von Willi Egloff

Angriff auf die Grundrechte der Kommunikation

Das von den Verlagen geforderte Leistungsschutzrecht wäre ein völliger Fremdkörper im Bereich des Urheberrechts. Ja, mehr noch: Die Forderung nach einem Sondergesetz ist ein Angriff auf die Grundrechte der Kommunikation und der Information, schreibt Jurist Willi Egloff. Der Urheberrechtsspezialist stellt drei gewichtige Missverständnisse in der Diskussion um das Leistungsschutzrecht klar.

Im deutschen Bundestag wird ein Gesetzesvorschlag diskutiert, der für Verlage von Presseerzeugnissen ein Leistungsschutzrecht einführen will. Das schlechte Beispiel droht Schule zu machen: Nun fordern auch Schweizer Verlagshäuser ein solches Leistungsschutzrecht. Dieses sei notwendig, um die unlautere Verwendung publizistischer Gesamtleistungen der Verlage zu verhindern, heisst es in einer Medienmitteilung des Verbandes Schweizer Medien. Schliesslich würden ja auch die Investitionen von Sendeunternehmen und Tonträgerherstellern durch ein Leistungsschutzrecht geschützt, schreibt der Verband weiter. Er gibt damit zu erkennen, dass er offenbar von falschen Voraussetzungen ausgeht. Seinem Vorschlag liegen nämlich mindestens drei gewichtige Missverständnisse zugrunde.

Erstes Missverständnis: Der heutige Leistungsschutz bezieht sich nicht auf die Vermittlung von Werken, sondern auf die Vermittlung von Interpretationen.

Es trifft zwar zu, dass es im schweizerischen Urheberrecht Leistungsschutzrechte für Sendeunternehmen, für Tonträgerproduzenten und für Filmproduzenten gibt. Diese sogenannten «verwandten Schutzrechte» betreffen aber nicht die Vermittlung von Werken, sondern die Vermittlung von Interpretationen. Anknüpfungspunkt ist nicht ein urheberrechtlich geschütztes Werk, sondern die geschützte Leistung von Musikerinnen und Musikern, von Schauspielerinnen und Schauspielern, von Tänzerinnen und Tänzern usw. Nur wer deren Darbietungen aufnimmt und vermittelt, kommt unter bestimmten Voraussetzungen in den Genuss eines Leistungsschutzrechts. Schutzobjekt sind nicht die CDs oder DVDs, sondern das Aufnehmen künstlerischer Darbietungen. Solange Zeitungen nicht vorgelesen oder gesungen werden, kann es daher für sie keine verwandten Schutzrechte geben. Und damit auch für die Verlage keinen Leistungsschutz.

Zweites Missverständnis: Der Leistungsschutz ist nicht einfach ein Investitionsschutz.

Musik- und Filmproduzenten erlangen auch nicht einfach generell einen Schutz für ihre Produktionen, sondern nur für diejenigen, welche eine Originalaufnahme zum Gegenstand haben. Geschützt wird nur, wer erstmals eine Darbietung auf Ton- oder Tonbildträger aufnimmt, also einen Live-act, nicht derjenige, der bereits bestehende Aufnahmen vermittelt. Für das riesige Meer von Lizenzproduktionen gibt es keinen Leistungsschutz, mögen die Investitionen noch so hoch sein. Auch unter diesem Gesichtspunkt gibt es im bestehenden Leistungsschutzrecht keine Parallele zu dem von den Verlagshäusern geforderten Investitionsschutz. Es ist denn auch völlig unklar, wer von diesem angestrebten Leistungsschutzrecht für Verlage profitieren soll. Jeder, der irgendwelche Inhalte publiziert? Jeder, der irgendwelche Texte oder Bilder ins Internet stellt? Auf die Investitionen allein kann ja wohl kaum abgestellt werden, sonst müssten nämlich auch die grossen Schwarzhändler wie Rapidshare oder Megaupload in den Genuss eines Leistungsschutzes kommen.

Drittes Missverständnis: Der Leistungsschutz monopolisiert keine Inhalte.

Weil der Leistungsschutz nicht an die Vermittlung von Werken anknüpft, sondern an die Vermittlung von Interpretationen, kann er auch nicht zu einer Monopolisierung von Inhalten führen. Eine Aufnahme eines Klavierkonzerts von Mozart kann geschützt sein, aber sie hindert niemanden daran, eine andere Aufnahme des gleichen Konzertes zu erstellen. Eine Filmproduktion mag geschützt sein, aber eine andere Filmproduktionsfirma darf aus Sicht des Leistungsschutzrechtes durchaus den gleichen Stoff neu verfilmen. Auch Urheberrechte schützen keineswegs Inhalte, sondern nur deren Darstellungsform. Niemand kann mich daran hindern, über das gleiche Thema zu schreiben, über das schon andere in Form geschützter Werke geschrieben haben, oder das gleiche Objekt zu fotografieren, das schon andere fotografiert haben. Die Verlage möchten daher mit dem geforderten Leistungsschutzrecht genau das erreichen, was Urheberrecht und verwandte Schutzrechte niemals bewirken dürfen: die Monopolisierung von Inhalten. Das kann und das darf urheberrechtlicher Leistungsschutz gerade nicht tun.

Fazit:
Das von den Verlagen geforderte Leistungsschutzrecht wäre ein völliger Fremdkörper im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte, und es stünde in diametralem Widerspruch zu wichtigen Grundprinzipien dieses Rechtszweigs. Es ist ein Angriff auf die Grundrechte der Kommunikation und der Information. Der Vorschlag sollte deshalb so rasch wie möglich beerdigt werden. Wenn die Verlage der Meinung sind, dass die von ihnen vermittelten Inhalte in unlauterer Weise verwendet werden, so ist es ihr gutes Recht, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Unsere Rechtsordnung kennt entsprechende Rechtsbehelfe, insbesondere im Gesetz über den unlauteren Wettbewerb. Der vom Verband Schweizer Medien eingeschlagene Weg über das Urheberrecht führt aber in die Irre und ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt.