Promi-Namen als Heftli-Marken
Ein neuer Trend beschert der Printbranche wieder Erfolge. Personalisierte Magazine wie «Barbara», «Guido», «Lafer» und Co. verkaufen sich am Kiosk wie warme Weggli. Sie begeistern Fans und Verlagshäuser. In der Schweiz sind die Verlage noch nicht auf den rollenden Zug aufgsprungen. Am ehesten würde dies Ringier Axel Springer tun. Ein paar Namen hat der Verlag bereits im Visier.
Am Anfang war «Barbara». 2015 bringt das deutsche Verlagshaus «Gruner + Jahr» das erste personalisierte Magazin auf den deutschsprachigen Markt. Namensgeber ist die Fernsehmoderatorin, Schauspielerin und Sängerin Barbara Schöneberger (45). Ihr Magazin, das sich im Untertitel als «Kein normales Frauenmagazin» anpreist, mischt seither den mit rund 300 Titeln nicht allzu jungfräulichen Markt der Frauenmagazine ordentlich auf. Die aktuelle Ausgabe, Nummer 34, vom April 2019 lockt mit Themen wie «Nesthocker – Mit 38 noch zu Hause?», «Warum hast du keine Kinder? – Die blödeste Frage der Welt», «Du bist so peinlich! – Teenager packen aus» – dazu die Titelgeschichte «Viva la Mama». Und klar, vom rosa Cover lächelt im geblümten Tellerkleid Barbara – mit blauen Augen, roten Lippen und zwei Leihbabys auf Armen und in Hüften gestemmt.
Was «Barbara» seit vier Jahren für Frauen ist, ist seit einem Jahr «Dr. v. Hirschhausens Stern Gesund Leben» für Gesundheitsbewusste, Fitnessapostel und Ernährungsexperten. Namensgeber ist auch hier ein Prominenter: Eckart von Hirschhausen (51): Moderator, Mediziner, Zauberkünstler, Kabarettist, Comedian und Schriftsteller. So heisst es in der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Was dort nicht steht: Hirschhausen ist auch Chefreporter. Mit diesem Titel listet ihn sein eigenes Magazin im Impressum auf. In der ersten Ausgabe dieses Jahres widmet sich der lustige Doktor mit roter Tomatennase auf dem Cover der Beziehungspflege, dem Beckenbodentraining, Gefässen und Kreuzband – sowie seiner Spezialität: der Hirschhausen-Diät, dem Intervallfasten.
Von wegen: Print ist tot. Personalisierte Magazine schiessen seit Jahren aus deutschen Verlagshäusern wie andernorts Pilze aus dem Waldboden.
Zwei Magazine unter einem Dutzend. Denn neben «Barbara» und «Dr. v. Hirschhausen» gibt es inzwischen «Guido» (von Modedesigner und Shopping-Queen-Moderator Guido Maria Kretschmer), «Birgit» (von TV-Moderatorin Birgit Schrowange), «JWD» (dahinter steckt Schauspieler und Moderator Joachim «Joko» Winterscheidt), «Lafer» (vom österreichischen Fernsehkoch Johann Lafer), «Daniela» (die Kult-Blondine und das Reality-Show-Sternchen Daniela Katzenberger). Jüngst ins Regal mit den Personality-Magazinen geschafft hat es «Sophia» (dahinter steckt die erst 24-jährige Fitness-Bloggerin, Bodybuilderin und YouTuberin Sophia Thiel) von der Bauer Media Group, im Mai soll «Philipp» folgen, das Magazin des Internetunternehmers Philipp Westermeyer, das vom «Hamburger Abendblatt» herausgegeben wird. Ach ja, auch Fussball-Star Jérôme Boateng («Boa») hat sein eigenes Print-Magazin.
Von wegen: Print ist tot. Personalisierte Magazine schiessen seit Jahren aus deutschen Verlagshäusern wie andernorts Pilze aus dem Waldboden. Apropos Wald. Der deutsche Bestsellerautor und Förster Peter Wohlleben (55) pflanzt sich ebenfalls seit dem 18. April mit «Wohllebens Welt», ein Natur-Magazin, ins Regal der Personality-Magazine. Die guten Namen sorgen für gute Auflagen und bringen letztlich gutes Geld.
Bei «Gruner + Jahr», die mit «Barbara» starteten und «Guido», «Hirschhausen», «JWD» und «Boa» hinterher schoben, ist man bisher sehr zufrieden. «In der Kraft der Persönlichkeitsmagazine liegt deutlich mehr, als wir damals selbst gehofft haben», bringt es eine Verlagssprecherin auf den Punkt. Die Druckauflage bei «Barbara» liegt bei 203’741 Exemplaren (IVW 4/2018), wobei allein 121’959 Hefte am Kiosk verkauft werden. Von «Guido» werden 250’000 Magazine gedruckt, wobei sich die erste Ausgabe gut 200’000 Mal verkaufte und von der zweiten 150’000 Exemplare über den Verkaufstresen gingen. Auch der Verkauf von «Hirschhausens Stern Gesund leben», «JWD» und «Boa» lässt die Kassen klingeln.
«Wir glauben, dass der Erfolg auf der Sehnsucht der Menschen nach Identifikation gründet.»
Gruner + Jahr
Vom Erfolg äusserst angetan ist man beim Jahreszeiten-Verlag, in dem das Testimonial-Magazin «Lafer» erscheint. «Es ist sowohl im Vertriebsmarkt als auch im Anzeigenmarkt über unseren Erwartungen gestartet», sagt Peter Rensmann, Geschäftsführer Marketing und Sales. Deshalb habe man sich jüngst auch getraut, den Copypreis auf 6 Euro anzuheben. Eine weitere Preiserhöhung sei innerhalb des nächsten Jahres geplant. Von den 120’000 Druckexemplaren (je nach Thema und Vorbestellungen) werden mehr als die Hälfte verkauft. 680’000 allein im klassischen Zeitschriften-Einzelhandel inklusive Bahnhofsbuchhandlungen. Da Namensgeber Johann Lafer aus der Steiermark stammt, bedient er zwei «Heimatmärkte» im deutschsprachigen Raum.
Doch was genau ist es, das den Erfolg der Persönlichkeitsmagazine ausmacht? Bei «Gruner + Jahr» heisst es: «Wir glauben, dass der Erfolg auf der Sehnsucht der Menschen nach Identifikation gründet.» Menschen wie Barbara Schöneberger, Dr. Eckart von Hirschhausen, Guido Maria Kretschmer, Jérôme Boateng und Joko Winterscheidt begeistern ihre Fans. Und sie geben in ihren Magazinen viel von sich selbst in ihren Magazinen preis. «Dieses Subjektive macht die Persönlichkeitsmagazine aus», so das Fazit der «G+J»-Verlagssprecherin.
In der Schweiz herrscht (bisher) im Markt der personalisierten Magazine gähnende Leere.
Als Vorbild für den Boom personalisierter Magazine in Deutschland darf mit Sicherheit ein US-Magazin herhalten: «O, The Oprah Magazine» erschien erstmals am 19. April 2000. US-Fernsehtalk-Ikone Oprah Winfrey hat das bei Frauen beliebte Heft zusammen mit dem Medienkonzern Hearst Communication gegründet. Die Auflage der Monatspublikation liegt derzeit bei knapp 2,4 Millionen Exemplaren. Bei «Gruner + Jahr» hält man sich bei der Frage nach Vorbildern für die Personality-Magazine im Haus eher zurück. Nur soviel: «Selbstverständlich gucken wir uns alle Märkte an und haben gesehen, dass solche Zeitschriften im Ausland gut funktionieren.»
In der Schweiz herrscht (bisher) im Markt der personalisierten Magazine gähnende Leere. Dabei gäbe es auch hier Namen mit Potenzial, wie Star-Werber und Buchautor Frank Bodin, 57, überzeugt ist: «Ein ‹Roger›-Magazin wäre bestimmt ein Ass.» Er meint Tennis-Superstar Roger Federer. Einen weiteren Namen, den er ins Spiel bringt: Christa Rigozzi, Ex-Miss-Schweiz und «Schätzchen der Nation». Allerdings, so schränkt Bodin ein, «könnte es bei einem ‹Christa›-Magazin trotz aller Sympathie und deren Bekanntheitsgrad wahrscheinlich schon schwieriger werden». Aus einem simplen Grund: Die Schweiz sei einfach zu klein, um eine wirklich grosse Leserschaft zu erreichen. Für eher denkbar hält er Special-Interest-Magazine für spezifische Zielgruppen. Ein Beispiel? «‹Bligg› für die Musikbranche», so Bodin.
«Sollte es ein solches Personality-Magazin in der Schweiz geben, dann mit Sicherheit von uns.»
Stefan Regez, Ringier Axel Springer Schweiz
Aufmerksam beobachtet man bei Ringier Axel Springer Schweiz (RASCH) die Entwicklung in Deutschland. «Wir prüfen, ob und welche Titel für uns in Frage kommen», sagt Stefan Regez, Leiter Publikumszeitschriften bei RASCH, und er hält fest: «Sollte es ein solches Personality-Magazin in der Schweiz geben, dann mit Sicherheit von uns, denn wir sind diejenigen, die die grösste Erfahrung und das beste Know-how in Sachen Magazine haben in diesem Land.»
Er verweist allerdings auf die ganz anderen Marktverhältnisse in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland. «Der Markt ist bei uns etwa 16-mal kleiner. Wenn ‹Barbara› 120’000 Exemplare in Deutschland verkauft, wären das bei uns auf die Schweiz gerechnet nicht einmal 10’000 Magazine.» Aus diesem Grund müsse man hierzulande anders rechnen. Und noch etwas gilt es laut Stefan Regez in der Schweiz zu beachten. «Die Schweizer ticken ein wenig anders, das gilt auch für unsere Prominenten.» Die sind generell zurückhaltender, und auch scheuer, was den Kult um ihre Person betrifft.
Regez bringt zwei weitere Namen für mögliche personalisierte Magazine in der Schweiz ins Spiel. «Da wäre zum einen Michelle Hunziker, die sowohl im italienischsprachigen Markt als auch im gesamten deutschsprachigen Raum fasziniert.» Der andere Name, den Regez nennt, lautet «Trauffer». Der Mundart-Popsänger und selbsternannte «Alpentainer» Marc A. Trauffer spreche ein sehr grosses Publikum an. «Eine Anhängerschaft, die mehrheitlich weiblich ist, wie die Käuferschaft bei unseren Zeitschriften, allerdings in einem jüngeren Käufersegment zwischen 25 und 45 Jahren», betont Regez.
Ein bekanntes Gesicht allein macht aber noch kein erfolgreiches Magazin.
Ein Prominenter in der Schweiz setzt bereits auf seinen guten Namen: Andreas Caminada. Der Starkoch brachte 2012 erstmals «Caminada» heraus, sein eigenes «Bookazine», eine Mischung aus Kochbuch und Magazin, das seither jeweils halbjährlich auf Deutsch und Englisch erscheint. Neben Rezepten gibt Caminada Einblick in seine Welt und die seiner Freunde und Angehörigen. Unter anderem wird da auch mal der Vater des zweifachen Familienvaters, Fridolin Caminada, porträtiert.
Ein bekanntes Gesicht allein macht aber noch kein erfolgreiches Magazin, ist man bei «Gruner + Jahr» überzeugt. Das gewisse Etwas der Person sei wichtig als Grundlage für ein spannendes Magazinkonzept. «Bei Barbara Schöneberger ist es ihr Humor, bei Guido Maria Kretschmer der Respekt und die Ehrlichkeit, mit der er Menschen begegnet», heisst es. Bei Joko Winterscheidt sei es dessen Abenteuerlust, die das Magazin «JWD» präge, bei Eckart von Hirschhausen dessen Gabe, medizinische Expertise allgemeinverständlich und unterhaltsam zu vermitteln. Genau diese Eigenschaften machten die Persönlichkeiten einmalig. Für Verlagshäuser wie «Gruner + Jahr», «Jahreszeiten Verlag» oder «Bauer Media» besteht die Kunst darin, dieses Einzigartige, für das eine Person steht, in ein Magazin zu transportieren.
Dass die prominenten Journalisten auch Unternehmer in eigener Sache sind, sehen Journalistenverbände kritisch.
Die prominenten Namensgeber leihen den Personality-Magazinen aber nicht nur Gesicht und Namen, sie reden als Editor-at-very-large (Joko Winterscheidt) auch bei der Themenfindung in den Redaktionssitzungen mit, schreiben als Editor-at-Large (Schöneberger) Editorials oder rapportieren als Chefreporter (siehe Hirschausen) von der Abnehm-Front. «Sie sind Teil des Redaktionsteams, nehmen regelmässig an Konferenzen teil, schreiben, führen Interviews, bringen Themen ein – kurz, sie übernehmen redaktionelle Aufgaben», betont man bei «Gruner + Jahr».
Dass die prominenten Journalisten auch Unternehmer in eigener Sache sind, sehen Journalistenverbände kritisch. Insbesondere, dass Produkte von Designer Guido Maria Kretschmer oder Fussballidol Boateng auf redaktionellen Seiten eingestreut werden, stösst sauer auf und geht für Kritiker in Richtung Schleichwerbung.
Den Erfolg der Personality-Magazine aber werden auch die Kritiker nicht bremsen können. Neben «Wohllebens Welt» aus dem Haus «Gruner + Jahr», das am 18. April wieder Grün in die Kiosk-Regale bringen wird, liebäugelt auch der Jahreszeiten-Verlag mit neuen Magazin-Ideen. «Der Erfolg mit ‹Lafer› beflügelt uns, in dieses Wachstumssegment weiter zu investieren», sagt Peter Rensmann. Ende Jahr soll ein weiterer Titel gelauncht werden. Der Name ist noch geheim. Sicher ist nur: Er wird prominent sein.
Dieser Artikel wurde zuerst im Ringier-Unternehmensmagazin «Domo» veröffentlicht.