von Ronnie Grob

Neuigkeiten aus Thailand

Martin Rüegsegger war ehemaliger Rudolf-Steiner-Schüler und ist vom Lebensmittelverkäufer zum IT-Supporter aufgestiegen. Er wanderte Ende 2005 mit seiner Frau nach Pattaya aus, wo sie gemeinsam das Magazin «Der Farang» übernahmen. Nun arbeiten die beiden daran, das bestehende Konzept der Zeitschrift fortzuentwickeln und es zu einer informativen, thailandweit erscheinenden Publikation für deutschsprachige Residenten und Urlauber umzugestalten.

Zur Redaktion von «Der Farang» geht es auf dem Rücksitz eines Motorradtaxis vom Süden in den Norden der Stadt. Ich trage einen zu kleinen Motorradhelm, und obwohl die Reise eine halbe Stunde dauert, komme ich genau pünktlich. Mit rund 110’000 ständigen Einwohnern wäre Pattaya vergleichbar mit Winterthur, aber die vielen, oft weisshaarigen Touristen und nicht registrierten Einheimischen lassen die Stadt auf die Grösse von Zürich anwachsen. Die in einer ruhigen Seitenstrasse ansässige Redaktion verteilt sich über drei Etagen mit einem Empfangsbereich im Erdgeschoss und dem Büro von Geschäftsführer Rüegsegger im zweiten Stock.

Martin Rüegsegger erwarb den 1993 als Gratis-Veröffentlichung gegründeten «Farang» von den bisherigen Besitzern Stefan Matter und Hans Fritschi. Bussaba Rüegsegger- Panthumjinda, seit 24 Jahren die Ehefrau von Rüegsegger, fungiert als Herausgeberin des Magazins, da Ausländer in Thailand nicht mehr als 30 Prozent an Medienunternehmen halten dürfen. Die Entscheidung, die Geschäftsführung des Magazins zu übernehmen, entstand aus dem Wunsch heraus, als selbstständiger Unternehmer im Medienbereich tätig zu sein, was ihm in dieser Form in der Schweiz nicht möglich gewesen wäre. Seit dem Start in Thailand ist vieles passiert: Überschwemmungen, politische Unruhen, die Flughafenbesetzung… Bereut hat er seine Entscheidung jedoch noch nie. Derzeit strebt er die Einbürgerung in seiner Wahlheimat an.

Von sich selbst sagt der 48-jährige Unternehmer, dass er «kein typischer Steiner-Schüler» sei. Er begann früh damit, sein eigenes Geld zu verdienen. Bereits mit 14 Jahren in einem Café an der Geschirrspülmaschine, weiter an der Migros-Kasse, und neben der Berufslehre verkaufte er Zeitungen. Die berufliche Karriere verlief vom Lebensmittelverkäufer, Detailhandelsangestellten und Kaufmann in der Migros, in der ZUVO (heute: Presto Presse- Vertriebs AG) als Verträgerchef-Spezialdienste (Frühzustellung des Tages Anzeigers und der Neue Zürcher Zeitung) über Webdesigner bis zum stellvertretenden IT-Leiter.

Nach der Übernahme machte Rüegsegger das im A4-Tabloidformat erscheinende Magazin bezahlpflichtig und weitete das Vertriebsgebiet aus. Das in Thailand an über 100 Verkaufsstellen angebotene Magazin kostet nun pro Ausgabe 50 Baht (1.50 Franken) und ist nicht mehr nur in Pattaya, sondern im ganzen Land verfügbar. «In Pattaya, Chiang Mai und auf der Insel Samui wird eine kostenlose Auflage an Restaurants und Hotels verteilt, und bei allen unseren Anzeigenkunden ist er wiederum für deren Kunden kostenlos erhältlich», so Rüegsegger. Es bietet Reportagen («Die Metropole Bangkok übersteht Flutwelle», «Zu Fuss über die thailändisch-burmesische Grenze in Mae Sai»), Berichte («Immer mehr Hochhaus-Projekte zieht es in den Süden von Pattaya», «Fisch-Spas werden immer populärer»), Interviews (zum Beispiel mit dem neuen Direktor der Swiss School Bangkok, Michael Gwerder) und eine Seite «Krimi & Rotlicht» («Bargirl tanzte nackt auf Autodach», «Schweizer schoss auf Nachbarhaus», «Kranke Elefantenkuh ausgesetzt»). Kleinanzeigen schalten kann man für 9 Baht pro Wort (25 Rappen) und natürlich gibt es auch Leserbriefe («Katzenhalter bittet um Hilfe», «Für Thais ist jeder Unfall vorbestimmt»).

Politisch ist die Publikation zurückhaltend, es soll ein für Touristen und Expats informatives «Sonnenblatt Thailands» sein. Die Meinungsfreiheit in Thailand sei bis auf einige Einschränkungen gewährleistet, sagt Rüegsegger. Auf der Rangliste der Pressefreiheit befindet sich Thailand allerdings im hinteren Drittel, auf Platz 137 weltweit, hinter Ländern wie Singapur und Honduras.

Geschrieben werden die Texte von deutschen Journalisten und Autoren, Freelancern sowie zwei Festangestellten, einem Redakteur und Lektor. Verschiedene Kolumnisten erweitern das Team. So fragt Carlos nach dem Umweltschutz in Thailand oder thematisiert einen angeblichen «Werte-Verfall im Urlaubsparadies». Die «Law Lounge» des deutschen Rechtsanwalts Markus Klemm befasst sich mit verlorenen Dokumenten, Rentenversicherungen oder den Kosten für das Grundbuchamt. Die historisch gewachsene Ausrichtung des Magazins auf die Stadt Pattaya konnte das Heft bisher nur teilweise ablegen. Dass sich aber auch junge Frauen in Pattaya wohlfühlen können, zeigen die bisherigen Erfahrungen mit Praktikumsstellen: Zwei ehemalige Journalistik-Studentinnen haben die halbjährlich angebotene Praktikumstelle erfolgreich und zur gegenseitigen Zufriedenheit absolviert, hingegen musste sich Rüegsegger von einem männlichen Praktikanten trennen. Wer Interesse zeigt, kann sich für ein sechsmonatiges Praktikum bewerben. Geboten wird die Mitarbeit in Redaktion und Verlag, der Flug nach Thailand und die Unterkunft im Nachbarhaus der Redaktion werden finanziert. Ach ja, es wird garantiert, dass die Absolventen hier keinen Kaffee servieren und keinen Kuchen backen müssen.

Die Zeitung trägt sich aber selbst. «Wir haben 185 Kunden aus 65 Branchen», sagt Rüegsegger, und mit Kunden meint er die Werbekunden. Die meisten Inserate bemühen sich um deutschsprachige Kunden. Hauptsächlich sind das Hotels und Restaurants, es finden sich aber auch Inserate von Sprachschulen, Versicherungen, Visaanbietern, Ärzten und Psychotherapeuten. Für rund 18’000 Baht (535 Franken) können Werbekunden einen «redaktionellen Pressetext» bestellen, der im Heft als «PR-Bericht» ausgewiesen wird. Die Auflage bewegt sich zwischen 5000 und 7500 Exemplaren (in der Hochsaison), dazu kommen die Leser im Ausland und die Abonnenten der PDF-Ausgabe. Die Website, Farang.co.th, hatte im Januar 2012 rund 650’000 Page Impressions. Zum Vergleich: Weltwoche.ch konnte im gleichen Zeitraum 883’052 Seitenaufrufe verzeichnen.

Farang Media bietet auch Anzeigengestaltung an, Broschüren für Hotels und Restaurants, Visitenkarten, Grafikdesign, Lektorat sowie Werbetexte. Und es werden Bücher verkauft: «Hans im Glück… Rentner in Thailand», «Die starken Männer von Pattaya», «Willkommen in der Hölle – Ein Mann kämpft ums Überleben in thailändischen Gefängnissen».

Das Gespräch mit Martin Rüegsegger wurde am 16. Februar 2012 in Pattaya geführt.

Leserbeiträge

bugsierer 26. März 2012, 17:34

immer wieder erstaunlich, was du für geschichten ausgräbst. cool.

der vergleich mit den weltwoche PIs ist sehr neckisch… höhö…