von Nick Lüthi

Eine Frau für die Zukunft

Eric Gujer heisst der neue NZZ-Chefredaktor. Mit dem bisherigen Auslandchef hat sich der Verwaltungsrat für eine interne Lösung entschieden. Den neu geschaffenen Posten einer «Chefredaktorin neue Produkte» übernimmt die Österreicherin Anita Zielina. Damit spielt die Landsfrau von CEO Veit Dengler eine Schlüsselrolle.

Drei Monate nach den Wirren um eine mögliche Besetzung der NZZ-Chefredaktion mit Markus Somm, ist das seither drehende Personenkarussell heute zum Stehen gekommen. Ausgestiegen sind: Eric Gujer, seit eineinhalb Jahren Auslandchef der Zürcher Zeitung, zuvor Korrespondent in Moskau und Berlin. Gujers Name kursierte von Anbeginn als valabler Kandidat für den Chefposten. Seine Wahl bedeutet in erster Linie Kontinuität: Das Primat der Publizistik und keine Experimente an der Spitze der Alten Tante.

Der starke mediale Fokus auf die Personalie des NZZ-Chefredaktors konnte indes leicht vergessen machen, dass die Führungsstruktur umgebaut und die Kompetenzen neu geregelt wurden. So wurde Felix E. Müller, Chefredaktor der NZZ am Sonntag, schon vor einer Weile zurück in die publizistische Leitung befördert, nachdem man ihn vor drei Jahren aus der Geschäftsleitung der NZZ Medien gedrängt hatte. Müllers Zuständigkeitsbereich umfasst auch die Verantwortung für Magazine und Periodika des Unternehmens.

Neu geschaffen hat die NZZ die Funktion einer «Chefredaktorin Neue Produkte». Diesen Posten übernimmt ab Mai Anita Zielina. Die 34-jährige Österreicherin arbeitete zuletzt als stellvertretende Chefredaktorin und Digitalchefin beim Nachrichtenmagazin Stern und zuvor in gleicher Funktion bei der Tageszeitung Standard in Wien. Bei beiden Titeln verantwortete sie als stellvertretende Chefredaktorin den Bereich digitale Medien. Zudem hat sie an der Universität Stanford in den USA über Zukunftsstrategien für Medienunternehmen geforscht. Für die neue Herausforderung bei der NZZ bringt sie also die erforderliche Erfahrung mit.

Der Landsfrau von NZZ-CEO Veit Dengler kommt demnach die vitale Aufgabe zu, mit neuen Produkten das publizistische Geschäft breiter abzustützen. Anderes als die lokale Konkurrenz verfügt die NZZ über nur ein sehr schwaches Standbein in medienfremden Märkten. Daher spielt die Lancierung – und vor allem: der Erfolg – von neuen Publikationen eine ungleich wichtigere Rolle. Neue Produkte bedeuten 2015 vor allem digitale Medien, aber nicht nur. CEO Dengler will Zielina denn auch nicht als Digitalchefin missverstanden sehen, obwohl natürlich klar ist, dass sie aufgrund ihres Profils für diesen Job geholt wurde.

Beim ersten neuen digitalen Produkt, dessen Lancierung Zielina verantworten wird, handelt es sich um eine bislang noch nicht näher bekannte Plattform mit dem Arbeitstitel NZZ.next. Das sei «ein neues Digital-Produkt (…), mit dem wir neue Lesergruppen erschliessen wollen», wie die bisher einzige offizielle Verlautbarung dazu festhält. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine Adaptierung des digitalen Österreich-Ablegers nzz.at für den schweizerischen Markt handelt. Offiziell erfährt man dazu nur so viel von nzz.at-Sprecher Rudi Fussi: Er könne «bestätigen, dass all das, was wir bei NZZ.at tun, natürlich in allen Teilen des Konzerns genau beobachtet wird und Learnings in die unterschiedlichsten Bereiche einfliessen.» Mit NZZ.next als Plattform für die aktuellen Bedürfnisse einer digitalen und mobilen Mediennutzung schlägt die NZZ einen Weg ein, den derzeit viele Medienunternehmen beschreiten. Schnelle und schlanke Beiboote zum mächtigen Mutterschiff. Ebenso muss die NZZ das Bedürfnis nach langer, tierschürfender Lektüre bedienen – vorzüglich auf Papier, aber moderner auch als E-Paper. Die unmittelbar bevorstehende Lancierung von NZZ Geschichte spricht dieses Publikumssegment an.

Anita Zielina steht vor einer der spannendsten Aufgaben in der Schweizer Medienlandschaft. Doch das Risiko und der Erfolgsdruck sind hoch. Denn das Stammgeschäft der NZZ mit der gedruckten Zeitung bröckelt weiter und die Digitalstrategie der Kernprodukte muss weiter optimiert werden. Als Digitalexpertin in der Chefredaktion wird sie ihr Know-How mit den Kollegen Gujer und Müller teilen und so letztlich auch für NZZ und NZZ am Sonntag die Weiterentwicklung mitprägen.