Medienförderung: Zwischen hehren Zielen und gemeinem Business
Der neueste Vorschlag für eine staatliche Medienförderung trägt die Handschrift der Zeitungsverleger und dient vor allem dem Strukturerhalt ihrer Geschäftsmodelle. Für einen Journalismus mit Zukunft braucht es andere Rezepte.
Mit hehren Zielen hat Bundesrätin Simonetta Sommaruga ein Massnahmenpaket für die Medienförderung angekündigt. Die direkte Demokratie brauche starke und unabhängige Medien. Die Medienökonomie sei in der Krise, aber, so die Medienministerin: «Die Medien sind das Fundament unserer Demokratie.»
Niemand möchte ihr da widersprechen. Und die Krise ist offenkundig. Ein grosser Teil des Werbegeldes fliesst ab ins Internet und dort zu den ausländischen Tech-Giganten und Streaming-Plattformen. Mehrere Tausend Arbeitsplätze sind in den Schweizer Medien verloren gegangen. Gerade noch vier grössere Unternehmen beherrschen in der Schweiz die «demokratiepolitisch relevante Presse» (so der Verlegerverband): Tamedia, CH Media, Ringier und NZZ. Im Windschatten dieser Medientanker pflegt Christoph Blocher ziemlich unbeachtet mit seiner «Swiss Regiomedia» («1 Million Kontakte wöchentlich») seine wirtschaftlichen und politisch-publizistischen Interessen. Und links und rechts dehnen «Weltwoche» und «WOZ» die Spannweite der Meinungsvielfalt ein wenig aus.
Vor diesem Hintergrund wirkt die bundesrätliche Strategie der Medienförderung einigermassen zwiespältig. Sie ruft zwar nach Unabhängigkeit, Vielfalt und redaktioneller Qualität. Aber fördern will sie ein klassisches Geschäftsmodell und überholte Medienstrukturen.
Dieses Fördermodell käme in hohem Mass den dominierenden Verlagshäusern zugute, die schon heute massgeblich von der indirekten Presseförderung profitieren.
Der Bundesbeitrag für eine ermässigte Postzustellung der Presse soll um 20 Millionen Franken auf 50 Millionen jährlich erhöht werden. Zugunsten der Lokal- und Regionalpresse soll die Ermässigung pro Exemplar angehoben werden. Gleichzeitig will der Bundesrat die Obergrenze der förderungsberechtigten Auflage von 40’000 Exemplaren aufheben und auch Zeitungen finanziell unterstützen, die einem Kopfblattverbund angehören. Diese Vorhaben kommen in hohem Mass den dominierenden Verlagshäusern zugute, die schon heute massgeblich von der indirekten Presseförderung profitieren.
Das ist ihnen nicht genug. Der Verband Schweizer Medien verlangt, die Förderung auf die Frühzustellung der gedruckten Presse auszuweiten. Nur so könne «ein tragfähiges Gesamtpaket» für «die Zeitungen als nachweislich wichtigste Mediengattung für die politische Meinungsbildung» geschnürt werden. Untersuchungen der Mediennutzung zeigen in eine ganz andere Richtung: Bei der gelegentlichen Nutzung über alle Altersgruppen ist die bezahlte Tageszeitung hinter Computer, Fernsehen und Radio zurückgefallen. Bei den Digital Natives (14 bis 29 Jahre) allein landete die Zeitung vor zehn Jahren bei der täglichen Nutzung noch auf Platz 5 (hinter Computer, iPhone, TV und Radio), heute ist sie aus diesen Plätzen herausgefallen und steht mit gerade noch 16 Prozent der Nutzung im hintersten Teil der Rangliste.
Die aufgeblasene Forderung der Verleger würde bedeuten, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft innert zehn Jahren rund 1.2 Milliarden Franken in ein mediales Auslaufmodell steckt.
Aber für die gedruckte Presse, die in der bestehenden Form am Ende ihrer Geschichte steht, fordern die Schweizer Verleger, dass der Förderbetrag pro Jahr «um 90 Millionen auf jährlich 120 Millionen aufgestockt» wird, sonst sei die Versorgung der Schweiz mit demokratierelevanten Zeitungsinhalten akut gefährdet». Diese aufgeblasene Forderung würde bedeuten, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft innert zehn Jahren rund 1.2 Milliarden Franken in ein mediales Auslaufmodell steckt. Und all das ohne jeden publizistischen Leistungsauftrag.
Der «Verband Schweizer Online-Medien» reagiert entsprechend harsch auf das Vorhaben. Er listet die bekannten Erträge der Schweizer Medienhäuser auf (Tamedia rund 250 Mio., Ringier 100 Mio., NZZ gegen 50 Mio., AZ-Medien rund 20 Mio. und Somedia Chur gegen 10 Mio.). Und zieht dann den einfachen Schluss: «Subventionsübung für etablierte Schweizer Verleger ist abzubrechen». Ganz so einfach muss man es sich vielleicht nicht machen. Aber mit der Suche nach einer besseren Lösung steht der Online-Verband nicht allein da.
Ausschlaggebend ist für den Bundesrat also das Geschäftsmodell und nicht die Qualität der Medien.
Der Bundesrat will die Online-Medien mit 50 Millionen Franken pro Jahr unterstützen, aber nur Angebote, die kostenpflichtig sind. «Unterstützt wird, wer digitale Medieninhalte verkauft und auf diesem Weg eine längerfristige Finanzierbarkeit der journalistischen Leistungen im Onlinebereich anvisiert.» Ausschlaggebend ist für den Bundesrat also das Geschäftsmodell, das auch die grossen Zeitungsverlage bevorzugen. Von der Qualität der Inhalte ist nicht die Rede.
Gleichzeitig sprach Bundesrätin Sommaruga an der Medienkonferenz aber auch vom «Kerngeschäft» der Medien, und das ist in ihren Worten schlicht und klar: der Journalismus. Und sie sprach von verschiedenen Bezahlformen und unterschiedlichen Produkten: von Tagesabos oder von Podcasts. Wir stehen hier vor einem neuen Suchfeld, auf dem noch andere Lösungen zu finden wären. Sie klang da schon fast wie der noch junge Verband «Medien mit Zukunft», der die Forderung vertritt, nicht mehr Medien zu fördern sondern den Journalismus.
Die digitale Disruption zerreisst alles in der Medienbranche: die Organisation, das Geschäftsmodell, die publizistische Arbeitsweise und die Beziehung zu den Nutzern. Arthur Gregg Sulzberger, seit 2018 Herausgeber der «New York Times», hat gesagt: Die «Times» ist nicht mehr eine Zeitung mit einer Online-Ausgabe, sie ist ein Online-Angebot mit einer Druckausgabe. Der britische «Guardian» wird von einer Stiftung getragen, Chefredaktor Alan Rusbridger hat wie Sulzberger ebenfalls dem Internet den Vorrang gegeben und die interaktive Technologie und die Social Media genutzt, um neben seinem hervorragenden Journalismus auch die Nutzer*innen zu journalistischen Leistungen heranzuziehen. Seine Nachfolgerin Katharine Viner hat diese Strategie konsequent fortgesetzt und das Unternehmen gleichzeitig wieder in die schwarzen Zahlen zurückgeführt. Ein bedeutender Teil der Finanzierung kommt inzwischen von freiwilligen Spenden überzeugter Leserinnen und Leser, denen die Leistungen des «Guardian» am Herz liegen.
Eine Breitenwirkung erreichen diese schweizerischen Online-Medien freilich nicht. Sie kämpfen ausdrücklich noch immer um eine marktfähige Grösse.
In der Schweiz funktionieren solche Modelle nur im Kleinen und auch dort mehr schlecht als recht. «Infosperber» finanziert sich aus Spenden und Werbung auf der Basis einer Stiftung, die «Republik» hat aus den Abonnenten «Verleger» gemacht, «tsüri» finanziert sich durch Beiträge von Geldgebern und durch wiederholte Crowdfundings, und verwurzelt sich in der Gesellschaft durch Bildungsangebote und die aktive Auseinandersetzung mit Stadtprojekten wie der «Smart City». Eine Breitenwirkung, wie sie die grossen englischsprachigen Medien erzielen, erreichen diese Projekte freilich nicht. Sie kämpfen, wie «tsüri», ausdrücklich noch immer um eine marktfähige Grösse.
Journalistische Qualität und demokratisch verankerte Vielfalt ist nicht an ein bestimmtes Bezahlmodell gebunden. Zukunftsfähige Medienförderung durch die öffentliche Hand wird sich über die traditionelle Finanzierungsform der Bezahlschranke auch über die neuen finanziellen Verbindungen zwischen Publikation und Publikum, Anbietern und Nutzern, Gedanken machen müssen. Denn die Disruption zerreisst auch das bisherige Geschäftsmodell der Zeitungsverlage. Aber das ist kein Naturgesetz, das war und bleibt eine betriebswirtschaftliche Entscheidung. Medienhäuser wie Tamedia haben in eigener Kompetenz entschieden, die Inserate aus den Zeitungen herauszureissen und sie in selbständige Unternehmensteile auszulagern. Und wenn das aus technisch-ökonomischen Gründen notwendig war, so ist es auch kein Naturgesetz, das eine Querfinanzierung (oder «Rückfinanzierung») des publizistischen Angebots verbietet aus dem Ertrag dieser neuen digitalen Produkte. Und solange die Gewinne in private Kassen fliessen, stellt sich natürlich die Frage, ob Subventionen in beträchtlicher Höhe, ohne jede definierte publizistische Gegenleistung, für noch immer florierende Unternehmen wirklich der richtige Weg sind.
Solange die Gewinne in private Kassen fliessen, stellt sich natürlich die Frage, ob Subventionen in beträchtlicher Höhe, ohne jede definierte publizistische Gegenleistung, wirklich der richtige Weg sind.
Der Alarm wegen einer Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit durch öffentliche Mittel taugt nicht, wenn es um die Erteilung eines publizistischen Leistungsauftrags geht. Der Bundesrat hat in seinem Auftrag für ein Medienförderungs-Konzept auch die bestehenden Rahmenbedingungen für «die SRG und lokal-regionalen Radio- und Fernsehveranstalter» ausdrücklich bestätigt. Und das schliesst Gebühren in Millionenhöhe für private Veranstalter als Gegenleistung für einen Leistungsauftrag ein, die von Radio- und TV-Sendern nicht ungern akzeptiert werden. Und dieser Leistungsauftrag trägt messbar zur Qualitätssicherung bei. Warum also nicht das Modell, das sich seit Jahren bei Privatradio und TV bewährt auf den Online-Bereich ausweiten?
Unter den Bedingungen der digitalen Revolution ist die indirekte Medienförderung genauso ein Auslaufmodell wie die gedruckte Tageszeitung.
Die Disruption, die Zerstörung der hergebrachten Medienstrukturen, hat nicht nur Organisations- und Finanzierungsaufgaben hervorgebracht, sondern auch Denkaufgaben. So gilt es etwa, die Rahmenbedingungen für den Journalismus unter den veränderten Voraussetzungen neu zu durchdenken. Etwa die sozialen Standards, das heisst: die Sicherung der Arbeitsplätze in ausreichender Qualität, Anzahl und Ausstattung in der digitalen Produktion (Gesamtarbeitsverträge). Die publizistischen Standards in den Redaktionen mit verbindlichen Redaktionsstatuten, publizistischen Leitlinien und einer Abgrenzung gegenüber den kommerziellen (verlegerischen) Funktionen der Medienproduktion.
Unter den Bedingungen der digitalen Revolution ist die indirekte Medienförderung, wie sie die Verleger fordern und der Bundesrat nun gewähren will, genauso ein Auslaufmodell wie die gedruckte Tageszeitung. Für eine legitimierte Medienförderung müssten mit Blick auf die Zukunft vielmehr zwei andere Leitsätze gelten: Öffentliches Geld gibt es, erstens, nur mit einem Leistungsauftrag. Und gefördert werden, zweitens, nicht mehr die Medien; gefördert wird qualifizierter, vielfältiger Journalismus.
Lukas Vogelsang 10. September 2019, 07:55
Ziemlich übler Artikel von einem, der entweder in subventionierten Betrieben gearbeitet oder aber sich dem PR-Journalismus verschrieben hat. Ein Chrüsimüsi von Infos. Es ist nun mal in Zahlen klar gegeben, dass der PRINT zu 2/3 den Journalismus überhaupt finanziert. Digitale Medien schaffen mal nur 1/3 der LeserInnen anzusprechen, während sie aber teurer sind, als Printmedien. Wir können nicht Einzelfälle aus anderen Ländern als Modellbeispiele nennen, es sind immer Einzelfälle, die nicht auf die gesamte Branche funktionieren. Und ich frage mich: Die bisherigen AbonnentInnen waren die älteren Generationen, welche jetzt das Abonnement abbestellen. Noch nie waren Medien finanziell getragen von den Youngsters – und diese werden auch in Zukunft nicht unsere Medien finanzieren, natürlich wünschen wir uns, dass die Youngsters mit dem fortschreitenden Alter den Medien hörig werden. Aber das hat mehr mit der gesellschaftlichen Entwicklung generell zu tun – und mit dem Umstand, dass wenn man älter wird, sich sozial und bildungstechnisch anders verhalten wird. Als ich jung war habe ich keine Abos gehabt. Später war ich stolz ein Abonnent geworden zu sein – als ich das Geld dafür hatte. Und es war und ist noch immer ein Statement, ein Abonnent zu sein – wie eine Vereinszugehörigkeit.
In den letzten 30 Jahren wurde viel in den journalistischen Content investiert. Die Verlage möchten mit dem Inhalt trumpfen – bauen ein Konkurrenzblatt nach dem anderen. Diese wurden durch die Online-Angebote noch verdoppelt – gerade die Abonnenten-Klientel wird damit bombardiert, bis denen die Sicherung durchbrennt. Es herrscht ein massloses Überangebot – die LeserInnen sind überfordert und lassen die Abos fallen. Die Verlage haben aber nie in den Vertrieb investiert. Am Kiosk laufen die Verkäufe hundsmiserabel, die Aboverkäufe laufen nur noch über maximale Rabatte. Die Medien selbst stellen sich so breit auf, dass sie niemanden mehr ansprechen – sondern alle gleich. Und da das alle Medien so machen – man will schliesslich der Grösste sein – haben sich die Medienhäuser unwesentlich gemacht. Der WOZ mal wieder ein Kränzchen gewunden – diese Zeitung arbeitet noch mit dem korrekten Konzept.
Die digitalen Medien sind vor allem eines: Hoffnungsträger für neue Businessmodelle. Wenn wir es genau betrachten: Digitale Medien können wir fast zum Null-Tarif (technisch) produzieren. Es wäre also möglich, das Geld in Löhne zu investieren. Doch genau das geschieht nicht. Statt journalistische Erfahrung, werden billige und unerfahrene JournalistInnen eingesetzt – unter ganz komischen Erklärungen. Die Republik zeigt es super: Ein Monster-Stab an Angestellten aber unsichtbar im Alltag. Der Vertrieb ist bei der Republik das grösste Problem und auch ihr Untergang. So geht es den anderen digitalen Betrieben genauso.
Und just jetzt kommt ein neuer Plan für die Medienförderung, der eben nicht auf Inhalt, sondern auf der Vertriebsunterstützung basiert. Das ist super – nicht falsch. Das ist der perfekte Ansatz, um in diesem Land den Medien das Überleben zu ermöglichen. Wir haben viel zu viel Inhalt – ohne Inhalte.
Wer das nicht versteht, hat keine Ahnung, was Medien sind: Verlage, die Inhalte publizieren. Und nicht die Inhalte sind krank, sondern die Verlage. Also ist es mehr als korrekt, die Verlage zu unterstützen. Was nützt ein ansonsten perfekt gestylter und gesunder Körper, wenn das Herz versagt?