von Ronnie Grob

Der Journalismus im Internet ist eine Enttäuschung. Denn damit Du diesen Text liest, brauchst Du so eine Schlagzeile.

Für den Journalismus ist das Internet ein Eldorado der Möglichkeiten. Und doch eine einzige Enttäuschung: Weil damit kaum Erlöse erzielt werden, findet der grosse Teil des wertvollen Journalismus immer noch ausserhalb statt. Geld verdienen lässt sich vor allem mit schreierischen, journalismusfernen Inhalten.

Was haben wir uns vom Journalismus
im Internet
versprochen – und was wurde bisher eingelöst? Sind Printmedien tatsächlich tot oder stehen sie vor einem Comeback? Die MEDIENWOCHE beleuchtet in einer Serie die Veränderungen des Journalismus durch das Internet.

Ich hätte nicht erwartet, dass es soweit kommt. Aber vielleicht muss ich einigen Kritikern des Internets recht geben. Denn die grossen, mit der Explosion von Möglichkeiten im Internet geschmiedeten Träume konnten bisher nicht erfüllt werden. Viele der solche Visionen hegenden kreativen Geister leben stattdessen fast prekärer als in Vor-Internet-Zeiten. Musiker gehen auf Marathon-Konzerttourneen, Künstler füllen Förderanträge aus und Journalisten wechseln zuhauf in die PR und «kommunizieren» fortan. Oder es funktioniert die Quersubventionierung: Man ist bekannt für das eine, verdient das Geld aber mit etwas anderem. Sascha Lobo hat das Internet im Januar 2014 als «kaputt» bezeichnet, und damit vor allem die dort praktizierten, aus Steuer- und Werbegeldern finanzierten Überwachungstätigkeiten gemeint. Das ist zwar eine etwas sehr vereinfachte Darstellung, aber wenn das Wort enttäuschte Verheissungen eines Spiel- und Werkzeugs benennt, dann ist sie nachvollziehbar.

Die wirtschaftlichen Nutzniesser des Medienwandels im publizistischen Bereich sind bisher einige wenige grosse Plattformen und ihre Investoren. Haben diese oft keine eigenen Inhalte erstellenden Plattformen publizistische Ziele, so unterscheiden sie sich von jenen des klassischen Journalismus. Was natürlich auch mit der durch den Medienwandel veränderten Struktur zu tun hat. Was immerhin teilweise funktioniert im Netz, ist das Geldsammeln. Direkt per IBAN oder auf Crowdfunding-Portalen wie Kickstarter, Indiegogo oder Wemakeit. Muss sich der ernsthafte Journalismus zukünftig um Spendengelder von Lesern und Mäzenen bemühen?

Es wird offensichtlich: Hinter den Verheissungen des Medienwandels öffnen sich Abgründe. Um den klickheischenden Titel einzulösen, liefern wir also acht knackige Schlagzeilen, wie sie Internetfreunde lieben – und acht unangenehme Wahrheiten dahinter, die sie gerne verdrängen. Es ist der Start einer Serie zum Journalismus im Internet.

1. Der Journalismus im Internet verfügt über grenzenlose Möglichkeiten!

Doch die Online-Journalisten sind kleine Boulevardmäuse geblieben, bemitleidenswerte Klickfabrik-Arbeiter. Für Recherche haben sie keine Zeit, denn sie müssen mehrmals täglich Stücke raushauen. Die dann bitteschön performen sollen, also zuhauf Interaktionen nach sich ziehen.

2. GRENZENLOSE MÖGLICHKEITEN!

– von denen nicht nur die Journalisten, sondern auch die Konsumenten überfordert zu sein scheinen. Die inszeniert abgeschlossene Welt einer Tageszeitung oder einer Tagesschau-Ausgabe ist zwar keine adäquate Abbildung der Wirklichkeit, entspricht aber offenbar dem Bedürfnis vieler Menschen nach Überschaubarkeit.

3. Das Netz ermöglicht es uns, immer freier, immer schneller, immer schrankenloser zu kommunizieren!

Doch wir liefern unsere Daten freiwillig an Milliardenkonzerne aus, die uns überwachen und die nicht verhindern können, dass uns Regierungen überwachen.

4. Datenauswertungen machen Netzinhalte besser!

– und überwachbarer. Was den Schutz vor Überwachbarkeit angeht, sind gedruckte Publikationen im Vorteil, wie ich im Text «Die Lösung heisst Rückschritt» ausgeführt habe: Ihre Lektüre bleibt ein kaum zu überwachbares Unternehmen – ähnlich wie das Bezahlen mit (ebenfalls gedrucktem) Bargeld.

5. Datenauswertungen machen Netzinhalte sogar zeitlos!

Wie es auf Portalen wie Likemag.com, Storyfilter.com oder Heftig.co zu bewundern ist, sind perfekt auf Leserreaktionen optimierte Beiträge am Ende zeitlos und müssen auch gar kein Datum mehr tragen. Mit Journalismus, einem Wort, das vom auf den «Tag» zurückgehenden französischen Wort «journal» kommt, hat das nichts mehr zu tun.

6. Der Digitalanteil der Zeitungsverlage steigt ständig an!

– wie diese in Medienmitteilungen stolz vermelden. Doch mit Journalismus haben Projekte wie Doodle, Ricardo, Trendsales (Tamedia), ImmoScout24, DeinDeal, Geschenkidee (Ringier) oder Idealo, Kaufda, Zanox (Axel Springer) nichts zu tun.

7. Journalisten sind gut bezahlt!

Wenn sie denn in Chefpositionen bei Druckerzeugnissen angestellt sind. Wer sich wundert, dass Abgänger von Journalistenschulen auch heute noch lieber bei den Printprodukten «Zeit», «Spiegel» oder NZZ arbeiten möchten und nicht unbedingt bei 20min.ch: Entscheidend sind die Arbeitsbedingungen, der Ruf der Marke und die journalistischen Möglichkeiten. Um auch in Krisenzeiten keine Abstriche machen zu müssen, spart man auf Kosten der freien Mitarbeiter. Während festangestellte Journalisten nach wie vor normal verdienen, sind die Honorare für die Freien kaum noch existenzsichernd.

8. Der ernsthafte, wertvolle Journalismus findet statt!

– und zwar oft auf Papier. Auch wenn es im Internet einige ernsthafte Publikationen gibt. Auch wenn Zeitungswebsites immer wieder grossartige journalistische Online-Projekte durchziehen. Und auch wenn Buzzfeed und Watson ihre «So-verrückt-ist-die-Welt»-Postings ab und zu mit echtem Journalismus auflockern. Gemessen an der Anzahl von originären, demokratierelevanten Inhalten schneidet Print gegen das Netz immer noch noch gut bis sehr gut ab.

Reaktionen auf den Beitrag:
Vera Bunse: Antwort an Ronnie Grob

Leserbeiträge

Torsten Williamson-Fuchs 18. August 2015, 18:57

Der letzte Satz dieses interessanten Artikels schreit nach Widerspruch. Wer entscheidet, was „originär, demokratierelevanter Inhalt“ ist? Rein vom Gefühl her kann das Netz mithalten; gerade, wenn es für eine umfassende Information über alle Aspekte genutzt wird.

Gerade für Menschen mit Bücherregal ist es auch, aber eben nicht nur demokratierelevant, täglich die gleichen Phrasen von CDUSPD-ETC serviert zu bekommen.

Ein Beispiel: Ausführliche und fesselnde Artikel finde ich natürlich bei der Zeit und der NZZ. Aber „Waitbutwhy“ kann locker mithalten.

Gartenzwerg 18. August 2015, 19:49

Nein, volle Zustimmung zum letzten Absatz. Es ist toll, wenn man sich bis in letzte Detail und sicher auch hochwertig zu einem bestimmten Sachverhalt im Netz informieren kann.

Um aber einen Überblick über das „demokratierelevante“ Tagesgeschehen zu bekommen, sind Tageszeitungen tatsächlich bitter nötig. Leider interessieren sich gleichzeitig immer weniger Menschen für demokratische Wahlen und für Tageszeitungen – vielleicht gibt es da einen Zusammenhang. (Was nicht heißen soll, dass der Inhalt einer Tageszeitung nicht genauso auf einem anderen Trägermedium funktionieren könnte.)

Torsten Williamson-Fuchs 18. August 2015, 22:20

Den Überblick über das Tagesgeschehen bringt auch eine News-App. Bzw. dpa, die in Deutschland bei verschiedenen Angeboten als Ticker läuft.

Wie sagte einst der heutige Lobbyist und Ex-Kanzler Schröder? Zum Regieren brauche er nur BamS und Glotze. Und mal ehrlich: wer hat denn Zeitungen im Abo? Das Bildungsbürgertum. Und das informiert sich längst über die gängigen Medien hinaus.

fst 18. August 2015, 22:23

«Weil damit kaum Erlöse erzielt werden, findet der grosse Teil des wertvollen Journalismus immer noch ausserhalb statt.»

Oder eher: Weil der grosse Teil des wertvollen Journalismus immer noch ausserhalb stattfindet, werden damit online kaum Erlöse erzielt?

Und stimmt das Gefühl wirklich, dass der grosse Teil des Wertvollen nicht online stattfindet? Ist das nicht schon durch die häufige Strategie, fast alle Zeitungs-/Zeitschrifteninhalte online zu stellen, nicht plausibel, zu schweigen vom Inhalt der journalistischen Startups, der gar nie gedruckt wird?

Du vermischst wirtschaftliche Enttäuschung und inhaltliche Enttäuschung, Verlage und Freie, den in Verlagen produzierten Journalismus und das Internet als Ganzes, ich weiss nicht recht, ob so eine solche Generalkritik gut begründet ist. Mein Internet ist, was den Journalismus angeht, jedenfalls nicht kaputt.

Ronnie Grob 20. August 2015, 11:36

Und stimmt das Gefühl wirklich, dass der grosse Teil des Wertvollen nicht online stattfindet?

Da müsste dann wohl die Wissenschaft ran. Aber sag mal, Florian, wo findet denn im deutschsprachigen Internet exzellenter Journalismus statt, der nicht eine Zweitverwertung von einem anderen Träger wie Papier ist (wie häufig bei der NZZ zum Beispiel), durch Crowdfunding finanziert wurde (Krautreporter) oder hinter dem eine Stiftung steht (Correctiv)? Ich wäre interessiert an Beispielen, wo grossartiger Journalismus im Internet einfach nur funktioniert, auch finanziell. Kannst Du mir ein paar liefern?

fst 20. August 2015, 12:15

Lieber Ronnie, Dein Urteil in diesem Text bezieht sich auf «den Journalismus» und «das Internet», nicht nur auf den deutschsprachigen Raum. Und was ist das Problem bei Zweitverwertung, Crowdfunding und Stiftung? Das sind drei Wege, wie nicht Page-Impressions-getriebener Journalismus im Netz aktuell stattfindet. Heisst, dass Du die in Deiner Frage an mich ausschliesst, dass Du eigentlich nur bedauerst, dass das Internet für die direkte Finanzierung von Journalismus durch Zahlungen von Lesern oder Werbekunden im deutschsprachigen Raum eine Enttäuschung ist?

Ronnie Grob 20. August 2015, 12:23

Nein, natürlich nicht. Aber es zeigt sich doch sehr deutlich, dass es bisher kaum werbefinanzierten Journalismus online gibt, der an die Qualität von Print heranreicht. Genau deshalb sind doch alternative Finanzierungsformen auch so wichtig. Ich begrüsse sie alle, und meine, dass sich nicht nur Werbetreibenden über diese Situation Gedanken machen sollten. Sondern alle, denen eine kritische, informierte Öffentlichkeit ein Anliegen ist. Ohne kritische, informierte Öffentlichkeit ist keine Demokratie zu gestalten, schon gar nicht eine Direkte Demokratie wie die Schweiz.

Gartenzwerg 18. August 2015, 22:36

Mir ist die Informationstiefe einfach zu gering bei gängigen Kostenlos-Angeboten und gleichzeitig ist eine Tageszeitung für mich mehr als die Summe eines unsortierten Agenturtickers. Nachrichtenauswahl und die übersichtliche Aufbereitung ist für mich ein Wert an sich, auch wenn mir bewusst ist, dass ich damit zu einer kleinen und aussterbenden Minderheit gehöre. Das geht noch ein paar Jahre gut, dann gibt es entweder keine Zeitung mehr oder eine technische Erfindung, die das Konzept in die Moderne hinüberrettet (flexibles elektronisches Papier?).

Schröder würde heute wohl eher Bild.de zum Regieren benutzen wollen – und dass ihm das vielleicht auch gelingen würde, wäre eher ein Argument für hochwertigeren Journalismus im Netz als dagegen …

Torsten Williamson-Fuchs 19. August 2015, 14:08

Vermutlich würde Schröder auf bild.de setzen. Und auf dieses – wie heißt das doch gleich – facebook.

Ich habe nichts gegen unsortierte Agenturmeldungen. Mit vielen Nachrichtenredakteursjahren auf dem Buckel brauche ich niemanden für eine Vorauswahl.

vera bunse 18. August 2015, 23:10

Morgen bekommst du eine (erste?) Antwort. Sitze noch dran.

Sebastian Markdorf 19. August 2015, 08:38

Sie beschreiben die Veränderungen im Journalismus korrekt, aber für meinen Geschmack etwas einseitig. Es gibt durchaus Beispiele, bei denen bezahlter, anspruchsvoller Journalismus auch im Netz funktioniert: Die NYT, de Correspondent (NL) oder das Food-Blog Valentinas-Kochbuch.de aus Berlin.

Das zeigt doch, dass mit vernünftigen Angeboten, die den Leser ernst nehmen, ihn weder wie Klickvieh behandeln noch mit Bannerwerbung beschiessen, Geld verdient werden kann. Man muss es nur tun!

Christian Jakubetz 19. August 2015, 08:59

Da ist schon einiges wahr dran. Ich glaube aber, dass sich viele Aussagen generell auf Journalismus beziehen lassen. Wer würde bestreiten wollen, dass auch in „analogen“ Redaktionen häufig dröge Fließbandarbeit geleistet wird? Und ist es wirklich ein Phänomen des Netzes, dass sich laute und grelle Inhalte leichter verkaufen als komplexe Analysen? Die angesprochene Problematik mit Datenauslieferung und Überwachungsmöglichkeiten sind ebenfalls richtig, aber aus meiner Sicht kein originäres Problem des Journalismus, sondern eher generell der Digitalisierung.

Und dass auf Papier „wertvoller, ernsthafter“ Journalismus stattfindet, ist natürlich nicht zu widerlegen. Aber hast du schon mal geschaut, wie viel elender Blödsinn auch auf Papier gedruckt wird ;-)?

Worauf ich raus will: Vorsicht vor so teilweise arg pauschalen Aussagen wie in diesem Einstiegstext. Freue mich dennoch auf den Rest der Serie.

Tom 19. August 2015, 10:00

Nunja, vielleicht findet der echte Journalismus auch nur noch in Büchern statt. Ich lese jedenfalls mittlerweile sehr gerne, v.a. auf meinem E-Reader. Abseits dieser heftig.co Schlagzeilen und der 8fachen Artikelupdates um im Feed immer oben zu stehen. Abseits der von US Seiten kopierten Artikel. Abseits der auf Google optimierten Clickbait Linkschleudern.
Aber da ist das nächste Problem versteckt: Die Onleihe kostet mich 6 Euro im Jahr und ich kann täglich einige Zeitungen wie auch Zeitschriften ausleihen.
Und grundsätzlich sollte man halt nicht online publizieren wenn man kein Geld verdient und es einem nicht um den guten Willen geht. Angebot und Nachfrage. Des Weiteren gibt es mittlerweile auch genügend Blogs, die authentisch und voller Enthusiasmus schlichtweg besser über einzelne Themen berichten als klassische Printmedien (wobei ich die meisten Printmedien ja eh kostenlos via Onleihe bekomme).

vera bunse 19. August 2015, 10:14

Hier ist meine Antwort: https://verabunse.wordpress.com/2015/08/19/medienwoche-serie-journalismus-im-internet-antwort-an-ronnie-grob/ Könnte noch mehr schreiben, aber es kommen ja noch sieben Folgen.

bugsierer 20. August 2015, 11:42

bitte nicht…

Bodo Bleicher 19. August 2015, 12:21

Was umso besorgniserregender ist, also dass Autoren „gute“ Artikel vorallem auf Papier veröffentlichen. Ich möchte den Anteil der jungen Generationen garnicht wissen, der sich Online Informiert, und so einfach zu viele dieser „guten Artikel“ überhaupt nicht zu Gesicht bekommt.

Außerdem: Wenn auf Papier gute Artikel zu finden sind, sind sie – subjektive Meinung – von der Streungsrate aus gesehen, warscheinlich genauso oft zu finden, wie im Internet wenn man weiß, wo man suchen muss. Denn um jeden guten Artikel offline zu erhaschen, braucht man auch mehrere Zeitungen, es sei denn man ist mit der Verlagspolitik und der „idologische Ausrichtung“ eines Blattes zufrieden, was in der heutigen Zeit, wo in jedem Medienkonzern (Ex-)Politiker sitzen, stark zu bezweifeln ist

Und das Internetkonzerne unsere Daten sammeln, ist eben der Deal im Internet, denn man bei vielen kostenlosen Angeboten eingeht. Daten gegen kostenlose Nutzung. Sollte man sich eigentlich bewusst sein, sobald man Google im Startfenster öffnet oder sein Android-Smartphone/Iphone nutzt. Verstehe auch nicht den Bezug auf die Regierung, da anstelle uns zu Überwachen, sie sich für den richtigen Umgang mit unseren Daten im Netz, eigentlich einzusetzen hat.

Ronnie Grob 20. August 2015, 11:46

Ich möchte den Anteil der jungen Generationen garnicht wissen, der sich Online Informiert, und so einfach zu viele dieser „guten Artikel“ überhaupt nicht zu Gesicht bekommt.

Genau das glaube ich auch. Es wächst aktuell eine Generation heran, die vielfach gar nicht mehr weiss, was Journalismus überhaupt ist und bewirken kann – weil sie diesen konkret gar nie zu Gesicht bekommt. Ich halte das für äusserst gefährlich: Kann man mit solchen Leuten eine Demokratie gestalten?

Thom Nagy 20. August 2015, 09:06

Repost von Facebook:

Eine gelungene Provokation und ein guter Debattenstarter, danke dafür.

Ein paar Gedanken, ohne dabei auf einzelne Punkte einzugehen, von denen einige absolut unwidersprochen sind (I’m looking at you, Punkt 7).

Du schreibst von «wertvollem Journalismus» und von «Demokratierelevanz» als Gegenpol zu den Erzeugnissen «bemitleidenswerter Klickfabrik-Arbeiter». Ich glaube, mit solchen Worten wirft man schnell um sich, ohne sie genau definiert zu haben. Wie demokratierelevant ist zum Beispiel ein gut recherchierter, aufklärender Beitrag zu einem wichtigen politischen Thema, den niemand zu Gesicht bekommt? Und umgekehrt: Wie demokratierelevant ist ein Youtube-Video mit Clickbait-Titel, das hunderttausende Menschen erreicht und sie in ihren möglicherweise falschen Einstellungen bestärkt?

Gesellschaftlich «wertvoll» wird Journalismus m.E. erst, wenn er einen Sachverhalt auf- oder erklärt, neue Perspektiven aufzeigt oder einfach Denkanstösse gibt, mit dieser Botschaft aber auch ein hinreichend grosses Publikum erreicht. Das funktioniert nicht, wenn Massentauglichkeit und Werthaltigkeit als Gegensätze begriffen werden.

Da fängt aber schon die nächste Schwierigkeit an: Wir bewegen uns auf eine Welt zu, in der einige wenige Organisationen (I’m looking at you, Facebook) den überwiegenden Teil der öffentlichen Kommunikation organisieren, mit tausenden von kleinen und grossen Content-Erstellern, die ihre Erzeugnisse in das Gesamtsystem einspeisen. Aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte tragen diese (bislang) keinerlei gesellschaftliche Verantwortung, machen also immer das, was in ihrem Business-Interesse liegt. Einen Vorgeschmack auf die Machtfülle haben wir ja schon erhalten: http://www.theatlantic.com/…/how-facebook-could…/382334/ Und das ist ein Beispiel aus 2011. Wie gehen wir als Gesellschaft mit dieser Machtkonzentration um? Welche Rolle für die Demokratie spielen «Medien» in einer solchen Welt noch überhaupt?

Im Gegensatz zu dieser gesellschaftlichen Sicht, ist meine individuelle Medienrealität gleichzeitig reichhaltiger denn je: Ich konsumiere heute eine unglaubliche Menge von spannenden Inhalten, und das fast ausschliesslich digital. Manche aus traditionellen Redaktionsstuben, andere von Einmann-Hobby-Betrieben wie waitbutwhy (Im looking at you, http://waitbutwhy.com/…/how-and-why-spacex-will…) und natürlich solche aus dem Hivemind von reddit. Das sind alles Sichtweisen auf die Welt, die dem Publikum vor dem Internet schlicht nicht zugänglich waren. Das macht mich dann auch wieder optimistisch für das Gesamtsystem Internet.

/ende stream of consciousness