Netflix baut ein House of Cards
Die Zahlen des Streaming-Dienstes überzeugen – weil das Unerfreuliche aussen vor gelassen wird. Das Kartenhaus könnte bald einstürzen.
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Die Zahlen des Streaming-Dienstes überzeugen – weil das Unerfreuliche aussen vor gelassen wird. Das Kartenhaus könnte bald einstürzen.
Der Video-Streamingdienst Netflix erklimmt neue Rekordmarken: 118 Millionen Menschen weltweit haben ein Abo. Das sind 24 Millionen mehr als noch vor einem Jahr. An der Börse liegt der Wert des Unternehmens inzwischen bei 100 Milliarden Dollar. Das sei zehn mal mehr als Pro Sieben Sat 1, vergleicht Caspar Busse in der Süddeutsche Zeitung. Überhaupt mache die erfolgreiche US-Filmplattform den klassischen TV-Sendern zu schaffen. Und nicht nur ihnen. Selbst ähnliche Angebote wie Amazon Prime oder Hulu können mit Netflix nicht mithalten. Die grossen Unterhaltungskonzerne seien deshalb alarmiert und versuchten Terrain gutzumachen. So hat etwa Disney angekündigt, grosse Teile von 21st Century Fox kaufen zu wollen. Damit erhält die Mickey-Mouse-Company auch Zugriff auf den Netflix-Konkurrenten Hulu. Da der Wettbewerb vor allem über Inhalte ausgetragen wird, investieren alle Anbieter in eigene Film- und Serien-Produktion. Auch hier hat Netflix die Nase vorn, sowohl bei Quantität als auch Qualität, wie die aktuellen Oscar-Nominierungen zeigen. Das von Netflix produzierte Rassismusdrama «Mudbound» ist gleich dreifach nominiert für die begehrte Filmauszeichnung.
Als der Streaming-Anbieter Netflix jüngst in einem Tweet jene 53 Nutzer erwähnte, welche die Weihnachtsromanze «A Christmas Prince» an 18 Tagen in Folge geguckt haben, fanden das manche gar nicht lustig. Sie fühlten sich vom Bewegtbildanbieter ihres Vertrauens überwacht. Oh Schreck, die wissen ja ganz genau, was wir gucken! «Viele Nutzer wissen offenbar noch immer nicht, dass ‹Kundenspionage› im Sinne der Auswertung individuellen Sehverhaltens seit jeher eines der Erfolgsgeheimnisse der Streamingplattform ist», schreibt dazu Eike Kühl auf «Zeit Online». Tatsächlich geht Netflix sehr weit und passt sogar die Vorschaubilder für Filme und Serien dem individuellen Geschmack an, um Nutzer mit unterschiedlichen Vorlieben an ein und denselben Film heranzuführen.
Die Online-Videothek gibt Milliarden für Eigenproduktionen wie „Stranger Things“ aus. Deshalb wird der Erfolg dieser Serien minutiös geplant. Und der Geschmack der Zuschauer ganz genau durchleuchtet.
Netflix braucht derzeit viel Geld für Eigenproduktionen. Die dafür erforderlichen Mittel erwirtschaftet der Streamingdienst aber nicht selbst und ist daher auf Fremdkapital angewiesen. Die Eigenkapitalquote lag Ende Juni gerade einmal bei 19 Prozent. Fremdes Geld birgt aber etliche Risiken. Etwa die Unwägbarkeiten bei der Zinsentwicklung oder mögliche Wertberichtigungen bei Flops in der Serienproduktion. Solange aber die Nutzerzahlen wie bisher steigen, lassen sich diese Risiken abfedern.
In Frankreich wird das Kino besonders streng gegen Internetanbieter geschützt: Erst drei Jahre nach dem Kinostart darf ein Film auf einer Streaming-Plattform gezeigt werden. Darum sind Netflix-Filme ab dem kommenden Jahr an den Filmfestspielen von Cannes nicht mehr willkommen. Absurd.
Vom kommenden Jahr an sollen im Wettbewerb des wichtigsten Filmfestivals der Welt keine Filme mehr laufen, für die ausschlieslich eine Verwertung im Netz vorgesehen ist. Netflix, das in diesem Jahr mit zwei Filmen in Cannes vertreten ist, hat das Nachsehen.