Show mit schalem Nachgeschmack
Wir wollen wirklich gerne glauben, dass Maya Wirz (49), Buschauffeuse aus Kaiseraugst, so echt ist wie ihr Basellandschäftler Dialekt. Sie hatte am vergangenen Samstagabend während der neuen Talentshow auf SF, von der Regie mit grauer Rüschenbluse wirksam als Aschenputtel zurechtgemacht, Publikum und Jury mit einer Puccini-Arie gegen die Wand gesungen. Wirz’ Vorbild: die pummelige und gleichaltrige Susan Boyle aus der schottischen Underclass im Städtchen Blackburn. Diese war 2009 in der Show «Britain’s got Talent» auf ITV, Englands grösster privater Senderkette, über Nacht zum internationalen Medienereignis und Publikumsliebling durchgestartet. Ihre Youtube-Videos wurden seither über 300 Millionen mal geklickt und das Boyle-Phänomen auf zig Talentshows nach demselben Muster zur Pflicht. Und jetzt also auch auf SF, hier allerdings nicht auf einem Privatsender, sondern finanziert mit Gebührengeldern.
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Am Samstagabend stach zunächst das bis auf die Haarfarbe der dreiköpfigen Jury (Bobo, Rigozzi, Kilchsperger) den Briten minutiös nachgestelltes Setting ins Auge. Im Verlauf der Sendung erhärtete sich der Verdacht: Hier wurde nichts dem Zufall überlassen. Enthüllungen des Sonntag, SF sei mangels origineller Talente mit grosszügigen Spesenangeboten bei Künstleragenturen zu Kreuze gekrochen, um bereits Arrivierte zu verpflichten, kann nur einleuchten. Und in der Tat: Maya Wirz betreibt eine eigene Website, wo sie sich selbstbewusst als Könnerin ihres Fachs mit einem beachtlichen Repertoire von Franz Lehár bis Andrew Lloyd Webber vorstellt. Respekt.
Das inszenierte grosse Gefühl in «Die grössten Schweizer Talente» war also eine abgekartete Sache. So wenig Risiko ist enttäuschend. Für SF wird die Rechnung sicher aufgehen, denn das zahlende TV-Publikum wird die Verarschung kaum stören, es ist ans Genre gewöhnt. Talent ja, aber es bleibt ein schaler Nachgeschmack.
Reto Schlatter 02. Februar 2011, 15:30
„Sogar die Jury steht! Das hat es noch nie gegeben!“ Sven Epiney. Es ist einfach nur peinlich!
Rolf Guggenbühl 02. Februar 2011, 15:49
Für mich war es eine Talentshow zugunsten von Christa Rigozzi. Das Mädchen hat doch Talent weit über das hinaus, was sie zu Mastro Lorenzo hinausbröseln darf (oder muss…) !