Mehr schlecht als rechts
In den acht Jahren unter der Führung von Markus Somm machte die «Basler Zeitung» immer wieder mit Fehlleistungen von sich reden. Ein Rückblick auf die grössten Entgleisungen.
Nun also doch: Die BaZ wird verkauft, Markus Somm bleibt höchstens noch ein halbes Jahr Chefredaktor. Kommentatoren aus dem konservativen Lager betonen dieser Tage gerne, die rechtsbürgerliche BaZ sei eine Bereicherung für die Schweizer Medienlandschaft gewesen. Der Tenor: Die BaZ würde – trotz gelegentlicher Fehlleistungen – nur deshalb kritisiert, weil ihre politische Ausrichtung dem vermeintlichen linken Mainstream nicht passe. Man würde diese Stimme bald vermissen, meinte Daniel Gerny in der NZZ. Und René Zeyer schrieb an dieser Stelle, die BaZ biete Denkstoff, fordere zum Widerstand heraus, sei immer anregend.
Ich habe kein Problem damit, zuzugeben, dass mir die Somm’sche BaZ auch aufgrund ihres rechtsnationalen Kurses missfällt. Trotzdem ist es unangebracht, so zu tun, als sei sie nichts weiter als eine gewöhnliche, gar eine gute Regionalzeitung, nur halt eben etwas weiter rechts als andere Blätter. Nein, mit Markus Somm hat eine neue Art von Journalismus am Aeschenplatz Einzug gehalten. Ein Journalismus, der sich als politisches Projekt versteht, der gezielt Kampagnen fährt, der skandalisiert und vor Falschmeldungen nicht zurückschreckt. Kein Zweifel: Ein Grossteil der Zeitung besteht nach wie vor aus neutralen Newsmeldungen, differenzierten Kommentaren, brauchbaren Recherchen. Aber die Kampagnen, die Pseudo-Skandale und Fake News sind zu häufig, als dass man von vereinzelten Ausrutschern sprechen könnte. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.
Zeit, noch einmal die grössten Entgleisungen der Somm’schen BaZ Revue passieren zu lassen. Die Leserin möge für sich selbst entscheiden, ob sie diese Zeitung vermissen wird.
Bahnerth pubertiert
Es war der erste grosse Aufschrei über einen BaZ-Artikel. Weil SP-Regierungsrätin Eva Herzog für ein Porträt nicht mit ihm sprechen wollte, schrieb Michael Bahnerth 2012 einen Artikel, der vor Spekulationen und sexistischen Klischees nur so strotzte. Die gefärbten Haare, der «sündige Hüftschwung», sogar eine frei erfundene Affäre mit einem Regierungskollegen: Bahnerth hatte nichts zu sagen und sagte es ausführlich. Eine Nicht-Geschichte, wie sie wohl in keinem anderen grösseren Medium publiziert worden wäre.
Die Empörung in der Stadt war gross, Eva Herzog erlebte Solidarität von fast allen Seiten. Der Regierungsrätin hat der Artikel, über den sie sich damals furchtbar aufregte, letztlich wohl mehr genützt als geschadet.
Auch Bahnerth hat er eine gewisse – wenn auch zweifelhafte – Berühmtheit eingetragen. Seither schreibt er in ähnlichem Stil weiter: Schamlos persönlich, gerne sexistisch, manchmal halbwegs witzig, meistens ziemlich doof. Er bedient damit ein treues Stammpublikum. Eric Weber, der bekannte Rechtsaussen-Politiker und Hinterteil-Zeiger, schreibt etwa unter jeder seiner Kolumnen einen begeisterten Kommentar. Ein Grossteil der LeserInnen, selbst im BaZ-Online-Kommentarbereich, findet es eher zum Gähnen. Gleichwohl wäre es wenig überraschend, wenn der Name Bahnerth schon bald im Impressum einer Zürcher Wochenzeitung stünde.
Skandal um Skandal mit Daniel Wahl
Wenn es darum ging, echte und vermeintliche Skandale aufzudecken, stand Markus Somms BaZ immer bereit. Einer der eifrigsten Aufklärer war Daniel Wahl, früherer Telebasel-Reporter und Mitglied einer evangelikalen Pfingstgemeinde. In Erinnerung bleibt etwa sein «Skandal» um Sexualaufklärung in einer Binninger Schule: Ohne Angabe weiterer Quellen druckte Wahl einen Text, den die «Klasse 3s» angeblich aus eigenem Antrieb für die BaZ verfasst hatte. Was nirgends erwähnt wurde: Eine der Schülerinnen der betroffenen Klasse war Wahls eigene Tochter. Elterliche Empörung gemischt mit religiöser Prüderie: Kein ideales Fundament für seriösen Journalismus.
Anfang 2018 ging es in Wahls Welt dagegen tierisch zur Sache: «Forellenwahn in der ‚Walliser Kanne‘», wehklagte er, weil eine Amtstierärztin dem Wirt Vorschriften bezüglich der Haltung von Forellen machte – nicht ohne zu betonen, dass die Tierärztin Deutsche sei. Und als die gleiche Tierärztin dann auch noch einen Hühnerkäfig beanstandete, platzte Wahl endgültig der Kragen. «Nach Forellenwahn der Hühnerexzess», hyperventilierte er im Februar. Man kann nur hoffen, dass er sich unterdessen wieder beruhigt hat.
Bei aller Lächerlichkeit sind Wahls kleinstbürgerliche Tiraden mit ihrem Bünzli-Slang doch auch symptomatisch für die BaZ unter Somm. In ihrem Übereifer, die Abneigung ihres Chefs gegen staatliche Institutionen zu bedienen, blähte die Lokalredaktion alle möglichen Kleinigkeiten zum Riesenskandal auf. Und schadete damit vor allem der eigenen Glaubwürdigkeit: Zu einfach wurde es für öffentliche Personen, berechtigte Kritik und gelungene Recherchen in der BaZ als politisch motivierte Kampagnen beiseite zu wischen.
Sherlock Holmes jagt Dr. Wessels
Hans-Peter Wessels, SP-Regierungsrat und Baudirektor, ist seit Jahren so etwas wie der Staatsfeind Nr. 1 der Basler Zeitung. War auch manche Kritik berechtigt (man denke an die irreguläre Millionenzahlung nach Saint-Louis), so war doch vieles an den Haaren herbeigezogen. Unvergessen ist etwa die «Schwedenreisli»-Geschichte: Vor einem Stockholm-Besuch des Baudepartements behauptete die BaZ, eine Teilnehmerliste würde beweisen, dass die PartnerInnen der Belegschaft auf Staatskosten mitkämen. Das Amt dementierte und die vermeintliche «Teilnehmerliste» stellte sich als Gästeliste des Weihnachtsessens heraus. Das ganze endete mit einer Rüge des Presserats, was die BaZ nicht davon abhielt, die Geschichte noch jahrelang auszuwalzen.
Selbst Markus Somm bestätigte öffentlich, dass die BaZ im Hinblick auf die Wahlen 2016 gezielte Kampagnen gegen Wessels fuhr – und letztlich scheiterte. Trotzdem versuchte sie es vergangenen Winter erneut. «Wessels brüskiert Wirte», hiess es vor Weihnachten. Der Grund: Wessels’ Departement hatte fürs Weihnachtsessen ein Restaurant im benachbarten Saint-Louis statt in Basel ausgewählt. Christian Kellers Bericht über die Observation der Vorgänge – inklusive stilecht verschwommenem Foto – grenzt an eine Selbstparodie. Man kann sich regelrecht vorstellen, wie ein armer BaZ-Journalist im Trenchcoat vier Stunden lang im Regen stand und den Beamten beim Essen zusah.
Zwei Wochen später die nächste Enthüllung: Regierungsrat Wessels hat sein Velo im Abstellverbot parkiert! Auch hier wird das ungeheuerliche Vergehen mit Fotos nachgewiesen. «Es bleibt die Spekulation nach dem Motiv», schreibt BaZ-Journi Martin Regenass dazu. Das Motiv der BaZ dürfte dagegen klar sein: Die Personalisierung der politischen Berichterstattung so weit zu treiben, dass man Inhalte schliesslich nicht einmal mehr erwähnen muss.
Krasse Vorwürfe ans Unispital
Es war eine tragische Geschichte: Im Sommer 2017 war ein Zwanzigjähriger im Unispital Basel gestorben. Aufgrund eines Polizeiberichts vermutete seine Mutter, man könnte der Leiche illegal Organe entnommen haben. Möglicherweise sei das Spital sogar in den organisierten Organhandel verstrickt. Das Unispital widersprach vehement.
Im Gegensatz zu so manchem BaZ-Skandal handelte es sich hier natürlich nicht um eine Bagatelle. Einen schlimmeren Vorwurf kann man einem Spital kaum machen. Doch Autor Mischa Hauswirth hatte ausser den Aussagen der traumatisierten Mutter keine Quelle, noch nicht einmal ein Indiz. Die ungeheuerlichen Anschuldigungen so zu publizieren, war verantwortungslos. Die BaZ zog die Geschichte nach zwei Tagen noch einmal nach und liess sie dann stillschweigend fallen. Eine Beschwerde beim Presserat ist derzeit hängig.
Von Rechten abschreiben
Pünktlich zu den christlichen Hochfesten versuchte sich die sonst eher säkulare BaZ gerne in religiöser Polemik. So auch an Ostern 2013: «Alle fünf Minuten wird irgendwo auf der Welt ein Christ ermordet», schrieb der damalige stv. Politikchef Thomas Wehrli. Eine gut organisierte Minderheit von Muslimen bereite die Auslöschung des Christentums vor. Sein Gewährsmann: Der «deutsche Soziologe und Islamkritiker Michael Mannheimer». Dumm nur, dass ihm der Journalist Hardy Prothmann daraufhin nachwies, dass es sich bei Mannheimer um den rechtsradikalen Blogger Karl-Michael Merkle handelt und dass ganze Sätze des Artikels von dessen Blog kopiert waren. Kein Wunder, wurde Wehrlis Artikel auf Rechtsaussen-Websites begeistert weiterverbreitet.
Eine Anbiederung der BaZ an die Deutsche Rechte war zuletzt auch auf Facebook spürbar. Dort fanden Artikel aus der BaZ in den letzten zwei Jahren zunehmend Anklang in AfD-nahen Kreisen. Gleichzeitig erhielten rechte Intellektuelle aus Deutschland, etwa der Historiker Jörg Baberowski, mit der BaZ eine Plattform für ihre Positionen. Auch Chefredaktor Somm übernahm den AfD-Duktus eins zu eins, wenn er etwa nach dem Berliner Terroranschlag von «Merkels Toten» sprach. Selbst die langjährige Telebasel-Moderatorin Tamara Wernli, in Basel meistens etwas belächelt, wurde durch ihre antifeministische BaZ-Kolumne in den letzten Jahren zu einer Art Internet-Ikone rechter Kreise in Deutschland. Das Resultat dieser Bemühungen um eine neue Klientel: Viele Facebook-Likes, steigender Ruhm unter AfD-Fans («das neue Westfernsehen»), aber wohl kaum zahlende Kunden aus Deutschland.
Der Propaganda-Dienstleister
Ein einziges Mal hat die BaZ auf eine besonders krasse Fehlleistung schnell und konsequent reagiert. Im Januar 2017 publizierte der Regionalteil eine lange Artikelserie mit Kritik an der Ernennung einer neuen Bankrätin der Basler Kantonalbank. Das Problem: Nach einer Woche ging der Redaktion das Material für weitere Empörung aus und die bürgerlichen Parteien wollten sich nicht mit der Zeitung mitempören.
Die Lösung der BaZ-Redaktion: Man verfasste gleich selber eine Medienmitteilung zu der Angelegenheit und liess sie den vier bürgerlichen Parteien zukommen. Parteipropaganda pfannenfertig aus dem Hause Somm. Dumm nur, dass keine der Parteien bei dem Spielchen mitspielen wollte. Man schreibe seine Verlautbarungen ausschliesslich selber, sagten die ParteipräsidentInnen später.
Als die TagesWoche den Vorfall nach zwei Wochen publik machte, ging alles ganz schnell. Als Verantwortlichen – bzw. Sündenbock – wählte die BaZ einen jungen Redaktor mit einer Vergangenheit als SVP-Kommunalpolitiker. Markus Somm wollte von dessen Tun nichts gewusst haben und liess seinen einstigen Schützling fallen. Der junge Redaktor war schon am nächsten Tag nicht mehr im Impressum zu finden; er wurde ohne öffentlichen Kommentar entlassen. Dabei hatte er wohl bloss versucht, das Programm seines Chefs (die Basler Politik «aus den Angeln heben») konsequent zu Ende zu führen.
Fazit
Ob man Markus Somm vermissen wird oder nicht – klar ist, dass schwierige Zeiten auf die Zeitung zukommen. Die Eingliederung in den Tamedia-Mantel dürfte mit grossen Einsparungen beim Personal verbunden sein. Die Tamedia wird leider kaum bereit sein, die Inlands-, Auslands- und Wirtschaftsredaktion in ihrem heutigen Umfang zu bewahren. Es ist im allgemeinen Interesse, dass die übrige Redaktion, die wohl zu grossen Teilen aus bisherigen BaZ-Journalisten bestehen wird, eine gute Zeitung machen kann. Mit den Mitteln und Methoden der Ära Somm wird das verdammt schwierig.
Scholl Richard 25. April 2018, 20:15
Gloria Victoria!
Schon wieder muss ein rechtspopulistisches Medium aufgeben. Die WOZ wirds freuen. Möge die schweizerische Medienlandschaft sauber und politisch noch korrekter werden.
Arnold Ganz 27. April 2018, 09:11
Dieser Verriss der BaZ, samt allem was zu ihr gehört, von Fabian Baumann, zeichnet sich in allen Punkten darin aus, was er der BaZ vorwirft. Eine hämische Aufzählung auf Waschküchen-Niveau, wie man sie je nach politischem Standpunkt wahrscheinlich zu jeder Zeitung produzieren könnte. Keine Glanzleistung der MedienWoche!