von Beatrice Gurzeler

Geld verdienen mit abgepressten Rechten

In Deutschland und der Schweiz rufen die Verleger nach einem Leistungsschutzrecht. Damit wollen sie gewerbliche Nutzer ihrer Online-Inhalte wie Google News und andere Aggregatoren zur Kasse bitten. Nur: Die Verlage gehen mit Inhalten hausieren, deren Urheberrechte sie den Journalistinnen und Pressefotografen mit unfairen Verträgen abgepresst haben. Beatrice Gurzeler, Rechtsanwältin und Juristin beim Schweizer Journalistenverband impressum, hält solche Verträge in verschiedener Hinsicht für rechtswidrig.

Seit 2009 zwingen Schweizer Medienunternehmen ihren festangestellten und freischaffenden Journalistinnen und Pressefotografen kraft ihrer Marktmacht Verträge auf, die den Anspruch der Medienschaffenden auf angemessenes Entgelt für die Nutzung ihrer Urheberrechte ignorieren. Dabei handelt es sich um einen Urheberrechtsklau in Vertragsform.

Vor diesem Hintergrund fordert nun der Journalistenverband impressum ein gesetzliches Recht auf faire Entschädigung für die Nutzung der Werke von Medienschaffenden – analog den Regeln des deutschen Rechts – sowie die konsequente Einhaltung des Urheberrechts im Berufsalltag. Diesbezüglich unterstützt impressum ein Postulat von Ständerat Luc Recordon, das vom Bundesrat einen fairen Interessenausgleich zwischen Urheberinnen und Werknutzern im Internetzeitalter verlangt.

Kern des Urheberrechteklaus in Vertragsform ist die örtlich, zeitlich und sachlich unbeschränkte Mehrfachnutzung der Artikel, Fotografien, Grafiken und Illustrationen inklusive übertragbarem Abänderungsrecht innerhalb und ausserhalb des Medienkonzerns zum Nulltarif. Das erlaubt den Verlegern, die freischaffenden Journalistinnen und Pressefotografen vom Markt über die Mehrfachverwertung ihrer Werke zu verdrängen und die Werke der Medienschaffenden untereinander austauschen.

Einzelne Verträge sehen gar vor, dass den Journalistinnen und Pressefotografen im Falle der Abänderung ihrer Artikel nur noch das Recht verbleibt, auf die Urhebernennung zu verzichten. Teilweise enthalten die Verträge auch die Befugnis, redaktionelle Inhalte kommerziell zu nutzen oder sie weisen die Entschädigungen aus gesetzlichen Lizenzen (z.B. Privatkopien) dem Medienunternehmen zu. Informationspflichten und Belegexemplare über vorgenommene Werknutzungen sehen diese Verträge regelmässig nicht vor.

Auch am Erlös kommerziell geführter Medienarchive partizipieren die Journalistinnen und Pressefotografen aktuell nicht, wie das Beispiel der Mediendatenbank SMD/Swissdox zeigt. Obwohl die Mediendatenbank mit den Werken der Journalistinnen und Journalisten gespeist wird und keine Journalistin je eine Entschädigung für die Aufnahme ihres Artikels in die Mediendatenbank erhalten hat, ist der Zugang zur Mediendatenbank für freie Journalistinnen und Journalisten kostenpflichtig.

Als einzige Gegenleistung für die eingeräumten umfangreichen Urhebernutzungsrechte erhalten die freischaffenden Journalistinnen und Journalisten ein nicht kostendeckendes Honorar für den einmaligen Printabdruck, ganz so, als ob ihre Honorare nach wie vor auf dem Prinzip der Mehrfachverwertung beruhen würden. Entsprechend rauben die Verleger den freischaffenden Journalistinnen und Pressefotografen ihre Existenzgrundlage. Unter diesen Rahmenbedingungen lässt sich freier Journalismus nur noch als Hobby betreiben.

Die von den Medienkonzernen der Deutschschweiz diktierten Spielregeln gleichen auffällig den allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook und Co. (siehe hierzu: Bruno Baeriswyl, Kleingedrucktes unter der Lupe – Die allgemeinen Geschäftsbedingungen [AGB] von Sozialen Netzwerken versprechen keinen Datenschutz, in: digma 2010 S. 56 ff.). Wie die Nutzerinnen und Nutzer bei Facebook und anderen Sozialen Netzwerken sind die freischaffenden Journalistinnen und Pressefotografen nicht mehr in der Lage, die Kontrolle über die Verwendung ihrer Werke zu behalten, deren Authentizität zu garantieren und für die Einhaltung ihrer berufsethischen Pflichten zu sorgen. Erst recht können sie unter diesen Bedingungen kein Einkommen generieren, das ihnen erlaubt, unabhängigen, professionellen Journalismus zu betreiben und die Zeit dafür aufzuwenden, die sie zur sachgerechten journalistischen Informationsauswahl, -beschaffung und –aufbereitung benötigen würden.

Alarmiert über das Aufkommen unfairer Urheberrechtsverträge ist die Internationale Journalistenföderation (IFJ): Die IFJ betont denn auch den menschenrechtlichen Gehalt der Urheberrechte und die Wichtigkeit eines starken Urheberrechtsschutzes von Journalistinnen und Pressefotografen für die Meinungsvielfalt und die Informationsfreiheit in demokratischen Gesellschaften und warnt vor der Bildung von Informationsmonopolen durch grosse Medienkonzerne.

Die IFJ ruft Journalistinnen und Journalisten zudem in Erinnerung, dass der journalistische Standard die Einräumung des Nutzungsrechts für die einmalige Verwendung ihres Werks ist und dass die Journalistinnen die Verantwortung für die Einhaltung der Regeln der Berufsethik nicht an Medienunternehmen delegieren dürfen. Freischaffende Journalisten sind denn auch für die Einhaltung der journalistischen Sorgfalt zivilrechtlich haftbar.

Auch das schweizerische Verlagsrecht geht davon aus, dass Medienschaffende ein Werk oder Teile davon jederzeit in Zeitungsartikeln weiter veröffentlichen dürfen (Art. 382 Abs. 2 OR). Gemäss Art. 381 Abs. 1 OR «werden die Rechte des Urhebers» zudem nur «insoweit und auf so lange dem Verleger übertragen, als es für die Ausführung des Vertrags erforderlich ist». Mit anderen Worten erwirbt der Verleger nur jene Urhebernutzungsrechte, die der Zweck des Vertrags erfordert. Dabei handelt es sich nach der neusten Lehre bei Art. 381 Abs. 1 OR um einen allgemeinen Grundsatz des Urhebervertragsrechts, welcher nicht durch Parteiabrede aufgehoben werden kann (ZK-Hochreutener, Art. 381 N 43 ff., unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte von Art. 381 Abs. 1 OR).

Es ist offensichtlich, dass die zeitlich, sachlich und örtlich unbegrenzte konzerninterne und -externe Mehrfachnutzung der Werke der Journalistinnen und Pressefotografen (und damit das vorsorgliche Horten von Urhebernutzungsrechten durch die Medienunternehmen) zur Veröffentlichung eines Artikels oder einer Foto in einer Tageszeitung nicht erforderlich sind.

Auf der anderen Seite ermöglichen die Urheberrechtsklauverträge den Zeitungsverlegern, ihre Personalkosten drastisch zu senken: So bauten alle grösseren Zeitungsredaktionen ab 2009 bis zu einem Drittel ihres festangestellten journalistischen Personals ab. Gleichzeitig kürzten sie in mehreren Etappen die Honorarbudgets ihrer freien Journalistinnen und Pressefotografen bis auf einen Bruchteil früherer Honorarbudgets. Dabei füllen sich die Zeitungsseiten und Online-Inhalte häufig mit denselben Artikeln und immer öfters auch mit Gratismaterial. Für die Verlage geht die Rechnung auf: In den letzten Wochen haben AZ-Medien, Tamedia, NZZ und Axel Springer teils Rekordgewinne vermeldet.

Trotzdem fordert der Verlegerverband Schweizer Medien in seinem medienpolitischen Manifest vom September 2010 auf politischer Ebene die Einführung eines Leistungsschutzrechts als neues originäres Schutzrecht für Medienunternehmen. Begründet wird das neu geforderte Leistungsschutzrecht, das unabhängig vom urheberrechtlichen Schutz der Werke der Journalistinnen und Pressefotografen bestehen soll, damit, dass mit der Digitalisierung der Medieninhalte die Gefahr gestiegen sei, dass Rechte im Bereich der Publizistik ignoriert würden. Das gefährde die Finanzierung des Mediensystems. Zudem sollen Trittbrettfahrer wie Google durch die Verleger zur Kasse gebeten werden können.

Die Argumentation vom Verband Schweizer Medien zugunsten eines Leistungsschutzrechts im Urheberrechtsgesetz ist in verschiedener Hinsicht widersprüchlich und lückenhaft: Obwohl sich die Verleger kraft ihrer Marktmacht die Mehrfachverwertungsrechte der Journalistinnen und Pressefotografen zum Nulltarif aneignen, gratis ins Netz stellen und Google den Zugriff auf ihren Online-Inhalt freiwillig erlauben, wird mit der Forderung nach einem Leistungsschutzrecht der Eindruck erweckt, die grossen Medienkonzerne seien Opfer der Internetpiraterie.

Da im Zusammenhang mit der Forderung nach einem originären Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen die Partizipation der Journalistinnen und Journalisten kein Thema ist, ist zu befürchten, dass die Medienkonzerne mit dem postulierten Leistungsschutzrecht beabsichtigen, sich sämtliche Mehrfachnutzungsrechte der Journalistinnen und Pressefotografen nach dem – dem kontinentaleuropäischen Urheberrecht fremden – work-for-hire-Prinzip definitiv zum Nulltarif anzueignen. Ein originäres Leistungsschutzrecht lässt sich nämlich auch gegenüber freischaffenden Urheberinnen und Urhebern geltend machen und eine allfällige Partizipation der Journalistinnen und Pressefotografen an den kollektiven Erlösen eines Leistungsschutzrechts kommt den Verlegern allemal viel billiger als beanspruchte Mehrfachverwertungsrechte angemessen zu entschädigen.

Um Missverständnisse zu vermeiden, ist zu betonen, dass die Rechtmässigkeit der Urheberrechtsklauverträge umstritten ist. Nach Auffassung der Autorin sind die Urheberrechtsklauverträge in verschiedener Hinsicht rechtswidrig: So hält etwa Art. 6 bis Abs. 1 der Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 24. Juli 1971 (RBÜ) was folgt fest: «Unabhängig von seinen vermögensrechtlichen Befugnissen und selbst nach deren Abtretung behält der Urheber das Recht, die Urheberschaft am Werk für sich in Anspruch zu nehmen und sich jeder Entstellung, Verstümmelung, sonstigen Änderung oder Beeinträchtigung des Werkes zu widersetzen, die seiner Ehre oder seinem Ruf nachteilig sein können.» Es ist klar, dass das Einräumen abtretbarer Abänderungsrechte an redaktionellen Inhalten den journalistischen Ruf gefährdet und damit gegen Art. 6 bis Abs. 1 RBÜ verstösst.

Ebenso verstösst die örtlich unbegrenzte Einräumung sämtlicher Mehrfachverwertungsrechte zum Nulltarif gegen Art. 5 RBÜ. Gemäss Art. 5 RBÜ können sich beispielsweise auch Schweizer Urheberinnen und Urheber im Falle der Nutzung ihrer Werke in Deutschland auf das urheberfreundlichere deutsche Urheberrecht berufen. Schliesslich widerspricht die unlimitierte Übertragung von übertragbaren Mehrfachverwertungsrechten ohne Information der Urheberinnen und Urheber über stattgefundene Nutzungen gegen Art. 49 Abs. 3 URG. Wissen die Urheberinnen und Urheber nicht, wie ihre Artikel genutzt werden, so können sie auch allfällige, daraus fliessende Entschädigungsrechte aus Zwangslizenzen nicht geltend machen.

Weiter widerspricht die zeitlich, örtlich und sachlich unbegrenzte Übertragung von Urhebernutzungsrechten zum Nulltarif den berufsüblichen Arbeitsbedingungen, wie sie etwa im aktuellen welschen Presse-GAV, im RRR-GAV, in den Pro-Litteris-Tarifen, in den SAB-Tarifen, im Muster-Verlagsvertrag für belletristische Werke sowie in den Empfehlungen von Schweizer Medien festgehalten sind (Art. 7 UWG, Art. 2 UWG). Schliesslich können Urheberrechtsklauverträge je nach konkreter Ausgestaltung und betroffenem Personenkreis sittenwidrig (Art. 19/20 OR), übervorteilend (Art. 21 OR) und sogar wucherisch sein oder eine übermässige Bindung darstellen (Art. 27 ZGB). Darüber hinaus stellt sich gegenüber selbständig erwerbenden Freischaffenden die Frage nach einem allfälligen Verstoss gegen das Kartellgesetz (Art. 4 KG, Art. 7 KG). Im Übrigen wurde bereits ausgeführt, dass die Urheberrechtsklauverträge nach neuer Lehre auch gegen den zwingenden Art. 381 Abs. 1 OR verstossen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im digitalen Zeitalter nicht das fehlende Leistungsschutzrecht der Verleger das grösste Problem im Urheberrecht ist, sondern der ungenügende Schutz der Urheberinnen und Urhebern vor unfairen Urheberrechtsverträgen und der fehlende klare und zwingende Rechtsanspruch der Urheberinnen und Urheber auf ein Entgelt, das der Dauer und dem Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte an ihren Werken angemessen ist.

In den Diskussionen zur Einführung eines Leistungsschutzrechts in Deutschland wird denn auch seitens des DJV betont, ein Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen komme nur dann infrage, wenn die Urheberinnen und Urheber zu 50 % an den Einnahmen beteiligt würden, wenn sie ihre Mehrfachverwertungsrechte behalten könnten und wenn sie für die Einräumung von Mehrfachverwertungsrechten angemessen entschädigt würden. (Siehe etwa Monika Lungmus: Recht und Gerechtigkeit, in: journalist 4/2012 S. 14 ff.).

Leserbeiträge

Vladimir Sibirien 21. April 2012, 20:16

Das ganze Konstrukt erinnert mich sehr stark an die Musikindustrie. Es gibt die Künstler, welche Neues schaffen. Und darauf aufbauend existiert eine Industrie, welche aus diesen Leistungen eine gigantische Gelddruckmaschine alimentiert. Diese Strukturen stammen zweifelsohne aus einer Zeit, in welcher die Verbreitung von Nachrichten mit hohen Distributionskosten verbunden war. Insofern muss ich der Autorin etwas widersprechen – offensichtlich sind wir im digitalen Zeitalter noch nicht ganz angekommen. Zum digitalen Zeitalter gehören nicht nur die Medienformate an sich sondern auch die Nutzungsgewohnheiten der Leser, die sicherlich noch stark vom klassischen Zeitungskonsum geprägt sind.

Dieselben Strukturen finden sich in derart vielen Bereichen. Z.B. im Bildungsbereich. Braucht es noch eine Universität als zentrale Stätte? Werden nicht Professoren zu Einzelanbietern, die ihre Kurse wie Bausteine den Studenten anbieten? Professoren beweisen ihre Akkreditation mit einem elektronischen Zertifikat, validiert von einer staatlichen Institution, und gut ist.

Der Trend geht weg von zentralistischen Strukturen, welche Individualleistungen durchlauferhitzen. Daher:

Die kurzfristige Frage mag sein, wie man die Journalisten beteiligt.

Die langfristige Antwort ist, dass Journalisten und Konsumenten keine Verlage mehr brauchen.

Wenn man das den Verlagen klarmachen würde, sähe deren Verhandlungstaktik wahrscheinlich etwas anders aus. Wobei ich den Verlagen soeben gewisse visionäre Fähigkeiten unterstellt habe, was ziemlich absurd ist. Ich ziehe die Aussage zurück. 🙂