von René Zeyer

Eleganter Plauderton am Sonntag

Das neue «NZZ am Sonntag Magazin» trifft den richtigen Ton: Es kommt nicht zu abgehoben und auch nicht zu verschroben daher, sondern pflegt den eleganten Plauderton. Ein Gewinn für die Lektüre am Sonntag.

Selten gibt es Gutes zu vermelden im sich zu Tode sparenden Journalismus. Deshalb mit Trompeten, Fanfaren und vollem Orchester ein Loblied auf die NZZ. Genauer: auf die «NZZ am Sonntag». Noch genauer: auf ihr neues «NZZ am Sonntag Magazin». Dass der Name etwas sperrig ist, wäre schon die einzige Meckerei. Ach, und dass es im Impressum vielleicht einen Tick zu viele Häuptlinge und eher wenig Indianer hat. Aber wir wollen den Beteiligten ihre Titel gönnen.

Denn sie haben sie sich verdient. Während die vorherige Beilage eher streng nach Sparmassnahme roch; zwar ein etwas besseres Papier, auf dem der «Stil» gedruckt wurde, aber ansonsten doch sowohl inhaltlich wie formal überschaubar.

Geld ausgegeben wurde früher vor allem für Modestrecken, die man auf einschlägigen Plattformen im Internet gratis und nicht schlechter anschauen kann. Aber nun ist alles anders, und viel besser. Das fängt beim Papier an, hört aber dort lange nicht auf. Ausser, dass Hochglanz und handliches Format gut gewählt sind, ist die Rubrifizierung meist das A und O einer Beilage am Sonntag.

Denn der Leser möchte unterhalten, informiert und amüsiert werden, zudem liebe Gewohnheiten entwickeln. Also das Bewährte und Gute jede Woche wiederfinden. Wer Rubriken mit den hübschen Namen «Der Kanon», «Stammesrituale», «Beziehungsverhalten» oder «Perfekt» erfindet, hat nur ein Problem: da ist die Latte dann recht hoch gelegt, sie jede Woche ansprechend zu füllen.

Letztes Wochenende ist das eigentlich kaum steigerbar gelungen. Der «Kanon» beschäftigt sich mit dem Phänomen des Mitläufers, Saunagänger bieten Anlass, über «Stammesrituale» nachzudenken, bei «Perfekt» wird die Fotoserie gewürdigt, die den kleinen, dicken Diktator mit merkwürdiger Frisur auf einem weissen Pferd einen Berg in Nordkorea hinaufreiten lässt.

Statt Modestrecken und kaum verhüllten Konsumanregungen gibt es nun zwei längere Schreibstrecken. Die Titelstory «Unter meinesgleichen», die Suche nach dem Glück in der Heimat, darf sich auf 14 Seiten ausbreiten. Der Text trägt die lange Strecke; vielleicht hätte man sich noch überlegen können, ob heutzutage der Journalist wirklich schreiben und fotografieren muss. Denn wer so gut schreibt wie Christoph Zürcher hätte einen besseren Fotografen als Zürcher verdient.

Das zweite längere Stück beschäftigt sich mit Sake. Genau, mit diesem japanischen Reisschnaps, der, warm oder kalt, immer mehr zum In-Getränk wird. Reicht das, um vier Seiten mit Bild und Text zu füllen? Oh ja. Das ist ein Text von Barbara Höfler, der so gut anfängt, dass man spontan Angst kriegt, ob sie das auch durchhält bis am Schluss. Aber das tut sie. Dieser Text fährt ein wie eine Diesellok, um ihr schönes Bild der Wirkung eines Sake zu verwenden.

Das sind zwei Texte, die eine im deutschen Sprachraum fast verloren gegangene Qualität aufweisen: den eleganten Plauderton. Keine Relotius-artig hochgezwirbelte Reportage, bei der man sich fragen muss, wie viel davon Wahrheit und wie viel Dichtung ist. Auch kein angestrengtes Feuilletonstück, bei dem man ohne vertiefte Kenntnis von Postdekonstruktivismus und den luhmannschen Systemen eher verloren ist. Auch kein eleganter Begleiter beim Tischgespräch, was die «Weltwoche» sein will und nur selten ist.

Sondern eine fein auf die Bedürfnisse des NZZ-Publikums abgestimmte Mischung. Die den richtigen Ton trifft; nicht zu abgehoben und auch nicht zu verschroben daherkommt. Und einen mit einem letzten Glanzlicht befriedigt entlässt: «Auf der Couch». Feinfühlig erfundene Dialoge mit berühmten Zeitgenossen, wie sie zwar nicht geführt wurden, aber geführt werden könnten.

Also, ein kleines Wunderwerk, dieses neu gestaltete und munter betextete Werk aus dem Hause NZZ. Ein Grund, sich auf den nächsten Sonntag zu freuen. Nur leicht bang ob der Frage, ob die das wirklich jede Woche auf 46 Seiten durchhalten. Natürlich hofft man das, wünscht sich das, fordert das als bereicherter Leser. Der sich an diesem Quell in der Wüste der Medienprodukte noch lange laben will. Mit diesem Magazin hört die «NZZ am Sonntag» auch am Montag noch nicht auf, während die «Sonntagszeitung» dann schon längst im Altpapier gelandet ist. Dann gibt’s doch noch ein drittes Sonntagsblatt, aber da fällt mir der Namen nicht mehr ein. Für das gilt «wisch und weg».