Das war die bisher beste BaZ
Am Ende entschied Christoph Blocher als Geschäftsmann. Mit dem Verkauf seiner «Basler Zeitung» setzte er der «interessantesten Tageszeitung» der Schweiz ein Ende. Was Kritiker nicht wahrhaben wollen: Die BaZ-Redaktion genoss Freiheiten und schuf Freiräume, wie es sie sonst kaum noch gibt in den Schweizer Medien. Das durfte auch unser Autor René Zeyer mal für mal erfahren. Sein Lob auf die anarchische Vielfalt des BaZ-Journalismus.
Die «Basler Zeitung» ist bis heute die interessanteste Tageszeitung der Schweiz. Sie hat einen meinungsstarken Chefredaktor, der sich die alte NZZ-Tradition gönnt, jeden Samstag seine Sicht der Welt zu veröffentlichen. Und ansonsten Rede und Gegenrede, Sternstunden des Journalismus auch zu völlig unaktuellen Themen zulässt. Wo sonst kann ein Stück über eine legendäre Party von Truman Capote erscheinen? Um nur ein Beispiel unter so vielen zu nennen. Wie erklären sich all die Dummschwätzer, die die BaZ als «Blocher-Organ», als «rechtes Hetzblatt» abqualifizieren, dass nirgendwo sonst in der Schweiz eine dermassen ausführliche Kuba-Berichterstattung gepflegt wurde?
Die meisten anderen Schweizer Tageszeitungen, ich habe da Erfahrung, knicken normalerweise ein und kriechen zu Kreuze.
Natürlich, weil sich der Autor dieser Zeilen seit mehr als 30 Jahren mit Kuba beschäftigt und meine Artikel offenbar das einzige Kriterium erfüllten, das Markus Somm für eine Publikation aufstellte: Es muss interessant sein. Mutig ist dieser Somm auch. Nicht allzu selten bekam er nach einer Breitseite von mir gegen unfähige Schweizer Bankenlenker das übliche Schreiben einer Zürcher Anwaltskanzlei, dass man die Vertretung der UBS oder der CS anzeige, in einem Artikel von Zeyer Rufschädigung, Geschäftsschädigung, Beleidigung, üble Nachrede usw. enthalten sei. Und das könne nur durch einen Rückzug des Artikels plus Entschuldigung geheilt werden, und wenn nicht, behalte man sich alle weiteren Schritte vor und stelle mal einen Streitwert von mindestens 100’000 Franken in den Raum. Die meisten anderen Schweizer Tageszeitungen, ich habe da Erfahrung, knicken normalerweise ein und kriechen zu Kreuze. Oder, ungelogen, schlagen mir vor, dass ich doch das Prozessrisiko übernehmen solle, dann bleibe man standhaft.
Anders Somm. Er vertraut mir, dass ich die rechtlichen Grenzen kenne und nicht überschreite. Daher folgte diesen leeren Drohungen auch niemals ein Prozess. Aber das muss man sich erst mal trauen. Wie auch eine Debattenkultur, die heutzutage einmalig ist im Schweizer Presseeinheitsbrei. Wer kritisiert oder angerempelt wird, bekommt in der BaZ immer Gelegenheit, zu replizieren. Manchmal gibt es auch noch eine Duplik, und dann ist mal gut. Das ist Publizistik im besten Sinne der Aufklärung. Nur durch möglichst freie Rede und Widerrede, lediglich eingeschränkt durch die Regeln von Sitte und Anstand, entsteht Erkenntnisgewinn, Analyse, Fortschritt. Bin ich als BaZ-Autor hier Partei? Aber natürlich, nur: na und?
Vor allem in der Anfangszeit verliessen einige Redaktoren unter Absingen wüster Lieder die BaZ – und flüchteten zur Tageswoche. Aber sie waren immerhin so anständig, dass keiner, kein einziger Somm vorwarf, er habe als Chefredaktor inhaltlich Einfluss auf einen Artikel genommen, zensuriert oder umgeschrieben. All das geht im hohntriefenden Triumphgeheul der Phalanx der Gegner der BaZ unter. Für die ist die aktuelle BaZ ein «Trümmerblatt», linke Kolumnisten in der Zeitung wie der SP-Doyen Helmut Hubacher ist für die Tageswoche ein «welkes Feigenblatt». Welch roher Zynismus aus der Verliererecke.
In das Frohlocken über das Scheitern Blochers mischt sich aber raunendes Bedenken über seine Ankäufe von lokalen Gratisanzeigern. Als Gegengeschäft bekommt sein kleines Zeitungsimperium das «Tagblatt der Stadt Zürich». Amtliche Anzeigen, lokale Informationen, Kolumnen der Stadträte, launige Berichte über die Gastroszene oder die Neueröffnung eines Coiffeursalons. Vertraglich als Amtsblatt der politischen Neutralität verpflichtet. Aber das lässt die Zürcher Grünen im roten Bereich drehen und in Schnappatmung verfallen. Flugs bringen sie einen Kleber für Briefkästen in Umlauf: «Keine SVP-Propaganda. Kein Tagblatt!» Im Ernst jetzt?
Hat hier also der Pluralismus, die Meinungsfreiheit, der öffentliche Diskurs gesiegt? Nein.
In Basel hält sich übrigens die Begeisterung – ausserhalb der publizistischen Konkurrenz – in engen Grenzen. Die von einigen als Zürcher Invasion empfundene Besitzerschaft der BaZ ist demnächst weg. Aber ersetzt wird sie durch etwas eigentlich noch Schlimmeres: Durch eine Zürcher Einheitssauce, die sich aus einer Zentralredaktion in den ersten Bund der BaZ ergiessen wird. Politik, Wirtschaft, Kultur – und auch Sport – der gleiche Brei in Bern, Basel und Zürich. Hat hier also der Pluralismus, die Meinungsfreiheit, der öffentliche Diskurs gesiegt? Nein. Nur Dummköpfe, denen der Schaum vor dem Mund, wenn sie nur schon den Namen Blocher hören, den Blick auf die Realität verstellt, können den Verkauf der BaZ begrüssen.
Christoph Blocher hat sich mit dieser Entscheidung sicherlich über die beiden Mitbesitzer Markus Somm und Rolf Bollmann hinweggesetzt. Obwohl die zusammen offiziell 66 Prozent besitzen, Blocher nur die restlichen 34 Prozent. Aber in dieser Dreierrunde gibt es nur einen Milliardär, und das macht den Unterschied aus. Der Milliardär hat einen kaufmännischen Entscheid gefällt. Obwohl die BaZ zurzeit Erträge abwirft, werden die vorhersehbar kleiner werden, der Krebsgang der Printmedien wird sich unweigerlich fortsetzen. Zudem hätte die BaZ bei einer unabhängigen Fortführung dringlich einiges Geld für einen eigenen Internetauftritt in die Hand nehmen müssen. Also beschloss Blocher, die Gans zu verkaufen, solange sie noch ein paar Eier legt. Aus geschäftlicher Sicht völlig richtig. Aus gesellschaftspolitischer Sicht fatal und falsch. Denn Blocher ist nicht nur Geschäftsmann, sondern auch Politiker mit einer Mission. Unter anderem will er die Unabhängigkeit der Schweiz, ihre basisdemokratischen Strukturen und ihre Pluralität bewahren. Das ist ihm in Abstimmungskampagnen durchaus einiges Geld wert. Wieso er es unter diesem Titel der BaZ nicht weiter ermöglichen wollte, eine unabhängige, quer im Mainstream liegende und erfrischende Quelle unbequemer Positionen und Meinungen zu sein, ist völlig unverständlich.
Frank Hofmann 22. April 2018, 19:37
Treffende Analyse eines Topjournalisten, dessen Texte man wohl in Zukunft vermissen wird. Einzig mit dem Schluss stimme ich nicht überein. Der Verkaufsentscheid zeigt, entgegen den Behauptungen der Blocher-Gegner, dass für CB eine Zeitung kein politisches Projekt ist, jedenfalls nicht à tout prix. Was wären die Alternativen gewesen? Eine Fanclub-, pardon Verleger-Zeitung? Funktioniert nur bei den Links*liberalen*. Hungerlöhne für Journalisten? Geht nur bei radikal linksgrüner Redaktion und Leserschaft. Selbst das Projekt überregionale Sonntagszeitung wurde verworfen, was sehr schade ist, aber das Risiko wäre sehr gross gewesen. Das Geschäftsmodell kostenpflichtige gedruckte Tageszeitung geht dem Ende entgegen, das wird Tamedia gerade in Basel erfahren. Und Online funktioniert bloss, wenn gratis.
Henri Leuzinger 25. April 2018, 13:18
Ach, endlich mal einer, der lobt und hudelt, was das Zeug hält, so nach der WeWo-Devise: wenn alle Welt dagegen ist, sind wir dafür. Das der Kollege dabei in die gleich Falle tappt, die er in seiner Laudatio den BaZ-Kritikern vorwirft, stört ihn nicht weiter. Hauptsache: Die versommte BaZ-Periode wird verklärt.
Immerhin, zur Meinungsvielfalt über das bisherige und künftige BaZ-Schicksal trägt der Text gewiss bei.
Die BaZ ist tot, es lebe der journalistische Einheitsbrei ! 22. Mai 2018, 23:46
vielleicht liegt es ja gar nicht nur an den Printmedien an sich ? Ich kann diese europhilen, linkstriefenden Artikel all dieser Zeitungen ebenfalls nicht mehr lesen…..