Flinke Finger als Spielverderber
Radiorätsel lassen sich heute mithilfe von Smartphone, Google und Wikipedia spielend leicht lösen. Um zu verhindern, dass nur gewinnt, wer am schnellsten sein iPhone zu bedienen weiss, setzt Schweizer Radio DRS auf Zeitdruck und auf Fragen, deren Antworten sich nicht einfach ergoogeln lassen – sowie auf Spass am Spiel.
Radiomoderator Mike La Marr staunte nicht schlecht, als ihm ein Kollege zeigte, wie man seine Radiorätselsendung «Jukebox» ganz ohne musikalisches Fachwissen lösen kann: Zwei Daumenbewegungen auf dem iPhone, Shazam aktivieren, das kurze Tonbeispiel aufnehmen und Sekunden später spuckt das smarte Handtelefon Titel, Interpret und Album aus. Rätsel gelöst. Shazam ist sogar so clever, dass es auch beschleunigt abgespielte Musikhäppchen korrekt erkennt. «Das könnte tatsächlich zu einem Problem werden», sagt La Marr, der als Moderator und Redaktor für das «Jukebox»-Ratespiel verantwortlich ist. Bis jetzt sei ihm allerdings noch nie aufgefallen, dass sich Mitspieler dieser Hilfsmittel bedient hätten. «Aber wir behalten die Entwicklung im Auge, weil ja solche Programme immer raffinierter werden und zugleich unser älteres Publikum von der jüngeren Verwandtschaft im Hintergrund unterstützt werden könnte.»
Wer als Mitspieler eines Radiospiels auf fremde Hilfe oder ein Hilfsmittel zurückgreift, sei dies ein Nachschlagewerk, das Wissen einer anderen Person oder technisches Gerät, verstösst zwar nicht gegen Spielregeln, aber gegen das Gebot der Fairness seinem Konkurrenten gegenüber. Deshalb haben die Redaktionen ein Interesse daran, Rahmenbedienungen zu schaffen, die niemanden strukturell benachteiligen. «Einige Spiele finden unter enormem Zeitdruck statt», sagt Radio-Urgestein François «FM» Mürner. «FM» hat zahlreiche Spiele entwickelt und schult heute als Leiter Moderationsentwicklung Radio die Quizmaster von allen Ketten.
Gehörig aufs Tempo gedrückt wird beim morgendlichen Buchstabenassoziationsrätsel ABC DRS3. Da bleibt den Kandidaten gar keine Zeit, um auch nur daran zu denken, einen Blick auf den Handybildschirm zu werfen; googeln hilft hier definitiv nicht weiter. Deutlich mehr Zeit zur Verfügung steht den Rateteams dagegen beim Mittagsspiel «DRS 3 macht es Büro uf»: drei komplexere und etwas längere Fragen in 70 Sekunden. «Da können sie auch im Internet nach Antworten suchen», sagt François Mürner, «aber verlieren natürlich Zeit, wenn sie googeln.» Die Probe aufs Exempel zeigt jedoch, dass sich die gestellten Fragen sehr einfach mit einer Stichwortsuche im Internet beantworten lassen, ohne damit den vorgegebenen Zeitrahmen zu überschreiten. Die Fragen vom 4. März lauteten: Wie viele Postboten wurden im letzten Jahr in der Schweiz von Hunden gebissen? Welches Land machte 2010 den höchsten Umsatz mit Bioprodukten? Wie viele Kunden hatte Postfinance Ende 2010? Dazu gabs je drei Antwortvorschläge. Bei der ersten Frage tippte der Kandidat daneben, womit auch klar war, dass er ohne Internethilfe spielte.
Letztlich kann das Radio keinen Einfluss darauf nehmen, wie die Teilnehmer von Spiel- und Quizformaten zu ihren Antworten finden – und will das auch gar nicht. «Wir würden nie sagen: Googelt nicht!» Zum einen seien Internet und Google nun mal eine Realität, sagt François Mürner. Zum anderen widerspräche ein solches Verbot einer Moderationsmaxime von Radio DRS. «Wir wollen unsere Hörer nicht bevormunden, sie sind mindestens so intelligent, wie wir das sind.»
Will das Radio seine Spiele nicht zu einem einzigen «Wer googelt flinker?» verkommen lassen, sondern gewiefte Denksportler gegeneinander antreten lassen, bleibt neben der Temposchraube die Strategie über Google-resistente Fragen. Diesen Weg geht «Knack & Nuss», ein Ratespiel am Mittwochabend auf DRS 1. Anhand von Vogelgezwitscher, das nur sehr rudimentär an ein Musikstück erinnerte und dem Hinweis, der Wasserfloh spiele eine Rolle, musste auf «La Pulce d’Acqua» von Angelo Branduardi geschlossen werden.
Mike La Marr, der dieses Quiz moderiert, bringt es auf den Punkt, worum es letztlich gehen sollte bei den Radiorätseln: um Spass am Spiel. Und Kollege Mürner ergänzt: «Anders als beim Fernsehen gibt es bei uns ja ganz bewusst keine Millionenbeträge zu gewinnen.»