von Nick Lüthi

Das Rigozzi-Experiment

Unter Jonas Projer entwickelte sich die «Arena» des Schweizer Fernsehens SRF zu einem Experimentierfeld – wozu auch das Risiko zu Scheitern gehört. Beim jüngsten Experiment, der Verpflichtung von Christa Rigozzi als Co-Moderatorin für das neue Format «Arena/Reporter», spielt SRF mit hohem Einsatz.

Darf die das? Darf eine gewesene Miss Schweiz, die heute vor allem als Werbefigur nationale Prominenz geniesst, eine redaktionelle Aufgabe beim Schweizer Fernsehen übernehmen? Am 11. Juni wird Christa Rigozzi zusammen mit Jonas Projer erstmals das neue Format «Arena/Reporter» präsentieren, weitere Sendungen sollen folgen.

Die Personalie überraschte alle und irritiert viele. Besonders beim Schweizer Fernsehen SRF selbst hält man Rigozzi für eine Fehlbesetzung und ein Reputationsrisiko für den Sender. Selbst wenn man den Neid übergangener Moderatorinnen wegrechnet, bleibt berechtigte Kritik an der unkonventionellen Besetzung des neuen Jobs.

Wieso öffnet SRF ohne Not das toxische Fass der problematischen Nebenbeschäftigungen? Reicht es nicht, dass der Sender in der Vergangenheit immer wieder in der Kritik gestanden hatte und auch schon verurteilt wurde für die Ausflüge ihres Personals in die Werbung? Nun setzt das Schweizer Fernsehen wissentlich und willentlich auf eine Werbefigur, die unter anderem prominent Bankkredite anpreist. Dass Rigozzi die kommerziellen Aktivitäten während ihres SRF-Engagements einschränkt und während eines halbe Jahres keine Spots mit ihrer Person auf dem Sender laufen, ist das Mindeste an Vorkehren gegen die Rollenvermischung.

Die Personalie Rigozzi überraschte indes nur auf den ersten Blick. Sie passt ganz gut zur Experimentierfreudigkeit der «Arena» unter der Leitung von Jonas Projer. Dazu zählt auch die Einladung ebendieser Christa Rigozzi als Diskussionsgast in zwei früheren «Arena»-Sendungen. Sowohl im September 2014, als es um einen zweiten Gotthard-Autotunnel ging, als auch im letzten März zu Familienmodellen, überraschte die Ex-Miss selbst ihre lautesten Kritiker mit einem souveränen Auftritt. Damit empfahl sie sich offenbar für mehr. Dass sie auch auf der anderen Seite des Stehpults eine gute Figur machen würde, daran bestanden eigentlich nie Zweifel.

Experimente können aber auch scheitern. Das weiss Jonas Projer als Moderator und Redaktionsleiter der «Arena» nur zu gut. Mit Daniele Ganser als Diskussionsteilnehmer fiel er auf die Nase und musste harte Kritik einstecken. Auch der Auftritt von AfD-Spitzenpolitiker Gauland gehörte nicht zu den Glanzpunkten der Diskussionssendung. Andere Experimente hingegen sind geglückt oder haben sich zumindest gelohnt für die Weiterentwicklung des Formats. So etwa das Fernsehspiel «Terror – Ihr Urteil» nach dem Bestseller von Ferdinand von Schirach. Bei aller – berechtigten – Kritik («Populisten-Porno») darf sich die Sendung doch immerhin zugute halten, eine produktive Debatte ausgelöst zu haben mit pointierten und fundierten Wortmeldungen zur Legitimität von Mehrheitsentscheidungen.

Ein technisches Experiment wagte die «Arena» Anfang Jahr. Die «Zukunfts-Arena» wurde nicht nur auf den SRF-Kanälen und -Plattformen gezeigt, sondern auch auf den Facebook-Profilen der diskutierenden Jungpolitikerinnen und Jungpolitiker gestreamt. Die Premiere bestand darin, dass die Sendung in Echtzeit und nicht als Voraufzeichnung ausgestrahlt wurde. Ein vergleichsweise harmloses Experiment, das keine weiteren Wellen warf.

Beim Rigozzi-Experiment hingegen spielt die «Arena» mit dem bisher höchsten Einsatz. Kritiker meinen gar, der Service public an sich stehe auf dem Spiel mit der Verpflichtung einer landesweit bekannten Werbefigur für eine redaktionelle Aufgabe. So hoch braucht man gar nicht zu greifen. Eine Christa Rigozzi wird dem Ansehen von SRF nicht mehr, aber auch nicht weniger schaden als all die früheren Grenzgänge zwischen Redaktion und Werbung.

Worin aber genau der Mehrwert der prominenten Neuverpflichtung liegen soll, bleibt bis heute nicht ganz klar. Wenn Frau Rigozzi in der neuen Sendung «eine klar zugewiesene Rolle» spielen soll, wie SRF-Chefredaktor Tristan Brenn schreibt, die weder journalistisch noch moderativ zu verstehen sei – also eine bessere Assistentin spielt – dann bleibt unter dem Strich nur noch der Promifaktor und der sympathische Auftritt als Plus gegenüber einer weniger bekannten Person. Eine zu schwache Grundlage für den hohen Einsatz.