von Marko Ković

Privatisierung der Öffentlichkeit: Social Media als Gefahr für die Demokratie

Social Media sind die wichtigsten Zutrittspforten zur digitalen Öffentlichkeit – mit gefährlichen Nebenwirkungen: Facebook & Co. bestimmen immer stärker, was die Wahrheit ist, was man sagen darf und wer überhaupt mitreden kann. Das ist ein Problem – denn die Regeln, mit denen die Plattformen das tun, dienen nicht der Demokratie, sondern maximieren ihren eigenen Profit. Wie sich das ändern lässt, diskutieren Marko Kovic und Christian Caspar in der aktuellen Folge des Podcasts «Das Monokel».


Niemand wird gezwungen, Plattformen und Dienste wie Facebook, Twitter, Youtube, Instagram und dergleichen zu benutzen. Wer sie nutzt, tut das aus freien Stücken. Und wer ein Problem mit ihnen hat, kann einfach das jeweilige Konto deaktivieren und die App löschen.

Zumindest in der Theorie. Im Alltag aber sind Social Media mittlerweile praktisch unersetzbar geworden. Dabei geht es nicht primär um die hedonistische Seite. Es käme wohl nicht zum gesellschaftlichen Kollaps, wenn wir keine Selfies mehr auf Instagram posten könnten. Was Social Media heute so bedeutend macht, ist ihre politische Dimension.

Zum einen nutzen immer mehr Menschen Social Media als wichtige (und oft sogar einzige) Quelle für Nachrichten und politische Informationen; in den deutschsprachigen Ländern sind es gemäss dem Reuters Institute Digital News Report 2020 bereits rund 40 bis 45 Prozent. Zum anderen sind soziale Medien heute de facto der einfachste Weg, um am öffentlichen politischen Diskurs teilzunehmen. Ein Facebook- oder Twitter-Konto ist innerhalb von Minuten erstellt. Danach steht man im Grunde bereits mitten in der Öffentlichkeit, auf Augenhöhe mit Politikerinnen und Wirtschaftsführern. Die alte Hoffnung, dass das Internet eine neue Ära der digitalen Agora einläuten würde, ist dank Social Media ein Stück weit in Erfüllung gegangen.

Doch die Sache hat einen gewaltigen Haken. Social Media haben zwar die Hürde für eine Teilnahme am öffentlichen Diskurs massiv gesenkt und es jeder und jedem ermöglicht, mitzureden und seine Stimme zu erheben. Aber diese Öffentlichkeit ist nicht demokratisch konstituiert, sondern folgt den Spielregeln, welche die Betreiber der Plattformen aufgestellt haben. Sie kontrollieren damit weitgehend den öffentlichen Diskurs. Mit «Faktenchecks» definieren sie, was als wahr gilt und was nicht; sie bestimmen, welche Inhalte überhaupt erlaubt sind und welche gelöscht werden; und sie bestimmen, wer überhaupt Zugang erhält und wem der Zugang zur digitalen Öffentlichkeit verwehrt bleibt.

Von einer Lösung mögen wir noch weit entfernt sein, aber als erster Schritt müssen wir uns als Gesellschaft einer unbequemen Wahrheit bewusst werden: Facebook und Co. kontrollieren einen Grossteil der digitalen Öffentlichkeit, und zwar nicht der Demokratie zuliebe.

Um die Situation zu entschärfen, sind drei Szenarien vorstellbar:

Erstens wäre es denkbar, dass wir öffentliche Non-Profit-Alternativen zu den privaten, profitorientierten sozialen Plattformen schaffen. Alternativen also, die nicht getrieben sind vom Börsenkurs und der Profitmaximierung, sondern dem Ideal einer deliberativen Demokratie folgen.

Zweitens könnten die sozialen Plattformen als «Public Utilities» oder als «Service Public» klassifiziert und damit also als eine Art öffentliche Versorgungsunternehmen bzw. essenzielle öffentliche Dienstleistung reguliert werden. Die Plattformen bleiben privat und profitorientiert, aber weil sie vom Status her als ähnlich wichtige Infrastrukturbetriebe wie Strom- oder Wasserversorgung angesehen werden, werden sie stärker reguliert und verlieren Autonomie.

Drittens wäre es denkbar, Social Media direkt zu verstaatlichen. Das ist die radikalste Lösung, und sie ist mit vielen Ungewissheiten verbunden. Es wäre etwa unklar, wem wirklich gedient ist, wenn die US-Regierung unter Donald Trump Twitter verstaatlicht.

Bild: Unsplash/Patryk Grądys

Leserbeiträge

Alex Schneider 06. Oktober 2020, 09:42

Soziale Medien und Demokratie

Mit dem Aufkommen der sozialen Medien wird offensichtlich, dass die Informationen der etablierten Medien, aber auch die veröffentlichten Meinungen und Kommentare der Journalist*innen, der Verleger*innen und der gewählten Politiker*innen ihre bisher unbestrittene Leitfunktion verloren haben. Das bekommen insbesondere die Printmedien zu spüren. Die Meinungsbildung im Volk wird durch die sozialen Medien breiter abgestützt und damit die Indoktrination durch die Mainstream-Medien erschwert. Für die Demokratie ist dies grundsätzlich ein Gewinn.