar der Demokratie und der Gesellschaft abträglich, wenn belastende Informationen, Dokumente, die eine Schummelei, eine Schweinerei, einen Beschiss, einen Betrug, eine unstatthafte Bereicherung, ein Fehlverhalten, ein Verbrechen zu belegen scheinen, nicht öffentlich verwendet würden. Es wäre hirnrissig, aus diesem Grund selbst die Meldung darüber, dass Vincenz in Untersuchungshaft sitzt, zu unterlassen. Dass damit der Ruf, die Reputation einer Person, einer Institution, einer Firma geschädigt wird, muss als Kollateralschaden hingenommen werden, wenn sich am Schluss deren rechtlicher Unschuld herausstellt. Zudem gibt es noch das weite Feld zwischen illegal und erlaubt, aber anrüchig, unstatthaft, unanständig, übelriechend.

Allerdings müssen in solchen Fällen geschriebene und ungeschriebene Benimmregeln eingehalten werden, bevor sich ein Medium zur Veröffentlichung von Anschuldigungen entscheidet. Denn es war ja weder im Fall Hildebrand noch im Fall Vincenz das erste Mal, dass einer in der Öffentlichkeit stehenden Person fragwürdiges und sogar möglicherweise strafrechtlich relevantes Handeln vorgeworfen wurde. Je nach Schwere der Vorwürfe, je nach Verhalten der Person, je nach dem Urteil der Öffentlichkeit kann eine solche Meldung tatsächlich dazu führen, dass diese Person «erledigt» ist. Ihre Reputation einen unheilbaren Schaden erlitten hat, sie von ihren Ämtern zurücktreten muss, finanziellen Schaden erleidet, die Karriere beendet ist – obwohl sich am Schluss zumindest rechtlich die Unschuld herausstellt. In diesem Fall ist ein unheilbarer Schaden entstanden. Stossend, ungerecht, furchtbar für den Betroffenen. Dennoch muss das als Kollateralschaden akzeptiert werden. Weil die Überdehnung der Unschuldsvermutung verhindern würde, dass jede Menge Schweinereien, Mauscheleien, illegale, kriminelle, schändliche Handlungen und Verhaltensweisen aufgedeckt würden.

Um die Möglichkeit eines Kollateralschadens zu vermindern, gibt es Regeln und Schutzmechanismen. Zunächst einmal muss die beschuldigte Person (das Gleiche gilt natürlich auch für Institutionen und Firmen) vor Veröffentlichung mit den Vorwürfen konfrontiert werden und die Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten. Damit hat sie die Chance, entweder mit der juristischen Keule (superprovisorische Verfügung auf Unterlassung der Veröffentlichung oder rechtliche Schritte in Sachen üble Nachrede usw.) zu drohen. Oder die Anschuldigungen als falsch zurückzuweisen. Oder eigenes Fehlverhalten einzuräumen und sich dafür zu entschuldigen. Was meistens, im persönlichen Bereich eigentlich immer, zu einem schnellen Ende des Skandals führt. Der ehemalige CVP-Präsident Christophe Darbellay hat das im Fall seines Seitensprungs mit Fruchtfolge grossartig vorexerziert. Völlig zu Recht wurde über dieses Fehlverhalten eines christlichen Politikers berichtet, der sich heuchlerisch als bibeltreu und glücklicher Familienvater inszenierte. Er selbst benützte dann ein Boulevardblatt, um gegen Exklusivität ein «mea culpa» abzusondern, ansonsten eisern zu schweigen und so seine Wahl in die Walliser Regierung zu retten.

Aus Angst, mit einer Fake News das eigene Image zu beschädigen, wird kein seriöses Medium zur Veröffentlichung einer Anschuldigung schreiten, wenn es dafür nicht genügend Belege, Quellen, Indizien, Dokumente gibt. Nicht nur dem «SonntagsBlick» steckt noch der Fall Borer in den Knochen, als das Boulevardblatt dem damaligen Schweizer Botschafter in Berlin einen Seitensprung unterstellte, aber nicht beweisen konnte und deshalb eine öffentliche Entschuldigung abdrucken und eine Millionenentschädigung abdrücken musste.

Ein gröberes Problem stellen aber komplizierte Fälle dar. Rein theoretisches Beispiel: Die Behauptung, Vincenz habe in die Raiffeisen-Kasse gegriffen, liesse sich relativ einfach verifizieren oder falsifizieren. Die Frage, ob er sich bei komplizierten Geschäftsübernahmen unstatthaft oder gar unrechtmässig bereichert hat, muss zunächst in einem Straf- und später wohl auch einem Zivilverfahren abgeklärt werden. In einem anderen Fall wurden beispielsweise die Verwaltungsräte der Swissair von jeder Schuld am Bankrott der stolzen Schweizer Airline freigesprochen, obwohl sie einwandfrei wohlbezahlte Versagerräte waren. Und dann gibt es Fälle wie den zu Recht von Köppel angeführten Bankier Oskar Holenweger, der um seine Bank gebracht und nach achtjährigen Untersuchungen vollständig freigesprochen wurde. Er ist genau ein solcher Kollateralschaden, wie Hildebrand auch. Da im Fall Vincenz noch kein Gerichtsurteil vorliegt (und es noch Jahre bis dahin dauern wird), ist eine Verdachtsberichterstattung selbstverständlich erlaubt.

Ein weiteres Problem der heutigen Medienlandschaft besteht allerdings darin, dass immer weniger Ressourcen für eigene Recherchen vorhanden sind. Gleichzeitig ist es aber so, dass Mainstream-Medien dem kleinen Blog «Inside Paradeplatz», der schon seit Jahren unermüdlich den Fall Raiffeisen und Vincenz verfolgt, nicht die ganzen Lorbeeren überlassen können und wollen. Also werden eigene Nachrecherchen durch zunehmende Skandalisierung ersetzt. Entweder, indem man die übliche Rücktrittforderungskeule hervor nimmt oder ein kostenloses Interview mit einem «Spezialisten» führt, der den Mann oder den Fall bereits vor einem Urteil für «erledigt» hält. Ins Archiv entsandte Reporter dürfen dann noch eine Weile aus alten Artikeln abschreiben, stossende Verhaltensweisen in der Vergangenheit (Salär, Helikopterflüge, Vetternwirtschaft) aufwärmen. Werden sie zur Verteidigung ins SMD geschickt, berichten sie über vergangene Wertsteigerungen, Erfolge, Macherqualitäten. Als ob das eine oder das andere mit der Frage zu tun hätte, ob sich Vincenz in ganz konkreten Fällen eines Fehlverhaltens schuldig gemacht hat oder nicht.

Eigene Recherchen werden zudem mangels Mitteln durch Moralisierungen ersetzt. Interessant wäre zum Beispiel das enge Verhältnis zwischen Vincenz und der während des Steuerstreits mit den USA amtierenden Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Welcher Wirtschaftsredaktor hat noch die Zeit (oder die Kompetenz), sich komplizierte Verträge zu besorgen, sie zu analysieren und für den Leser verständlich die Knackpunkte aufzubereiten. Stattdessen ist das Schwingen der Moralkeule («unanständig von Vincenz» versus «unanständig gegen Vincenz») wohlfeil.

Für ihn im Besonderen gilt, dass er als in der Öffentlichkeit stehender Mensch genügend Nehmerqualitäten haben muss. Eine Archivsuche fördert im Wohlfühl-Blatt «Schweizer Illustrierte» immerhin 72 Erwähnungen von Pierin Vincenz zu Tage. Alle selbstverständlich positiv. Bis auf den letzten, wo eine angebliche «Star-Philosophin» mit der knallharten Frage konfrontiert wird, ob denn «jeder ein kleiner Vincenz» sei. Nun, der ehemalige «Star-Banker» wollte offenbar sein Vermögen mehren. Medien wollen ihre Auflage oder Einschaltquote mehren. Beide mit allen Mitteln, die rechtlich zulässig sind. Und das Publikum will gerne Skandalgeschichten wie die über einen gefallenen «Star-Banker» lesen. Und sich über seine mögliche Schuld oder darüber, dass seine zu vermutende Unschuld mit Füssen getreten wird, erregen. Und wen’s nicht interessiert: Niemand ist dazu gezwungen, entsprechende Meldungen zu lesen. Weder in den Mainstream-Medien noch in der Weltwoche.

Leserbeiträge

Markus Böniger 12. März 2018, 14:49

„Ein weiteres Problem der heutigen Medienlandschaft besteht allerdings darin, dass immer weniger Ressourcen für eigene Recherchen vorhanden sind.“

Es scheint mir aber, dass die Weltwoche viel Zeit in ihre Konstruktionen steckt anstatt korrekt zu recherchieren. Darum würde ich mal meinen, dass mindestens bei der Weltwoche kein Mangel an Ressourcen für eigene Recherchen vorhanden ist. 😉

 

Hermann Lei 12. März 2018, 19:29

Zeyers Text ist in seiner Grundannahme schon falsch: Hildebrand stolperte beileibe nicht „über ein Währungsgeschäft, das vom Konto seiner im Kunsthandel aktiven Gattin getätigt wurde“. Sondern es war Herr Hildebrand, der zwei (!) Tage bevor er den Dollarkurs in die Höhe schnellen liess, zwei Drittel seines verfügbaren Jahreseinkommens in Dollars wechselte. Auf seinem Konto, nicht auf dem der Frau. Es gab auch kein „Dauerfeuer des Blatts“, sondern einen (!) Artikel der Weltwoche. Und der Rücktritt erfolgte zu schlechter Letzt nicht „wegen seiner äusserst ungeschickten Informationspolitik“. Sondern weil er weder der Öffentlichkeit noch dem Bankrat gesagt hatte, dass er es gewesen war (und nicht seine Frau, wie der schlecht informierte Zeyer heute noch schreibt), der sich mitten in der Währungskrise durch seine Handlungen im Amt privat bereichtert hatte. Was das Obergericht Zürich als „zumindest moralisch höchst verwerfliches Verhalten des Nationalbankpräsidenten“ bezeichnete.

René Zeyer 12. März 2018, 20:22

Falls es sich nicht um einen Namensvetter handelt, hilft es dem Verständnis, dass dieser Kommentarschreiber der Anwalt Hermann Lei ist, der damals gegen den Willen des Datendiebes, der ihm seine Beute zur Aufbewahrung übergeben hatte, Kontoinformationen der Hildebrands weiterleitete. Berühmt wurde er vor allem mit seinem Ausspruch vor laufender SRF-Kamera «ich seich id Hose», als er vom Rücktritt Hildebrands erfuhr. Lei wurde in zweiter Instanz vom Zürcher Obergericht wegen Gehilfenschaft zur Verletzung des Bankgeheimnisses schuldig gesprochen. Also eine unparteiische, seriöse Quelle von Informationen.

Hermann Lei 12. März 2018, 20:25

Und welcher Teil meines Kommentar stimmt nun nicht, Herr Zeyer?

René Zeyer 12. März 2018, 22:05

Um nur einen Punkt unter vielen herauszugreifen: Würden Sie belieben, die Aussage des Obergerichts Zürich über Hildebrand richtig und vollständig zu zitieren? So als seriöse Quelle …

Hermann Lei 13. März 2018, 07:04

Statt sofort zur persönlichen Diskreditierungen zu greifen (s. erste Antwort auf meinen Kommentar) haben Sie es immerhin auf einer sachlichen Ebene versucht. Nur hätten Sie wissen müssse: Ich kenne den Fall, Herr Zeyer, mehr als genug. Das Zitat steht so, Wort für Wort, im Urteil des Obergerichts. Was Sie hingegen geschrieben haben ist nun mal schlicht falsch. Ist es so schwer, das zuzugeben?

Urs Paul Engeler 13. März 2018, 21:41

Ich melde mich in der Regel nicht zu Wort, wenn liebe Kollegen meine Arbeiten  kommentieren, d.h. kritisieren. Das ist ja ihre Pflicht. Wenn jedoch eine derart massive Häufung von nachweisbaren Fehlern, untermalt mit persönlichen Verunglimpfungen, publiziert wird, dann nehme ich, ohne auf die mir seit den Uni-ZH-Zeiten bekannte Politik und Psyche des Schreibers einzugehen, mir das Recht, kurz die wichtigsten Fakten richtig zu stellen.
1.     Entgegen den Behauptungen des Herrn Zeyer, wurde, wie ich am 6. Januar 2012 korrekt geschrieben habe. gegen Philipp Hildebrand eine (später noch eine zweite!) Strafanzeige eingereicht, die allerdings beide von Staatsanwalt Brunner ohne Angabe von Gründen unter den Tisch gewischt wurden. Für rechercherierfähigere Journalisten wäre dies nachzulesen in den Anlageschriften gegen Hermann Lei und gegen Reto Tarnutzer sowie in der Einstellungsfügung in der Causa Christoph Blocher. Auch die NZZ hat darüber eine kurze Notiz verfasst.
2.     In einem Grundsatzartikel in der „Der Sonntag“ (22.1.2012) haben die beiden renommierten SP-Strafrechtsprofessoren Daniel Jositsch und Killias Hildebrand Verhalten als „nicht rechtmässig“ bezeichnet.
3.     Dieser Einschätzung ist übrigens im letzten August auch das Zürcher Obergericht (Urteile in den Causae Lei und Tarnutzer) gefolgt, das Hildebrands Verhalten scharf kritisiert hat, aber mangels Anzeige nicht hat richterlich bewerten können.
4.     Nicht die (inzwischen von P.H. entsorgte) Ehefrau Kashya Hildebrand hat die Entscheidung getroffen, Schweizer Franken in Dollar zu wechseln, sondern P. Hildebrand  selbst. Dies alles ist im Detail nachzulesen im umfangreichen Mailwechsel zwischen Hildebrand und dessen Bankberater bei Sarasin, Felix Scheuber. Dieser Mailwechsel ist auf massiven Druck Scheubers publik gemacht und auf der Website der SNB aufgeschaltet worden. Dort wäre er für seriösere Journalisten nach wie vor abrufbar. Dieser Mailwechsel war auch die Grundlage dafür, dass der einstimmige SNB-Bankrat Hildebrand zum Rücktritt gezwungen hat. Zweite Quelle: SRF-DOK-Film vom Hansjörg Zumstein (14.6.2012).
5.     Schliesslich zur journalistischen Sorgfaltspflicht: Gemäss Entscheiden des Presserats in der Ära Peter Studer ist bei Vorliegen von schriftlich vorliegenden Unterlagen nicht unbedingt das Einholen einer zweite Quelle erforderlich. Allerdings hat der Presserat stets betont, dass die Fakten stimmen müssen, Herr Zeyer.

M. Lohmann 13. März 2018, 21:54

Interessant: Ein linker Journalist verteidigt einen Gauner und Abzocker, der jetzt bei so einer „kapitalistischen Heuschrecke“ (Blackrock) arbeitet.

 

Das sagt doch sehr viel über die „soziale“ Nähe zur Realität der linken Gutmenschen aus… aber gell, wenns von der Weltwoche oder der SVP kommt, dann darf man drauf schiessen, egal wie wahr es ist oder gemäss Monika Stocker „Sozialhilfe in Milliardehöhe lohnt sich Volkswirtschaftlich gesehen, weil das Geld wieder zurück in die Wirtschaft fliesst“….

René Zeyer 14. März 2018, 00:52

Bin gerade in Replizierlaune. Dass ich als „linker Journalist“ und „Gutmensch“ bezeichnet werde, freut mich als gelegentlicher „Weltwoche“-Autor ungemein. Und was ich von Sozialhilfe halte, kann man gerne in meinem Buch „Armut ist Diebstahl“ nachlesen. Ein letzter Irrtum: Ich verteidige keineswegs das Verhalten von Hildebrand, aber die Respektierung der Unschuldsvermutung und den Rechtsstaat als unseren Schutzwall gegen Babarei, einen medialen Pranger und Urteile durch Volkes Stimme. Aber eben, eine klare Meinung, jedoch keine Ahnung haben, das ist eine gute Voraussetzung, um einen Kommentar abzusondern.

René Zeyer 14. März 2018, 10:09

 
Also eigentlich ging es mir in meinem Artikel um die Doppelmoral der «Weltwoche» und das Problem der Unschuldsvermutung. Aber offensichtlich verbeissen sich hier zwei damalige Protagonisten in zwei Absätze einer längeren Abhandlung. Also sei’s drum, betreiben wir weiter Wahrheitsfindung.
 
Was Urs Paul Engeler «seit Uni-Zeiten» über meine «Politik und Psyche» wissen will, ist mir nicht erfindlich. Ich weiss nur, dass eine absurde von ihm kolportierte und in der «Weltwoche» veröffentlichte Behauptung, ich sei an der Uni jeweils mit dem «Kapital» von Marx auf dem Beifahrersitz vorgefahren, dem Blatt eine lustige Gegendarstellung einbrockte.
 
Es wäre wohl besser gewesen, wenn Engeler seiner Regel treu geblieben wäre, dass er sich nicht zu Wort melde, wenn liebe Kollegen seine Arbeit kritisieren. Denn der Wahrheitsgehalt seiner Behauptungen über die Affäre Hildebrand ist nicht viel höher als im obigen Beispiel.
 

1. Engeler schrieb am 5. (nicht am 6., aber das spielt nun keine Rolle) Januar 2012: «Der Sarasin-Banker hat Strafanzeige eingereicht gegen Insider-Dealer Hildebrand.» Geben wir einem Pensionär die Chance, sich zu hintersinnen: Stimmte das oder nicht?

2. UPE, Strafrechtsprofessoren, die öffentliche Meinung oder wer auch immer mag behaupten, dass das Verhalten von Hildebrand «nicht rechtmässig» gewesen sei. Engeler unterschlägt dabei, dass einer der von ihm zitierten Rechtsprofessoren, Daniel Jositsch, als Parteiengutachter im Prozess für den Whistleblower und seinen Anwaltskomplizen aufgetreten ist, also alles andere als unparteiisch ist. Das ändert vor allem nichts daran, dass Hildebrand nicht angeklagt und auch nicht verurteilt wurde. Zudem in zusätzlichen Untersuchungen von jedem Verdacht freigesprochen wurde, gegen irgendwelche Reglemente oder Bestimmungen verstossen zu haben. Also unschuldig war und ist. Engeler hingegen hat die Unschuldsvermutung aufs Übelste missachtet. Es mag anrüchig gewesen sein, was Hildebrand tat, wahrscheinlich sollte man das als Präsident der Schweizerischen Nationalbank schlichtweg nicht tun, ob erlaubt oder verboten. Aber das war nichts im Vergleich zum Schlag mitten in die Fresse des Rechtsstaats, den Engeler zu verantworten hat.

3. Das Zürcher Obergericht soll Hildebrands Verhalten in seinem Urteil gegen den «ich seich id Hose»-Anwalt Lei (und gegen den Sarasin-Banker, dessen Namen Engeler hier ohne Not oder Rücksicht auf Quellenschutz vollständig verwendet) «scharf kritisiert» haben? Nun, es führt als mildernden Umstand und Begründung für die Herabsetzung des Strafmasses an, dass zu befürchten stand, dass ein skandalöses Verhalten von Hildebrand nicht weiter untersucht würde. Wenn Engeler schon dieses Urteil bemüht, sollte er nicht so selektiv vorgehen. Es kritisiert nämlich vor allem den verurteilten Anwalt und Mittelsmann Lei, der sich «nicht nur von ideellen Motiven» habe leiten lassen. Ausserdem hält das Obergericht fest, dass der eigentliche Datendieb, der seine Beute bei Lei deponierte, davon habe ausgehen können, dass hier ein Anwaltsverhältnis existiere, Lei diese Raubdaten entgegen der klaren Anweisung des Datendiebs nicht habe weitergeben dürfen. In erster Linie wird hier das Verhalten der beiden Angeklagten (und, im Gegensatz zu Hildebrand, Verurteilten) scharf kritisiert und auch bestraft. Immerhin hat Engeler erkannt, dass bei diesem Prozess nicht Hildebrand vor Gericht stand.

4. Wer genau hat die «Entscheidung» für die Devisengeschäfte getroffen? Das lässt sich letztlich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, spielt aber keine Rolle, da Hildebrand kein Fehlverhalten nachgewiesen wurde.

5. Eine Quelle, zwei Quellen, egal, wenn die Fakten stimmen, behauptet Engeler. Nun, machen wir den Faktencheck: Stimmt die Behauptung Engelers, er habe mit mehreren Informanten (oder «zuverlässigen Seiten») Kontakt gehabt? Stimmt die Behauptung Engelers, er habe mit der von ihm grossmäulig «Deep Throat II» genannten Quelle Kontakt gehabt? Stimmt es, dass der Datendieb mit der Weitergabe seiner Screenshots an Engeler nicht einverstanden war? Stimmt es, dass bei der Faksimile-Wiedergabe der Kontoauszüge manipuliert wurde? Engeler kennt die Antworten.

 
Und schliesslich: Engeler hat wirklich Schwein gehabt, dass er damals nicht wie der stellvertretende Chefredaktor der «Weltwoche» wegen übler Nachrede angeklagt wurde. Denn diese Unverschämtheit war zweifellos einklagbar: «Der vielgerühmte und auffällig geschniegelte Herr Hildebrand selbst entpuppt sich als Gauner, der sich illegal Vorteile erschleicht.» Eine in der Tonlage ähnliche Charakteristik von Engeler müsste lauten: ein altersstarrsinniger Rechthaber, der auch Jahre später nicht einzusehen vermag, dass er damals im roten Bereich drehte und falsch lag. Denn als Sahnehäubchen forderte er 2012 nicht nur den Rücktritt von Hildebrand, sondern wenn schon, denn schon: «Damit sind die Revisionsfirma PwC, der elfköpfige Bankrat mit alt Nationalrat Raggenbass (CVP, TG) als Präsident, Kurt Grüter, der Chef der Finanzkontrolle, sowie die Bundesrätinnen Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), Doris Leuthard (CVP) und Bundesrat Johann Schneider-Ammann (FDP) Teile einer eigentlichen Staatsaffäre – und nicht mehr tragbar.» Dass Engeler nicht gleich den Rücktritt des Gesamtbundesrats und die Auflösung des Parlaments verlangt hat, zeugt von seiner Fähigkeit zur Mässigung.
 
Aber im Ernst: Was damals geschah, war ein erster Vorläufer einer üblen Entwicklung. Medien spielen sich als Ankläger, Richter und Henker in einer Person auf. Besonders stossend ist das, wenn dem Angeschuldigten nicht einmal die Möglichkeit zur Stellungnahme vor Publikation eingeräumt wird, was Anstand und Standesregeln zwingend vorschreiben. Dass Hildebrand unschuldig war und ist, was immer man von seinem Vorgehen halten mag, sollte das Einzige sein, was in einem Rechtsstaat zählt. Engeler und Konsorten ist das aber anhaltend egal, das ist bedenklich und beunruhigend.
 

Hermann Lei 14. März 2018, 13:40

Letztmals: Ihre Grundannahmen sind falsch, Herr Zeyer, einfach falsch. Daran ändert auch nichts, wenn andere Leute in ihrem Leben auch etwas falsch gemacht haben. Und daran ändert auch nichts, wenn Sie mich fortwährend verunglimpfen. Auch dann bleibt falsch, was Sie geschrieben haben.

Damit beende ich die Schreiberei hier und sende herzliche Grüsse nach Berlin! H. Lei

Remo 21. April 2018, 20:28

Zitat: „Es mag ungeschickt oder anrüchig gewesen sein, dass seine Frau Währungsgeschäfte tätigte. Aber bei Hildebrand bestätigte sich die Unschuldsvermutung.“

1. Seine Frau wird zuvor Kunsthändlerin genannt. Richtig. ABER: Sie war davor lange im Derivatehandel tätig und wußte, was politisch exponierte Personen sind und daß diese besonderen Vorschriften unterliegen.

2. Die Geschäfte wurden von Hildebrand in Auftrag gegeben wie die Untersuchung zeigt.

3. „Unschuldsvermutung bestätigt“: Ja wirklich? Warum zahlte er als „Unschuldiger“ dann 60.000 Fr. Gewinn zurück? Warum trat er zurück? Nur, weil jemand im juristischen Sinne möglicherweise unschuldig ist, weil es eine Gesetzeslücke gibt (weil man sich gar nicht vorstellen konnte, daß ein SNB-Präsident spekuliert mit Devisen), ist keine Unschuld gegeben. Jedenfalls zumindest nicht im moralischen Sinne.

Ansonsten: Sehr gut beleuchtet wurde hier die Frage, was Journalismus darf und nicht.

Wie letztlich jeder dazu steht, muß er als Journalist wissen.

Ich teile die Auffassung des Autors, daß hier Köppel sich irrt. Unter dem Originalartikel der Weltwoche steht ein Kommentar, daß ein Journalist, der von der Unschuldsvermutung ausgeht, morgens gar nicht erst aufzustehen brauche.

Noch zur im Artikel angeführten Verurteilung von Weltwoche-Autor Philipp Gut: Ich habe den verlinkten Artikel mit Interesse gelesen. Und aus ihm geht hervor: Gut kann durchaus unschuldig sein. Trotz Verurteilung. Denn er wurde verurteilt, weil er sich weigerte, seine Quellen (Quellenschutz) ans Messer zu liefern.

Man sieht also „unschuldig“ ist ein relativer Begriff.