Chefredaktor am Sonntag
Die Sonntagszeitung wurde bei der Gründung 1987 von einer wilden Redaktion gemacht, die Neues wagte und das Establishment aufwühlte. Dieser ehemalige Punk ist alt und fett geworden: Ängstlich um den Verlust jeden Lesers beliefert er den Mittelstand mit ganz schön langweiliger Durchschnittsware. Chefredaktor ist seit bald drei Jahren Martin Spieler, doch so richtig angekommen ist er bis heute nicht: Statt wie ein Teil der Redaktion wirkt er wie ein verlängerter Arm des Verlags. Es fehlt der Zeitung nicht nur eine Digitalstrategie, sondern auch eine interne Kritikkultur, die frische Ideen zur Entfaltung bringen könnte.
Das Pensum
Was für einen Job hat eigentlich ein Mann mit folgenden Aufgaben?
- Moderator der wöchentlichen Sendung «BörsenTrend» auf Tele Züri
- Moderator der wöchentlichen Sendung «Geld» auf Tele M1
Moderator der wöchentlichen Sendung «Geld» auf Tele 1(eingestellt, wurde bis zum 26. Dezember 2012 ausgestrahlt)- Wirtschafts- und Börsenexperte für Radio- und TV-Stationen (auf Anfrage)
- Verwaltungsrat der 3 Plus Group AG
- Verwaltungsrat der Journalistenschule MAZ
- Verwaltungsrat im «Club zum Rennweg»
- Stiftungsrat der «Stiftung Pro Kloster Einsiedeln»
- Präsident und Kassier der Konferenz der Chefredaktorinnen und -redaktoren
- Dozent der Schweizer Journalistenschule MAZ
- Dozent der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW
- Dozent an weiteren Fachhochschulen
Nun ja, er ist Chefredaktor der wöchentlich in acht Bünden erscheinenden «Sonntagszeitung», sein Name ist Martin Spieler. Er wohnt im Kanton Obwalden (Engelberg), ist verheiratet und hat mehrere Kinder. Seine Nebentätigkeiten habe er «in letzter Zeit deutlich reduziert», schreibt Spieler auf Anfrage. Als Verwaltungs- und Stiftungsrat wende er 18 Stunden im Jahr auf, als Dozent 12 Stunden. Öffentliche Auftritte seien «durchaus im Interesse der Sonntagszeitung»: «Das gibt uns eine höhere Beachtung über den Sonntag hinaus und gehört zu meinen Aufgaben als Chefredaktor.»
Grundsätzlich gilt für alle redaktionell tätigen Mitarbeiter bei Tamedia, dass sie eigene Nebentätigkeiten in einer schriftlichen Erklärung offenlegen müssen: «Politische Mandate, leitende Funktionen in Parteien aber auch Mandate in Verwaltungs- oder Stiftungsräten sind grundsätzlich nicht zulässig, ausser es besteht eine Ausnahmebewilligung», schreibt die Pressestelle von Tamedia. Und weiter: «Es ist im Sinne der SonntagsZeitung, dass Martin Spieler als Chefredaktor öffentlich auftritt und sich zu aktuellen Fragestellungen äussert. Dies gilt auch für Auftritte an wichtigen Ausbildungsinstitutionen wie beispielsweise der Journalistenschule MAZ. Die Mandate bei der 3 Plus Group AG und beim Club zum Rennweg, die Martin Spieler bereits vor seinem Wechsel zur SonntagsZeitung ausübte, sind wie in unseren internen Richtlinien vorgesehen mit Tamedia abgesprochen und werden periodisch überprüft.»
Die Redaktion
Der deutsche «Spiegel» sei die Messlatte für die Sonntagszeitung, sagte Martin Spieler In einem Interview mit dem «Schweizer Journalist» im März 2012; publizistisch formulierte er «einen ganz klaren Führungsanspruch»: «Wir wollen die beste, informativste, spannendste, unterhaltsamste Sonntagszeitung der Schweiz sein.» Es gelingt am ehesten bei der Information: Der in Bern angesiedelte Recherchedesk, eine Kooperation mit «Le Matin Dimanche», liefert jene Storys, die zu erwarten sind, wenn mal einigen Journalisten tatsächlich Zeit zur Recherche eingeräumt wird. Aufgedeckt wurde zum Beispiel ein Datendiebstahl im Nachrichtendienst des Bundes.
Doch die damit zementierte, innerredaktionelle Zweiklassengesellschaft rief unter den Mitarbeitern viel Unmut hervor. Mittlerweile haben sich viele der in Zürich zurückgelassenen Kritiker daran gewöhnt und geniessen es, dass der Druck, am Sonntag eine Hammerstory zu liefern, nachgelassen hat, wenn die Titelseite mit Storys vom Recherchedesk besetzt wird.
Für diese Geschichte war nicht schwierig, Journalisten dazu zu bringen, etwas über Martin Spieler und die Situation der Sonntagszeitung zu sagen. Öffentliche Aussagen wollte jedoch nicht einer tätigen. Das hat zu tun mit dem allerwichtigsten Wert in der Sonntagszeitung-Redaktion: Loyalität. Wer nicht zu 100 Prozent loyal ist (natürlich gegen oben), hat keine Chance auf eine Beförderung. Das mag in vielen Firmen so sein, doch Journalismus ist ein Wettkampf unabhängiger und auch unkonventioneller Geister um die besten Recherchen, Ideen und Formulierungen. Es läuft selten lange gut, wenn das freie Wort nicht gefördert wird und am Ende immer nur die Chefs recht haben.
Während in Bern in aller Ruhe recherchiert wird, macht die Redaktion in Zürich einen unmotivierten, unterforderten Eindruck: Unzufriedenheit herrscht, Langeweile, Alltagstrott. Dafür verantwortlich ist einerseits eine unbewegliche Personalstruktur, die kaum frische Kräfte in Führungspositionen kommen lässt, andererseits die nicht vorhandene Streitkultur. «An den Redaktionssitzungen wird kaum je ein Text kritisiert», erzählt jemand aus der Redaktion. «Es fehlt an der Kritikkultur, es ist immer alles gut an den Blattkritiken», jemand anders. Und eine weitere Stimme: «Bei der grossen Redaktionssitzung wird viel gelobt, vor allem von Seiten der Führung. Am meisten lobt Spieler.» Über das Loben an sich schrieb Constantin Seibt vor ein paar Monaten: «Lob bringt – gehäuft verabreicht – jeden Produktionsmotor ins Stottern».
Spieler selbst sieht das freilich anders, auf Anfrage schreibt er: «Die Stimmung in der Redaktion der Sonntagszeitung ist positiv inspirierend, konstruktiv und ich lade die Kolleginnen und Kollegen immer wieder ein, offen und auch kritisch zu diskutieren. Das ist jederzeit problemlos möglich.» Immerhin herrscht ein freundlicher, ein netter Ton vor im Umgang miteinander, was durchaus Spielers positivem Einfluss zugerechnet werden darf. Die vordergründig harmonische Stimmung kann aber nicht über die Konkurrenz von Einzelkämpfern im Redaktionsalltag hinwegtäuschen, die zum Teil eher gegeneinander als miteinander arbeiten. Viele würden gerne den Job wechseln, doch der Stellenmarkt ist derzeit ausgetrocknet. Spieler schreibt weiter: «Auch als Arbeitgeber ist die Sonntagszeitung attraktiv, was in einer im Vergleich zu anderen Zeitungen sehr geringen Fluktationsquote zum Ausdruck kommt sowie in der Tatsache, dass es uns problemlos gelingt, die besten Talente des Landes bei uns zu halten und neue zu gewinnen.»
Sieht man von einigen Highlights im Fokus, im Sport und im Wissen ab, füllen die personell gut dotierten Ressorts ihre Bünde uninspiriert ab, die hinteren Teile der Zeitung funktionieren vor allem als Werbetransporter. Eine Pauschalkritik, gewiss, doch den guten Voraussetzungen zum Trotz bleiben die leichteren Bereiche rund um Kultur und Freizeit mehrheitlich furchtbar uninteressant – kein Wunder, wenn einem der Chef jede Woche bescheinigt, tolle Arbeit abzuliefern. Gemessen werden sollten die gelieferten Inhalte nicht an der diesbezüglich ebenso wenig überzeugenden Konkurrenz, sondern an dem, was die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» oder die «Welt am Sonntag» in diesen Bereichen bieten. Viele Mitarbeiter sind schon seit Jahren, seit Jahrzehnten an unveränderter Position, ganz neue Impulse sind von ihnen nicht mehr zu erwarten.
Die Primeurs
Auf der Titelseite werden wie bekannt und gewohnt Primeurs (Scoops) gebolzt. Statt sich mit allgemein bekannten Fakten auseinanderzusetzen, die an sich skandalös genug wären, präsentiert die Sonntagszeitung lieber bedeutungsarme Detailnews oder «Geheimpapiere». Der Leser wird so jeden Sonntag mit einer Reihe neuer Faktendetails konfrontiert, die insgesamt ein zerstückeltes Bild ergeben. Wer dieses kleinteilige Allerlei an Neuigkeiten verwirrt, hat Pech gehabt: Die Sonntagszeitung wird nicht für die Leser geschrieben, sondern für die anderen Journalisten. Es geht um die Zahl der Zitierungen. Ob man seinen Satz «Ich freue mich auf Ihre Meinung» jemals ernst nehmen konnte, bleibt fragwürdiger denn je.
So ist an Redaktionskonferenzen nicht etwa der Inhalt oder die Form der Texte Thema, sondern, welches Medium welche Geschichte wie aufgenommen hat. Zitiert eine Zeitung nicht konkret («wie die Sonntagszeitung schreibt»), sondern allgemein («wie aus der Sonntagspresse zu erfahren ist»), kann der sonst so versöhnliche Chefredaktor auch mal richtig wütend werden. «Es kommt nur auf die Primeurs an, und wie oft Dein Name in der Zeitung steht. Wichtig ist sogar die Reihenfolge der Namen in der Verfasserzeile», ist aus der Redaktion zu hören.
Diese Jagd nach Primeurs führt zu bedeutungs- und folgenlosen Geschichten, in denen irgendein aktuelles Ereignis hochgeschrieben wird zu einem «Skandal», in Folge dem gewichtige Stimmen fordern, das müsse «Konsequenzen» haben. Als Beispiel der Text «Allianz für ‹Lex Weltwoche›» vom 15. Januar 2012: Sechs Parteichefs liessen sich in diesem Fall von drei Journalisten überzeugen, dass die Eigentumsverhältnisse von Roger Köppels «Weltwoche» keinesfalls privat bleiben dürften («Ziel ist es, kommende Woche eine gemeinsame Erklärung zu verfassen und die ‹Weltwoche› derart unter Druck zu setzen, dass sie auch allfällige Darlehensbürgschaften offenlegen muss.»). Die Folgen: Keine. Sie sind nach wie vor privat.
Die Chefredaktion scheut auch nicht, sich Exklusives vertraglich zuzusichern, manchmal auch nur, damit die Konkurrenz nichts davon hat. Beispielsweise wurde die Exklusivität eines (langweiligen) Interviews mit Roberto Martullo mit einer «Vereinbarung» geschützt:
Neu: Blocher-Schwiegersohn Martullo verweigert an einer Medienkonferenz Interviews: Er habe eine Vereinbarung mit der SoZ unterzeichnet!
— Jürg Auf der Maur (@JrgAuf) January 11, 2013
Man mag sich über eine solche Vorgehensweise ärgern, doch über magere Inhalte kann keine Vereinbarung hinwegtrösten.
Der Chef
Die Führung von Spieler wird als «etwas emotionslos» beschrieben. Wer sich einen seiner routiniert heruntergeratterten Monologe für die Lokalsender ansieht, wird verstehen, was gemeint sein könnte. Positiv erwähnt werden die zwischenmenschlichen Fähigkeiten von Spieler, insbesondere im persönlichen Gespräch. Tatsächlich kann kaum jemand der Redaktoren viel sagen über die Zusammenarbeit mit ihm – weil er so oft abwesend ist; mit ein Grund dafür, dass Spieler in der Redaktion nur über wenig Rückhalt verfügt. Einige Redaktoren nehmen ihn wahr als verlängerten Arm von Tamedia-Verleger Pietro Supino. Als tatsächlicher Chef in der Redaktion wirkt sein Stellvertreter, Simon Bärtschi, ist dieser doch, anders als Spieler, von Dienstag bis Samstag auf der Redaktion anwesend.
Geführt wird die Sonntagszeitung hierarchisch. Die Chefredaktion redet mit den Ressortleitern, die Ressortleiter reden mit den Journalisten. Direkten Kontakt gibt es wenig. Anliegen von unten nach oben durchlaufen die ordentlichen Stufen, die Entscheidungswege sind lang. Wer etwas erreichen will, ist gezwungen, Umwege zu gehen, ist doch weder das offene Wort noch die schnelle, unkomplizierte Lösung eine Option. In der Folge verbringt das Kader viel Zeit an Sitzungen. Es besteht kein Klima, in dem gute Ideen rasch umgesetzt werden können.
Der Journalist
Was macht Spieler publizistisch? Vor allem eher uninspirierte, eher nicht so kritische Interviews. Und Editorials: Zuletzt forderte er ein zentrales Waffenregister und kritisierte Bundespräsident Maurer hart dafür, dass er sich die Freiheit nimmt, der «Arena» keinen angeblich traditionellen Besuch abzustatten («Gestatten Sie Herr Bundespräsident: Worauf haben Sie denn Lust, wenn Ihnen so vieles, das zu Ihrem Amt gehört, gar nicht behagt?»). Am 2. Dezember 2012 stellte er Google wie einen Dieb dar («sich bei journalistischen Texten einfach bedienen und ohne Gegenleistung gewerblich nutzen»), obwohl Google (so wie Zeitungen) nur zitiert und keine Urheberrechte bricht. Flankiert wurde das peinliche Editorial von einem Interview mit Marc Walder, der auf Vorlage von Spieler ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger forderte («Ich will dem Verband nicht vorgreifen, aber ich bin klar dafür»). Rainer Stadler von der NZZ quittierte folgerichtig: «Der Journalismus würde intelligentere Interessenvertreter verdienen.» Eine Kolumne von David Bauer zum Leistungsschutzrecht steht nach wie vor in der Originalversion und in der SoZ-Version online, da kann sich jeder selbst ein Bild machen.
Um das durch seine Bildschirmpräsenz über Jahre zementierte Image als Geldonkel aus dem Lokalfernsehen zu überwinden, reagierte er letztes Jahr und startete eine umtriebige Kommunikationsoffensive, mit angriffigen Texten und «Arena»-Auftritten. «Aber er hat einfach nichts zu sagen», so ein Journalist, der lieber anonym bleiben möchte. Dagegen Spielers Selbsteinschätzung: «Dass ich sehr viel Energie und auch Spass an meiner Tätigkeit als Chefredaktor der Sonntagszeitung habe, sehen Sie auch in der Tatsache, dass ich zu den publizistisch aktivsten Chefredaktoren des Landes gehöre und trotz meiner Führungsfunktionen nach wie vor selbst viele Interviews, Artikel und Kommentare in der Sonntagszeitung verfasse.»
Kein Problem hat der Chefredaktor der Sonntagszeitung, klassische PR-Berichte anzusagen, sogenannte «KMU-Porträts». Dieser Beitrag lief 2012 auf Tele M1:
Zu seinen Nebentätigkeiten schrieb uns Spieler: «Ein Interessenkonflikt gibt es nicht: Alle meine Tätigkeiten am TV oder im Radio erfolgen immer in meiner Funktion als Chefredaktor der Sonntagszeitung.»
Der Blogger
Unter martinspieler.ch führt Spieler einen «Schweizer Wirtschaftsblog», in den er regelmässig eigene Texte kippt (zuletzt meist seine Editorials). Kommentieren kann man die Einträge, nur werden seit über einem Jahr keine Kommentare mehr freigeschaltet. Der letzte freigeschaltete Kommentar stammt vom 24. September 2011.
Das Internet
Die Zeitung ist auch ohne Internet erfolgreich, war bisher die Losung. Der Text «Die SonntagsZeitung: Ein Print-Riese im digitalen Tiefschlaf» von David Bauer aus dem Dezember 2010 ist nach wie vor gültig. Die aktuelle Situation ist dennoch erschreckend. Die altertümlich wirkende Website lädt nicht ein zum Besuch und hat sich, zumindest zahlenmässig, kaum entwickelt. Besuchten im Februar 2004 66’000 Unique Visitors die Website (92’596 Visits), waren es im Dezember 2012 90’000 Unique Visitors (174’519 Visits). Die iPad-Version der Sonntagszeitung kämpfte letztes Jahr mit grossen technischen Problemen, nach wie vor ist die Gesamtbewertung der App im iTunes-Store vernichtend. 598 von aktuell 969 Bewertungen (Stand: 24. Januar) stufen die von Goldbach Media erstellte App mit einem von fünf möglichen Sternen ein, das sind über 60 Prozent. Ist es aktuell besser? Nein. Von den letzten elf Kommentaren («werde das Abo nicht verlängern, das wäre schlicht Geldverschwendung», «die App ist sehr instabil und nervt mehr als sie nützt», «ist schon eine Frechheit, dass man für sowas bezahlt») bewerten neun mit einem Stern («Gefällt mir gar nicht»), lediglich zwei verleihen zwei Sterne («Gefällt mir nicht»).
Der Netzwerker
Als Spieler mit der Führung der Sonntagszeitung betraut wurde, war das für viele eine grosse Überraschung, war sein Name doch nie im Gespräch. Tamedia hat ihn wohl ausgesucht wegen seiner Loyalität, aber auch aufgrund seiner guten Kontakte zur Wirtschaft. Diese seien jedoch überschätzt, ist zu hören, denn weit über den «Club am Rennweg» gingen sie nicht hinaus («zu den wirklich wichtigen Leuten hat er null Draht»). Trotzdem bleibt er ein typischer Netzwerker – wovon die Zeitung insgesamt profitiert, worunter das Wirtschaftsressort manchmal leidet.
Die Erfolge
Martin Spieler, von 2004 bis 2010 für die Handelszeitung verantwortlich, seit 2010 für die Sonntagszeitung, kann Erfolge bei den Auflagen ausweisen. Allerdings profitiert er von übernommenen Lesern, in der Vergangenheit und in der Zukunft. So konnte die Handelszeitung 2007 nach dem Ableben von Cash 27’000 Abonnements übernehmen.
Die «verkaufte Auflage», nach den jeweiligen WEMF-Auflagebulletins:
2004: nicht online verfügbar
2006: Handelszeitung: 30’776, Sonntagszeitung: 201’358
2008: Handelszeitung: 45’190, Sonntagszeitung: 202’141
2010: Handelszeitung: 40’822, Sonntagszeitung: 188’658
2012: Handelszeitung: 36’689, Sonntagszeitung: 175’882
Seit dem 2. September 2012 erhalten rund 36‘000 «Bund»-Abonnenten die Sonntagszeitung, und auch die 62’707 Abonnenten der Basler Zeitung (gemäss WEMF 2012) werden ab dem 3. März 2013 die Sonntagszeitung erhalten, wonach die Auflage wohl in die Nähe von 250’000 Exemplaren kommen wird. Wer rechnen kann, und Tamedia kann rechnen, sieht, dass die Sonntagszeitung unter Spieler an Auflage verliert. Während die direkte Konkurrenz, die NZZ am Sonntag, zulegt.
Martin 05. Februar 2013, 08:09
Martin Spieler ist offensichtlich ein sehr effizienter Dozent sowie Stiftungs- und Verwaltungsrat. Mit 12 Stunden Aufwand pro Jahr beispielsweise würden die meisten anderen Personen nicht einmal eine Stunde Dozieren hinkriegen, während Spieler gleich an mehreren Orten doziert. Und auch die Tätigkeit in mehreren Stiftungs- und Verwaltungsräten würden die meisten anderen Personen mit 18 Stunden Aufwand pro Jahr nicht in der notwendigen Qualität hinkriegen. Die erwähnten Schulen, Unternehmen usw. dürfen sich glücklich schätzen, auf den offensichtlich sehr effizienten Martin Spieler zählen zu können!
HW 05. Februar 2013, 10:08
Manchmal habe ich das Gefühl, die SonntagsZeitung ist de facto eine Gratiszeitung geworden. Seit über einem Jahr liegt sie unaufgefordert im Briefkasten. Von Bekannten höre ich Ähnliches.
Ich möchte mich aber nicht über die Zustellung beklagen, denn so wird meine geliebte F.A.S. vor dem Regen geschützt.
EM 05. Februar 2013, 11:03
Endlich einer, der es auf den Punkt bringt! Allerdings: Unter Spielers Vorgänger Durisch wars nicht besser.
Fred David 05. Februar 2013, 11:25
Eine erhellende Analyse. Ich, kenne die Interna kaum, aber genau so, wie von innen geschildert kommt mir die SonntagsZeitung von aussen vor: vorne ein bisschen aufgehypt (furchtbares, aber treffendes Wort), hinten uninspiriert abgefüllt.
Dass der „Recherchedesk“ in Bern steht, mag ja zunächst eine gut gemeinte Idee gewesen sein, führt aber zu einer geradezu perversen wöchentlichen Nabelschau: „Schwiiiz! SchwiiiZ! Schwiiiz!“ Öfters kaum noch zu ertragen.
Ein absurder Widerspruch : Die Schweizer Wirtschaft ist so international vernetzt wie wenige Volkswirtschaften, die Welt um uns verändert sich rasend schnell, und die Nabelschau wird immer exzessiver. Die EU stirbt jede Woche den selbstverschuldeten Tod, die USA sind gerade noch interessant, wenn Obama zur Wahl steht, Asien ist irgendwo weit weg.
Aber auch bei Naheliegenderem: Welche Rolle hat die SonntagsZeitung, die sich freihändig mit dem „Spiegel“ vergleicht, bei dem Thema gespielt, das die Schweiz seit vier Jahren zu Recht so sehr beschäftigt wie keines sonst: der Schwarzgeldsumpf? Keine für mich wahrnehmbare. Der Horizont des Clubs am Rennweg, dem übrigens auch Herr Supino angehört, ist halt vielleicht doch nicht ausreichend.
Ein Chefredaktor eines grossen Mediums , der heute nicht ein paar wesentliche Berufsjahre im Ausland verbracht hat (auch was die digitale Entwicklung betrifft), hat zwangsläufig einen reduzierten Blickwinkel.
In keinem einzigen jener Unternehmen, mit denen sich der Chefredaktor der SonntagsZeitung so hingebungsvoll beschäftigt, wäre dies auf der Führungsebene akzeptabel.
Simon 05. Februar 2013, 16:28
@Fred David: Wieso ist es ein Problem, dass das Recherchedesk in Bern stationiert ist? Immerhin arbeiten dort Deutschschweizer und Romands zusammen, was für ein deutschschweizer Medium aus Züri doch schon bemerkbar ist. Im Übrigen hat das Recherchedesk durchaus auch schon international recherchiert, etwa bei den Mubarrak-Millionen, Schweizer Waffen der Ruag in Syrien etc.
Noch wegen dem Vergleich mit dem Spiegel: In einem Interview mit dem „Schweizer Journalist“ hat Martin Spieler gesagt, dass man sich bei der Recherchearbeit den Spiegel als Vorbild nehme. Was ist daran verkehrt?
Fred David 05. Februar 2013, 22:45
@) Die Idee mit dem Bern-Desk ist grundsätzlich sicher nicht schlecht, die Zusammenarbeit mit den Romands prima. Ich sehe nur das Produkt und weiss nicht, wie es zustande kommt, will es gar nicht wissen. Und ich sehe die zunehmende Verengung auf Schwiiiz! Schwiiiz! Schwiiiz!
Ich kenne das aus langjähriger Erfahrung: Wenn in einer Story nicht mindestens eine Grossmutter mit Schwiiizer Wurzeln vorkommt, ist es keine Story. OK, ich übetreibe jetzt, aber nicht allzu sehr. Sie wissen jedenfalls, was ich meine. Früher konnte man argumentieren: Die Leser wollen das so. Heute gilt das nicht mehr, einfach deswegen, weil jeder von zu Hause in der ganzen Welt rumsurfen kann.
Zum „Spiegel“-Vergleich: Man soll sich ja anspruchsvolle Ziele setzen. Der „Spiegel“ ist schon lange weg vom News-Journalismus. Er setzt stark auf sehr gute Autoren(d.h. Schreiber!), gilt auch für Kommentare, auf Hintergrund, Langzeitrecherche und,wichtig: auf Geschichten, für welche die Leute Newsroom und Recherchedesk verlassen MÜSSEN. Selbst wenn’s schneit; Feldarbeit u.Umstände sogar o. Internetanschluss, mit leibhaftigen Menschen reden, statt e-mail-Austausch oder Kurzinterview am Telefon etc. etc.
FS 05. Februar 2013, 15:01
Wer auf selbstverliebte Kolumnisten wie Schaw. od. Rougebühler sowie auf narzisstische Redaktorinnen steht, die sich in den hinteren Bünden inszenieren, kommt voll auf seine Rechnung. Und „Geldonkel“ triffts exakt.
Robert Holzwart 06. Februar 2013, 12:21
dass sonntagszeitungen meist nur schöne verpackungen für ganz viele werbebeilagen und -inserate sind, ist wohl schon lange klar geworden. beim sonntag funktionierte das nicht, deshalb wird jetzt mit der „schweiz am sonntag“ eine neue strategie gefahren. meine einschätzung: wird auch nicht funktionieren. die scoops der sonntagszeitungen erforderten früher wenigstens noch dementi oder richtigstellungen in den konzern-blättern, heute verpuffen sie meist wirkungslos am sonntagabend (wenige sonntagsarbeiter für montagsblätter v.a. 20min spitzen meldungen mangels eigener recherche weiter zu). die sonntagszeitung ist (abgesehen von den vielen regionalen sonntags-strohfeuern) am schlechtesten positioniert. in der wirtschaft fehlt die kompetenz, weiter hinten ist es ein aufgeblasenes kino- und sportprogramm durchsetzt mit pr-texten von pharma, kleiderherstellern, autobauern etc. die nnzas ist seriöser unterwegs und der sonntagsblick hat sich von den primeuren verabschiedet und bietet sport und personen. die auflage gibt dem sobli, das wachstum der nzzas recht. herr spieler wird bald ausgespielt haben, das ta-management kennt keine gnaden, wenn es um profit geht und die werbebranche wird bald merken, dass ein immer grösserer teil der auflage weder bezahlt noch gelesen wird. die sonntagszeitungen an und für sich sind ein anachronismus, eine erfindung, um den langweiligen sonntag zu überbrücken. dies ist ja in der 24h-gesellschaft kein problem mehr. wer wirklich freie zeit hat, soll ein buch zur hand nehmen und etwas lernen das mehr als 8h bestand hat.
EM 06. Februar 2013, 13:56
Was Sie nicht erwähnt haben: Für die Chefredaktoren – und damit auch für die Journalisten – geht es mit den richtigen und den unzähligen Pseudo-Primeurs vor allem auch darum, zitiert zu werden. Scoop am Sonntag -> Aufnahme durch Agentur -> Weiterverbreitung über elektronische Medien und Abdruck in den Zeitungen vom Montag. Früher gabs das unsägliche Primeurranking, das Argus inzwischen eingestellt hat. Da konnte man (zeitweise mit Konterfei der siegreichen CR) sehen, wer der Chef der Chefs ist:
http://www.argus.ch/de_newsbox_primeurranking.arg
David Mur 06. Februar 2013, 15:53
guter text. am auffälligsten ist der verfall im kulturressort. nichtssagende artikel aus einer redaktion, die seit 12 jahren unverändert ist. aktualität? null. hintergründe? null. mal eine newsgeschichte? null. man bespricht dafür filme, bücher oder platten zwei monate vor der veröffentlichung oder bringt interviews, die man in einem halben tag gemacht und geschrieben hat. zum glück gibts das tv-programm, die leserzahlen wären sonst für diesen bund nicht messbar.
Dave Hertig 07. Februar 2013, 08:16
Lieber Ronnie Grob, ich hatte mir bereits abgewöhnt, von Journalisten branchenkritische Artikel zu erwarten. Sie spielen zudem unschweizerisch auf den Mann und das von aussen betrachtet auf faire und Martin Spieler sauber zu Wort kommen lassende Weise. Ich gratuliere Ihnen und bedanke mich. Lieber Martin Spieler, auch aufgrund meines Leseerlebnisses und meines Wissensstands über den Zustand der Redaktion bin ich als Ex-SoZ-Journi betrübt über deine Zeitung. Wenige hätten derart gute Voraussetzungen dafür, den besten Journalismus der Deutschschweiz zu betreiben. Doch das ist kaum deine Ambition. Lieber Andreas Durisch, schon zu deinen Zeiten war der CR kein leidenschaftlicher Journalist, stimmts? Die Blattkritiken hatten bereits in deiner Ära diesen Namen nicht verdient. Peace, man. Lieber Fred David, ich schätze dich als denkenden Menschen. Doch seit du wieder in der Schweiz bist, läuft bei dir diese Platte mit dem Journi, der nur im Ausland gut wird. Dabei warst du selbst als Cash-CR eine der krassesten Fehlbesetzungen unserer Medienszene. Manchmal wünschte ich mir, du könntest mit allem, was es zu kritisieren gibt, friedlicher umgehen. Dazu die besten Wünsche. Grüsse an alle, dave
Fred David 07. Februar 2013, 11:10
@) Dave Hertig: Medienkritik ist nun mal Medienkritik, und öfter halt mal unangenehm. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn dir „Ausland“ nicht passt, dann sagen wir doch einfach: Abstand von Zürich, zumindest auf Zeit, tut jedem Journalisten gut, der wieder nach Zürich zurückkehren will. Und für Chefs ist es ein Muss. Im Uebrigen: Wie du mich als Chef erlebt hast und ich dich als Mitarbeiter, sollten wir vielleicht nicht öffentliche austragen. Längst versunkene Zeiten.
Dave Hertig 07. Februar 2013, 14:12
Danke für deine Antwort, Fred David. Du bist ein Medienschaffender mit Geschichte und ich erlaube mir deshalb, deine Medienkritik an deinem Leistungsausweis zu bemessen – umso mehr als hier mit Martin Spieler ein Chefredaktor in der Kritik steht. Dass ich unter deiner Chefredaktion für Cash arbeitete, hatte ich nicht erwähnt. Wenn wir schon dabei sind: Du warst sehr gut zu mir und ich schätzte den persönlichen Kontakt. Doch wer auch immer den Job antrat, war damals DER Hoffnungsträger für «mein Cash». Wie es herauskam, wissen wir. Ich erinnere mich immerhin noch daran, dass du das Ruder tatsächlich herumreissen wolltest, während die nächste Führungsebene in Vollnarkose opportunistisch abwartete, bis du gegen die Wand knallst. So erlebte ich das, als du unser Chef wurdest. Rasch war ich weg und beobachtete den weiteren Niedergang mit schwerem Herz. Bestimmt ging es dir mit dem Cash ähnlich. Salut, dave
Fred David 09. Februar 2013, 13:03
@) Dave, dein Gedächtnis arbeitet präzis. Glückwunsch. Es war so, wie du schreibst. Ich lege, auch 12 Jahre danach, Wert auf die Feststellung, dass es mein freier und eigener Entschluss war, die Chefredaktion zu verlassen, ich wurde weder gedrängt noch dazu veranlasst. Ich sah, dass es nicht ging und dass ich es in diesem Umfeld nicht schaffen würde, das Ruder noch rechtzeitig rumzureissen. Fünfeinhalb Jahre später habe ich – leider – recht bekommen: CASH wurde aufgegeben. Aber wirklich: längst versunkene Zeiten. Der Blick nach vorn in unserem Gewerbe ist wirklich wichtiger. Und spannender.
Marcel Hauri 07. Februar 2013, 10:15
Danke Ronnie, kann ich nur beipflichten.
Total uninspiriert – so kam mir die SoZ je länger je mehr vor. Die Front-Aufmacher: langweilig, zum Teil unerheblich, ohne Unterhaltung. Das Recherchedesk in Ehren, aber die können wahrlich nicht jeden Sonntag den Karren aus dem Dreck ziehen. Der Fokus-Bund war noch der beste, je nach Themenwahl. Und gerne erwähne ich Barnaby Skinners Multimedia-Seite. Aber der Rest? Lustlos abgefüllt, schien mir das.
Darum – Abo nicht erneuert.