von Nick Lüthi

SVP-Nationalrat und Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl: Der SRG-Pragmatiker

Keine Partei tritt so dezidiert gegen die SRG auf wie die SVP. Selbst die Abschaffung des gebührenfinanzierten Radios und Fernsehens ist für die Volkspartei inzwischen eine Option. Der höchste Schweizer, SVP-Nationalrat Jürg Stahl, findet das den falschen Weg. Besonders für den Schweizer Sport stehe zu viel auf dem Spiel ohne SRG, sagt Stahl, der seit Anfang Jahr als Präsident von Swiss Olympic amtet.

Im Gespräch fällt der Begriff immer wieder. Er sei ein Pragmatiker. Oder: Das muss man pragmatisch angehen. Damit beschreibt Jürg Stahl seine Haltung zur SRG und zur Zukunft des Service public in der Schweiz. Von einer Tabula rasa mit einem von «Zwangsgebühren» befreiten Medienmarkt hält der SVP-Nationalrat nichts. «Die Medienlandschaft kann man nicht auf der grünen Wiese neu erfinden», sagt der Volksvertreter aus Winterthur. Das ist als deutliche Absage an die No-Billag-Initiative zu verstehen, die das heutige Mediensystem aus den Angeln heben würde. Aber auch den vermeintlich moderateren Vorschlag einer Gebührenhalbierung, den die SVP-Bundeshausfraktion favorisiert, findet Stahl «schwierig».

So geschlossen, wie der Eindruck entstehen könnte, wenn die medienpolitischen Lautsprecher der Partei gegen die «Staatssender» der SRG zu Felde ziehen, steht die SVP nicht da. Dass Stahl in Medienfragen anders tickt als die dominierende Strömung der SVP ist auf den ersten Blick nicht erkennbar. In den Abstimmungen zu medienpolitischen Vorlagen im Nationalrat stimmte er in den letzten Jahren immer schön brav mit der Parteimehrheit. Doch da ging es nicht ums grosse Ganze. Im Hinblick auf die Schicksalsabstimmung positioniert sich Stahl aber klar.

Ein wichtiger Grund für seine SRG-freundliche Haltung ist seine jahrzehntealte Freundschaft zu SRF-Sportchef Roland Mägerle, wie Stahl unumwunden erklärt. Die beiden Jahrgänger (1968) kennen sich von Kindesbeinen an. Sie turnten als Zehnjährige im gleichen Verein und es ist bis heute der Sport, der die beiden freundschaftlich verbindet. Zwischenzeitlich geschäfteten sie auch zusammen in der Gastronomie. Seit Anfang Jahr stehen beide in Top-Chargen des Schweizer Sports: Mägerle als SRF-Sportchef und Leiter Business Unit Sport der SRG, Jürg Stahl als Präsident von Swiss Olympic.

«Ich weiss, was die SRG für den Schweizer Sport leistet», sagt Jürg Stahl. Das bedeute aber nicht, dass er alles gutheisse, was im Gesamtunternehmen geschehe. Kritisch sieht Stahl insbesondere die Kostenentwicklung an der Spitze. Dort habe man über die Jahre die Bodenhaftung verloren. Da gäbe es sehr wohl Sparpotenzial, ohne dass gleich die Substanz leide. Da müsse man den Mut aufbringen und gewisse Funktionen abschaffen. Aber auch im Kleinen ortet Stahl unnötige Kosten. Aus eigener Erfahrung stört ihn etwa der Aufwand, den SRF vor TV-Auftritten treibt: «In der Maske braucht es nicht so viel Personal, Privatsender kommen auch mit weniger aus.»

Anders als seine SVP-Kollegen, die regelmässig die von ihnen beobachtete Linkslastigkeit der SRG-Programme geisseln, beobachtet Stahl das Gegenteil: «Ich stelle mit Freude fest, dass die SRG wertkonservativer geworden ist.» Den neuen Slogan «Die Schweiz im Herzen» hält er für glaubwürdig. Das Programm sei in die Breite gegangen. Seine Optik ist stark von der Sportberichterstattung geprägt. Da will er alles am liebsten so erhalten wie es ist. Aber auch ganz allgemein findet er kaum Kritik am Programm. Nur ganz dezent und allgemein sagt er: «Es gibt schon gewisse Sachen, die ich nicht für so weltbewegend halte.»

Gleichzeitig klammert Jürg Stahl die grundlegenden Fragen zum Medienwandel nicht aus. «In der Medientechnologie geht extrem die Post ab, da muss man sich natürlich schon fragen, wie weit ein Unternehmen wie die SRG geschützt werden soll.» Wenn er aber sehe, was die SRG an den Skiweltmeisterschaften in St. Moritz geleistet habe, dann müsse solche Qualität auch in Zukunft erbracht werden können: «Darauf darf die Schweiz stolz sein».

Im Hinblick auf die Abstimmung zur No-Billag-Initiative wird Swiss Olympic, wie auch zahlreiche weitere Verbände und Vereine, denen die SRG eine nationale Plattform für ihre Aktivitäten bietet, eine entscheidende Rolle spielen. Denn sie und ihre Mitglieder wissen genau, dass sie für die 460 (und bald nur noch 400) Franken pro Jahr weit mehr erhalten als nur Radio- und TV-Programme. Ob und wie sich Swiss-Olympic-Präsident Stahl in den Abstimmungskampf einmischen wird, will er heute nicht sagen. Unabhängig davon wird sich die Dachorganisation der Schweizer Sportverbände gegen No Billag einsetzen, wie bei Swiss Olympic zu erfahren ist.

Das Dilemma der beiden Hüte, die er trägt – jenen der SRG-kritischen SVP und den anderen der SRG-freundlichen Swiss Olympic –, bringt Jürg Stahl zumindest bis Ende Jahr nicht allzu stark in die Bredouille: Der Nationalratspräsident nimmt bekanntlich nicht an den Abstimmungen teil, es sei denn, er müsste bei Stimmengleichheit den Stichentscheid fällen. Bei der Frage eines von der SVP favorisierten Gegenvorschlags zur No-Billag-Initiative könnte es im Parlament durchaus eng werden. Stahl, der bekennende Pragmatiker, würde als Ratspräsident wohl seiner Partei folgen, wie er das bisher immer gemacht hat bei medienpolitischen Vorlagen und sich dann im Abstimmungskampf als Bürger und Swiss-Olympic-Präsident gegen eine Schwächung der SRG einsetzen.

Leserbeiträge

Walter Leibundgut 07. März 2017, 13:41

Es hat noch Sparpotential
Stahl hat einige Einsparungen erwähnt. Es gibt auch noch andere, zum Beispiel im Sport, und zwar ohne Qualitätsverlust.
Es ist zwar nicht nur bei SRF so, aber die meisten Sender haben vergessen, dass Fernsehen in erster und zweiter Linie vom Bild lebt – und nicht von den bisweilen hanebüchenen Kommentaren.
Meistens völlig überflüssig sind die Co-Kommentatoren. Diese Unsitte ist vor vielen, vielen Jahren von den Franzosen eingeführt worden mit dem Rad-Profi Cyril Guimard. Heute ist der „Mehrwert“ durch diese „Experten“ meistens sehr klein, ganz abgesehen davon, dass einzelne selbst im Dialekt kaum einen Satz korrekt formulieren können. Wenn Sportjournalisten einen „Experten“ benötigen fehlt es ihnen an Fachwissen und sie gehören nicht an ein Mikrofon.
Warum bei Fussballübertragungen zwei Kommentatoren, zwei Moderatoren und einen Interviewer erforderlich sind, konnte ich bis heute nicht herausfinden.

Frank Hofmann 08. März 2017, 10:48

Es gibt nur eine Antwort: Die Staatssender schwimmen im Billag-Geld. Aktuelles Beispiel: Champions League, Napoli vs Real Madrid auf RSI2. Im Studio: ein Moderator, zwei Experten (Trainer und Spieler). In Neapel im Stadion: ein Kommentator, ein Experte. Bei den Welschen ists genau gleich. Das Geld für die Tessiner und die welschen Geldverschleuderer kommt weitgehend von den Deutschschweizer Billag-Zahlenden.