von Konrad Weber

Über Inhalte reden

Die öffentlich-rechtlichen Medien sind längst im Online-Zeitalter angekommen. Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Was der Service public in Radio und TV bietet, muss auch im Netz möglich sein.

Karlsruhe, Redaktion des Südwestrundfunks SWR, Montag 9 Uhr, Wochensitzung. Neben einem kurzen Rückblick werden die Themen für die kommenden sieben Tage besprochen. Etwas fällt dabei auf: Immer wieder wird die Frage gestellt, «machen wir diese Geschichte auch online?».

In Deutschland ist die Bimedialität bei den Journalisten bereits angekommen. Die Radioreporter des SWR tragen ihre Kamera stets auf sich: In der Hosentasche steckt das iPhone, das sich unterwegs als ideales Sendestudio anbietet. Ergibt sich auf einem Medientermin oder während eines Interviews ein gutes Fotosujet, so wird geknipst. Muss es besonders schnell gehen – wie etwa in den frühmorgendlichen Livereportagen – werden die Bilder noch von unterwegs via Mail ins Studio geschickt. Dort nutzt man bewusst Synergien: Eine Technikerin, die ansonsten die Radiosendungen «fährt», kümmert sich gleichzeitig um die Betreuung des Webauftrittes. Da in Deutschland die öffentlich-rechtlichen Sen- deanstalten aus Tradition weniger textlastig sind als hierzulande, wird in erster Linie mit Bild- und Tonbeiträgen gearbeitet. Sollte es trotzdem vereinzelt vorkommen, dass ein Text geschrieben und im Web publiziert wird, so übernimmt auch hier der Chef vom Dienst, normalerweise zuständig für den Hörfunk, die Abnahme.

In der Schweiz ist die Sensibilisierung für den neuen Distributionskanal Internet ähnlich gelagert. Das verdeutlicht sich vor allem bei unvorhersehbaren Ereignissen. So geschehen im Oktober 2012: Während wenigen Stunden verursachten Niederschläge und geschmolzene Schneemassen in den Alpenregio- nen verheerende Hochwasser. Unverhofft stand ich als Reporter für das Schweizer Fernsehen vor Ort im Einsatz. Dank Bildern, geknipst auf einem Smartphone und direkt weitergeleitet an die Redaktion, konnte man sich auch im fernen Zürich ein erstes Bild der Lage machen und die so gewonnene Übersicht an Nutzer und Zuschauer weitergeben. Trotzdem fällt auf, dass in der Schweiz das «traditionelle» Medium noch Vorrang hat. Eigentlich logisch, muss doch die Journalistin sicherstellen, dass ihr Beitrag zur vorgesehenen Zeit im Radio oder Fernsehen gespielt werden kann. Immer öfter schreibt die Fernsehjournalistin nach Abnahme ihres Beitrages allerdings einen ergänzenden Onlinetext als Zusatz zur audiovisuellen Story.

Die Beispiele aus dem Alltag von SWR und SRG zeigen, dass trotz ewigen Rechtsstreits und Abgrenzungsdiskussionen der öffentlich-rechtliche Journalismus längst im Webzeitalter angekommen ist. Auch wenn dies die Verleger nicht gerne sehen. Wer in solchen Situationen versucht, Text- und Bewegtbildjournalismus aufzutrennen und den verschiedenen Medienhäusern zuzuteilen – wie eben erst kürzlich in Deutschland von Verlegerkreisen vorgeschlagen – hat die Zukunft des Journalismus nicht begriffen. Einmal mehr beweist ein solcher Vorschlag nämlich den Unwillen, sich mit neuen jour- nalistischen Erzählformen auseinanderzusetzen und selbstkritisch Experimente zu wagen. Schliesslich ist glaubwürdiger und transparenter Journalismus im Netz nicht eine Frage der Ressourcen, sondern eine Frage der persönlichen Einstellung und des dahintersteckenden Willens.

Während sich in Deutschland die Verleger und die öffentlich-rechtlichen mit Klagen eindecken, sind die Fronten in der Schweiz zum Glück noch nicht so extrem verhärtet. Die Situation zwischen den Medienunternehmen global gesehen erinnere ihn an zwei kleine Kinder in einem grossen Sandkasten, die sich um Sandburgen und Plastikformen streiten, erklärte unlängst ein TV-Experte zur Zukunft der Medien. Währenddessen nähere sich von hinten ein dicker, schwerer Bulldozer – grosse international tätige Webfirmen wie Facebook, Youtube und Twitter. Diese direkte Konkurrenz aus dem Web gelte es in den kommenden Jahren zu beachten und in die journalistische Arbeit zu integrieren.

Dagegen spricht nicht, dass Service public auch in Zukunft bestehen wird – sogar und gerade im Web. Denn Service public sollte über Inhalte und nicht deren Trägermedien definiert werden.