von Ronnie Grob

«Ich kritisiere die Journalisten, weil sie wichtig sind»

Der Unternehmer und SVP-Politiker Christoph Blocher beschäftigt die hiesigen Medien seit Jahrzehnten. Im Interview mit der MEDIENWOCHE spricht er über die Hassliebe zu den Journalisten und erzählt, wie ihn einst Frank A. Meyer erfolglos vor den Ringier-Karren zu spannen versuchte. Zum Kauf der Basler Zeitung sagt er: «Ich habe zwar nie etwas Falsches gesagt, aber nicht immer alles offen gelegt.» Und schliesslich erklärt er, warum er den Internet-Boom für eine «vorübergehende Sache» hält.

Man kann viel sagen über Christoph Blocher, aber nicht, dass er keine Haltung hätte. Seit er 1968 den rechtsliberalen «Studentenring» mitbegründet hat, eine Alternative zu den Studentenverbindungen der linken 68er, ist er, anders als so viele andere, seiner liberal-konservativen Linie treu geblieben. Seit über dreissig Jahren trotzt er modischen Strömungen und wiederholt unermüdlich seine Werte.
Ich treffe den Industriellen und Politiker im Sitzungsraum seiner 2008 gegründeten Beratungsfirma Robinvest. Wir setzen uns an das Ende eines langen Sitzungstischs, an dem eine ganze Delegation aus China Platz fände. Eine grosse goldene Wanduhr tickt im Hintergrund und läutet ab und zu. Auf einem Nebentisch stehen gleich mehrere riesige Bergkristalle, Industriellengeschenke der 1980er-Jahre, montiert auf Sockeln mit Widmungsinschriften. An der Wand hängen Gemälde, aber nicht etwa wertvolle, er könne ja hier «keine teuren Bilder» aufhängen. Also bloss Gemälde von Giovanni Giacometti und Gottardo Segantini. Und ein kleiner Hodler.

Sie sind ja ein Gegner des Lobens. Wie stehen Sie zu Kritik?
Pointierte Aussagen sind ja immer gegen eine Fehltendenz gerichtet: ich sage nicht, man solle niemanden loben. Aber ich kritisiere die Mode, jeden für alles zu loben, denn das wertet das Lob ab. Die Loberei, vor allem von sich selbst, ist zu einer grossen Mode geworden in der Politik. Viele Verwaltungsabteilungen sind zu regelrechten Propagandaabteilungen geworden. Sie wollen aktiv die Kommunikation beeinflussen, statt einfach nur zu orientieren, wie es ist.
Lob muss in medizinalen Dosen verabreicht werden, denn es baut den Mensch mehr auf, wenn man ihm sagt, was noch nicht gut ist, was er verbessern kann. Die Hauptaufgabe der Medien ist es, mit der Politik kritisch umzugehen, und nicht, sie zu loben. Es muss herausgefunden werden, was für Hinter- und Nebenabsichten einer verfolgt.

Sie sind seit Jahrzehnten harter Kritik ausgesetzt.
Dass man mich so kritisiert, ist ein Zeichen, dass man mich ernst nimmt – «die schlechtesten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen» [ein Zitat von Gottfried August Bürger]. Ich sagte mal bei einem Jubiläumsanlass der SVP Zürich: «Wir danken den Medien, dass sie uns zwanzig Jahre in die Pfanne gehauen haben.»

Wer über so lange Zeit so hart kritisiert wird, hat aber vielleicht auch selbst etwas falsch gemacht.
Es hätte schon einen Weg gegeben, um nicht kritisiert zu werden: Nichts machen oder das Gleiche wie die anderen. Bei der Kritik an mir ist das Motiv das Fundamentale: Meine Kritiker wollen die Richtung nicht, für die ich stehe, und es stört sie, dass sie sich durchsetzt.

Die Ablehnung geht aber doch schon über ihr Motiv hinaus, oft wird nicht das «was» kritisiert, sondern das «wie».
Wenn man mit dem Gegner in der Sache nicht klar kommt, dann kritisiert man den Stil. Kann ja sein, dass ich einen schlechten Stil habe. Aber lieber einer mit einem schlechten Stil, der das Gute bewirkt, als einer mit gutem Stil, aber nichts Gutes schafft. Und: Jede Funktion braucht ihren eigenen Stil! Man darf nicht vergessen, dass die SVP genötigt war, Oppositionspolitik zu betreiben. Wenn Sie in der Regierung sind, Macht, Geld, Zeitungen, Fernsehen auf ihrer Seite haben, dann können Sie sehr wohl einen guten Stil pflegen. Aber wenn Sie alleine in der Opposition sind und von den Medien keine Unterstützung haben, dann dürfen Sie keinen guten Stil haben, dann können sie nicht allzu freundlich sein, sonst gehen sie unter. Dann reicht es zum Beispiel nicht, die Ausschaffung krimineller Ausländer zu fordern, dann müssen Sie ein Plakat machen mit schwarzen und weissen Schafen [angesprochen ist das Schäfchenplakat]. Das gibt dann eine Diskussion und einen Lärm um den Stil, aber die Problematik ist lanciert.

Davon fühlen sich dann aber einige Menschen verletzt, die Ihnen in der Sache womöglich zustimmen würden.
Solchen Kritikern sage ich jeweils: Dann gehen Sie voran mit einem guten Stil. Ich möchte grundsätzlich niemanden persönlich verletzen, auch wenn das hin und wieder mal vorkommt. Wenn eine ganze Gruppe kommt und sich in ihren Gefühlen verletzt fühlt, kann ich das nicht nachvollziehen. Das muss man ertragen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass Ausländer in der Schweiz schlechte Gefühle bekommen haben im Wahlkampf der letzten Parlamentswahlen.
Sie sprechen das Plakat zur Masseneinwanderungsinitiative an. Natürlich ist das etwas brüskierend. Wir wollen, dass nicht so viele in die Schweiz kommen, und wir können das ja nicht darstellen, ohne die Sache beim Namen zu nennen. Ursprünglich ist die SVP eine Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei – wir sind sicher nicht dagegen, dass Ausländer in der Schweiz arbeiten. Aber wir sind gegen kriminelle Einwanderer und gegen solche, die unseren Sozialstaat ausnützen wollen.

Als Unternehmer im zweiten Glied, elder statesman, einer von zweihundert Nationalräten und einer von sieben SVP-Vizepräsidenten haben Sie doch gar nicht mehr die Relevanz, um dauernd in den Medien zu vorzukommen.
Eben, das finde ich auch.

Warum berichten Medien trotzdem dauernd über Sie?
Das müssen Sie die fragen. Ich bin einer der wenigen echten Unternehmer im Parlament, das gibt mir eine beängstigende Unabhängigkeit. Ich kann alles sagen. Ohne fürchten zu müssen, dass ich entlassen werde oder dass jemand bei meinem Arbeitgeber interveniert.

Journalisten sind schlecht angezogen, faul, ideologisch und arbeiten ungenau. So die Vorurteile. Wie ist die Wirklichkeit?
Mir ist es egal, wie Journalisten angezogen sind. Auch wenn ich nicht ganz einsehe, dass bei Veranstaltungen, an denen alle in Anzug und Krawatte daherkommen, nur der Fotograf und der Journalist so aussehen, als hätten sie grade den Schweinestall ausgemistet. Für die meisten Journalisten verbindet sich mit mir eine Art Hassliebe. Einerseits haben wir Konflikte, weil ich eine politische Meinung vertrete, die sie nicht gutheissen, denn die meisten Journalisten sind nun mal links. Andererseits suchen die Journalisten auch jemanden, der etwas sagt, wenn er redet.
Ich habe eine grosse Achtung vor dem Beruf des Journalisten, es ist ein sehr wichtiger und schwieriger Beruf. Es ist anspruchsvoll, jeden Tag eine Zeitung zu füllen, kurz und prägnant über Themen zu schreiben, über die man nicht immer Bescheid weiss – selbst könnte ich wohl kein Journalist sein. Ich kritisiere Journalisten so stark, weil Medien wichtig sind, sie orientieren die Menschen, wie es in der Welt aussieht. Ich kritisiere nur Leute, die eine wichtige Funktion haben.
Doch mir fällt auf, dass viele Journalisten diesen Beruf nicht ernst nehmen, voneinander abschreiben oder Seiten auffüllen. Es gibt wenige ganz gute Journalisten, sicher weniger als früher. Für mich ein Meisterjournalist ist Urs Paul Engeler von der Weltwoche – der recherchiert doch wie eine Wühlmaus und bringt immer wieder tiefere Wahrheiten zum Vorschein. So sollten Journalisten sein, doch ich fürchte, so werden sie an den Journalistenschulen und an den Universitäten nicht ausgebildet.
Verleger machen den Fehler, dass sie bei Massnahmen zur Kostensenkung auch beim Redaktionsbudget sparen, aber so kriegen sie die guten Leute auf dem Markt nicht, denn gute Leute kosten halt mehr. Bei den Zeitungen muss man überall sparen: Bei den Raumkosten, den Verteilkosten, den Papierkosten. Aber an einem Ort darf nicht gespart werden: Bei der Qualität der Journalisten.

In Zeitungskarikaturen wurden Sie oft etwas dümmlich mit riesiger Unterlippe dargestellt – hat Sie sowas je verletzt?
Nein, das ist mein Markenzeichen! Wenn ich den Spiegel schaue, habe ich allerdings noch nie gemerkt, dass ich eine derart grosse Unterlippe habe.

Sie haben einen Doktortitel, Sie sammeln Hodler und Anker, lesen gerne Karl Barth und hören am liebsten Mozart. In den Medien werden Sie aber nicht etwa als Intellektueller dargestellt, sondern als dumpfer Rechtspopulist. Sind Sie ein Rechtspopulist?
Ein Populist ist einer, der den Leuten nach dem Maul redet. Ich bin das Gegenteil eines Populisten, denn ich rede nicht den Leuten nach dem Maul, sondern ich versuche, das Volk von einer Haltung zu überzeugen, von der ich glaube, dass sie gut ist für Land und Volk. Richtig hingegen ist, dass ich rechts stehe und den Sozialismus für ein grosses Verderbnis halte: Ich bin nicht für mehr Staat, sondern für mehr Bürger, nicht für mehr Bürokratie, sondern für mehr Freiheit.

Sie misstrauen dem Staat so sehr, dass Sie sogar Ihr Stipendium zurückbezahlt haben.
Als Werksstudent erhielt ich ein Stipendium von gesamthaft 50’000 Franken. Sobald ich über diese Summe verfügte, ging ich zur Zürcher Regierung und sagte: «Ich möchte dieses Geld mit Zins und Zinseszins zurückzahlen.» Diese Möglichkeit war gar nicht vorgesehen, denn offenbar kam noch keiner vorher auf die Idee, ein Stipendium zurückzuzahlen. Es musste ein neues Konto eingerichtet werden. Ebenso lehne ich es heute ab, die jährliche Pension von 220’000 Franken zu beziehen, die mir als ehemaliger Bundesrat zustünde. Ich bin so ein freier Mann, der dem Staat nichts schuldet.

Nächstens sprechen Sie auf einer Podiumsdiskussion über Ferdinand Hodler, und seit einigen Jahren bringen sie jeweils am 2. Januar dem Volk Schweizer Kultur nahe. Dieses Jahr sprachen Sie in Wattwil/SG über Huldrych Zwingli, Ulrich Bräker und Babeli Giezendanner. Eine Art volkstümliches Feuilleton?
Mich kennt man vor allem als Politiker. Doch Politik ist keine isolierte Sache, sondern verkörpert eine Gesamtheit. Sie hat einen Hintergrund, ein Fundament, und da gehört auch die Kultur dazu. Mit diesen Würdigungen wichtiger Persönlichkeiten versuche ich, solche Fragen etwas zu beleuchten. Nach Basel zur Hodler-Diskussion fahre ich mit etwas Bauchweh. Ich weiss nicht recht, ob ich meinen Gesprächspartnern gewachsen bin, ich bin ja schliesslich kein Kunsthistoriker.

Lesen Sie selbst den Kulturteil der Zeitung?
Ich lese viele Bücher. Und ich lese auch den Feuilleton-Teil, wenn ich ihn denn verstehe, einige drücken sich ja sehr blasiert aus. Wenn ich Ruhe habe, widme ich mich der Kultur.

Als junger Parlamentarier trafen Sie zusammen mit Ringier-Mann Frank A. Meyer. Wie war das?
Es war vor über 30 Jahren. Als ich eine Weile im Nationalrat war, wurde ich von Frank A. Meyer zum Essen eingeladen. So wie ich mich erinnere, sagte er mir: «Herr Blocher, Sie sind die Entdeckung am Sternenhimmel!» Er machte mir eine Reihe von Vorschlägen, wie ich mich politisch verhalten könnte, und ich fragte mich, wohin er will. Am Schluss des Gesprächs bot er mir eine enge Begleitung durch den Ringier-Verlag an, von guten Artikeln im «Blick» war die Rede, sogar von Reden, die für mich geschrieben werden könnten. Da platze mir der Kragen, ich frage: «Herr Meyer, für wen halten Sie mich?», und verliess das Essen auf der Stelle. So kam es zum Bruch zwischen uns. Bei Adolf Ogi sah ich dann, wie so ein Deal funktioniert.

Die Staatsanwaltschaft hat vor einem Jahr Ihren Computer beschlagnahmt.
Beschlagnahmt wurde der Computer des Sekretariats. Ich kann keinen Computer bedienen, ich kann nicht mal einen Taschenrechner bedienen, ich mache das alles im Kopf. Allerdings war ich der erste Politiker in der Schweiz, der eine Website hatte, doch anschauen kann ich sie mir nicht, da ich keinen Internetzugang habe. Und einen Fernseher hatte ich auch noch nie.

Sie sagten der Südostschweiz am Sonntag am 25. November 2012: «Die Frage ist, ob die Leute auch in Zukunft noch Zeitungen lesen. Das hängt mit dem Internet zusammen, wobei ich glaube, dieser Internet-Boom sei eine vorübergehende Sache. Leute, die sich richtig informieren wollen, lesen Zeitungen.» Was für Anhaltspunkte haben Sie, dass «dieser Internet-Boom» eine «vorübergehende Sache» ist?
Die Euphorie beginnt abzuflauen. Viele Leute, die ich kenne, beginnen, sich zu disziplinieren und ihren Medienkonsum zu regulieren. Nicht wenige fangen wieder an, Zeitung zu lesen.
Im Nationalrat sitze ich in der hintersten Reihe und sehe, was die anderen Parlamentarier so machen. Es hört niemand den Debatten zu und alle schauen auf ihre Bildschirme. Ununterbrochen laufen Informationen durch. Wenn ich die am Abend nach einem Detail frage, haben die keine Ahnung. Ich sehe darin nichts mehr als die Erfüllung eines Informationsreizes. Die neuste Mitteilung deckt jeweils die alte zu, am Ende bleibt nichts. Meinem Informationsbedürfnis kommen Zeitungen viel besser entgegen.

Mit «Tele Blocher» [siehe dazu unseren Artikel] sind Sie selbst im Internet präsent. Für Sie eine perfekte Lösung: Jede Woche kommt ein Journalist dahin, wo Sie sind – selbst tragen Sie weder Kosten noch Verantwortung.
Es ist ein einfaches Medium: Ein Kameramann und ein Journalist besuchen mich jeweils am Freitag um 7 Uhr morgens, ich muss mir nur zwei Stunden Zeit nehmen. Die Verantwortung liegt bei Verleger Norbert Neininger, der schwärmt vom historischen Wert der Sendung, aber das müssen dann mal andere beurteilen. Ich habe mir lediglich den Namen «Tele Blocher» gesichert, um gegen mögliche Missbräuche vorgehen zu können.

Kommen wir zur Basler Zeitung: Wie haben sich denn nun die Verkaufsverhandlungen abgespielt?
Jemand sollte diese Zeitung in die Hände nehmen, fand ich, damit sich die Medienkonzentration in der Schweiz nicht weiter zuspitzt. Die ersten neuen Besitzer waren bekanntlich Tettamanti und Wagner. Da kam es zum Bruch. Später übernahm Moritz Suter, doch beides funktionierte nicht. Beim erneuten Verkauf stellte Moritz Suter die Bedingung, dass er nur an mich oder meine Familie verkaufen wolle, weil er die Kaufinteressenten von der Medienvielfalt Holding nicht kenne. Also kaufte sie meine Tochter [Rahel Blocher], und verkaufte sie eine Woche später der Medienvielfalt Holding weiter, deren Hauptaktionär Tito Tettamanti ist. Weil Tettamanti die Basler Zeitung Medien – ein kleiner, stark diversifizierter Konzern – nicht sanieren konnte und wollte, übernahm ich diese industrielle Aufgabe und auch das Risiko.

Wieso wurde bei der Finanzierung der Basler Zeitung Medien eine derart intransparente Kommunikationsstrategie gefahren? Informationen kamen stets häppchenweise an die Öffentlichkeit, perfekt serviert für alle, die ein Interesse daran haben, diese zu skandalisieren. Haben Sie da Fehler gemacht?
Ja, vielleicht hätte ich sie am Besten gleich selbst gekauft, doch das ist aus heutiger Sicht leicht zu sagen. Finanziell wäre ich zu einem Kauf in der Lage gewesen, doch ich wollte nie eine Parteizeitung, sondern eine weitere Stimme in der Medienlandschaft. So wurden nun halt alle Transaktionen skandalisiert, auch durch Medien von Verlagen mit eigenen Interessen.

«Blocher hat Glaubwürdigkeit verspielt durch seine Intransparenz», schrieb beispielsweise «Basler-Zeitung»-Redaktor Thomas Lüthi.
Ich habe zwar nie etwas Falsches gesagt, aber nicht immer alles offen gelegt. Die Basler Zeitung gehört heute der Medienvielfalt Holding AG, weil ich Risiken der Sanierung übernommen habe, steure ich die Sanierung. Doch jetzt ist die Zeitung auf einem guten Weg, sie wird die Schweizer Medienlandschaft bereichern.

Beat Jans von der SP schreibt: «Die Reichen der SVP wollen die Medien der Schweiz einnehmen». Planen Sie die Berlusconisierung der Schweiz?
Weil man Zeitungen rettet? Das hätten doch andere auch machen können. Wieso haben denn die Linken und die Gewerkschafter die Basler Zeitung nicht gekauft? Warum haben die feinen Herren es zugelassen, dass die National-Zeitung mit den Basler Nachrichten fusioniert wurde? Sie hätten ohne Weiteres Zeitungen kaufen und betreiben können, doch sie waren zu bequem. In der Basler Zeitung jedenfalls schreiben auch Linke und Grüne. Das wäre bei Zeitungen der Linken nicht so. Mit der Demokratie hatten es die Linken noch nie.

Sind Sie finanziell an der Basler Zeitung oder an der Weltwoche beteiligt?
Ich bin bei der Medienvielfalt Holding nicht als Eigentümer beteiligt, auch meine Tochter nicht. Roger Köppel ist Alleineigentümer der Weltwoche. Dass das in Zweifel gezogen wird, ist Rufschädigung.

Wann kommt der Film «Blocher – une vie» von Jean-Stéphane Bron in die Kinos?
«Blocher – une vie» ist der Arbeitstitel. Wann er kommt, weiss ich nicht. Was er schlussendlich bringt, weiss ich auch nicht. Es ist – glaube ich – mehr eine tiefenpsychologische Untersuchung.

Wann haben Sie das Pfeifenrauchen eingestellt, und warum?
Ich war ein leidenschaftlicher Pfeifenraucher, doch eines Tages zündete ich die Pfeife nicht mehr an, ich weiss gar nicht warum. Eigentlich wollte ich nie aufhören, doch ich rauche nicht mehr. Seit etwa 15 Jahren nicht mehr.

Do you speak English?
Schlecht. Das ist der Nachteil meines zweiten Bildungswegs. Wenn ich mit Amerikanern zusammen bin, dann rede ich Englisch, doch einen Vortrag auf Englisch würde ich keinen halten.

Sie haben in den 1980er-Jahren Fabriken in China aufgebaut. Ist es nicht etwas lächerlich, wenn sich Journalisten, die kaum mehr als drei Restaurants in New York gesehen haben, kosmopolitischer fühlen als Sie, Sie gar für provinziell halten?
Ich muss dann einfach lachen. Von 1983 bis 2003 habe ich 117 grosse Fabriken gebaut in China, im Wert von je 80 bis 100 Millionen Franken. So eine Fabrik beschäftigt rund 600 Mitarbeiter, in China arbeiten dann vielleicht 2000 drin, weil damals die Produktivität klein war. Ich habe aber nicht nur in China Fabriken gebaut, sondern auch der Türkei, in Taiwan, Japan, Pakistan, in Afrika, ich kenne doch die ganze Welt! Und dann soll ich provinziell sein? Gerade weil ich die Welt kenne, setze ich mich für die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Schweiz ein.

Andererseits sind es Sie und Ihre SVP, die die Schweiz zupflastern mit Bildern einer heilen Schweiz, die es so doch gar nie gegeben hat.
Schauen Sie doch unsere Staatsfinanzen an und vergleichen Sie die mit Japan, den USA, der EU. Schauen Sie unseren Wohlstand an, unsere Freiheit. Die Schweiz hat nicht die besten Politiker, denn die sind überall gleich. Aber die beste Staatsform. Ich wehre mich eigentlich nur dafür, dass diese unsere Staatsform nicht kaputt gemacht wird. Unsere Säulen sind die Direkte Demokratie, der Föderalismus, die Neutralität. Diese Werte verteidigt unsere Partei unerbittlich.

Wir leben in einer Gesellschaft, in der nur die Ältesten jemals etwas anderes als Wohlstand gekannt haben. Ist das nicht gefährlich?
Das ist sehr gefährlich, denn «nichts ist schwerer zu ertragen als eine Reihe guter Tage» [ein Goethe-Zitat]. Viele Leute wissen gar nicht, was eine Krise ist.

In den Medien ist seit 2008 fast nur von Krise die Rede.
Aktuell ist eine Überhitzung zu beobachten, aber sicher keine Krise.

Mich erstaunt Ihre Ausdauer. Wir haben jetzt fast zwei Stunden geredet, Journalisten scheinen immer vor Ihnen müde zu werden.
Ja, ich bin gut «zwäg». Seit fast 50 Jahren laufe ich meine 6,2 Kilometer, mehr oder weniger immer die gleiche Strecke. Im Sommer schwimme ich jeweils 500 Meter.

Sie sind mehrfacher Milliardär. Es gibt Leute, die sagen, dass jemand, der so viel Geld hat, das gar nicht auf ehrliche Weise verdient haben kann. Zu wie viel Prozent haben Sie ihr Vermögen auf ehrbare Weise verdient?
Ich bin Unternehmer und mein Vermögen sind Unternehmen. Ein Unternehmer, der arm ist, ist das Traurigste, was es gibt. Mein Geld habe ich ausschliesslich mit unternehmerischen Tätigkeiten verdient. Wenn sich in den letzten zehn Jahren das Familienvermögen verdoppelt hat, weil die EMS-Chemie Holding AG gut gearbeitet hat, ist das etwa nicht «ehrenhaft»? Der Börsenwert ist aktuell auf über 6 Milliarden Franken, vor zehn Jahren war er vielleicht bei 3, als ich die Firma kaufte, noch auf 100 Millionen Franken. Was ist denn hier unehrlich daran? Wer behauptet, dieses Geld sei nicht ehrlich verdient, soll konkrete Kritik vorbringen.
Ein Unternehmer trägt das volle Risiko, einfache Leute verstehen das eigentlich recht gut. Meine Mitarbeiter fanden es auf jeden Fall nie verkehrt, dass ich ein reicher Unternehmer bin. Sie wissen: Es gibt für sie nichts Traurigeres als ein armer Unternehmer, weil es ihnen dann schlecht geht.

Das Gespräch mit Christoph Blocher wurde am 5. April 2013 in Männedorf geführt.

Leserbeiträge

Peter Locher 15. April 2013, 16:48

Knallhartes Interview! Wurde es brieflich oder per Email geführt?

Ronnie Grob 15. April 2013, 17:30

Wir sassen fast zwei Stunden an einem Sitzungstisch in Männedorf, dort haben wir tatsächlich miteinander geredet. Danach wurde die Aufnahme des Gesprächs abgetippt.

Otto Kunz-Torres 15. April 2013, 23:14

Knallhartes Interview? Dass ich nicht lache! Für mich liest es sich über weite Strecken wie ein Gefälligkeitsinterview. Viel Neues ausser der angeblichen Frank A. Meyer-Ringier-Story erfährt man nicht. Hinterfragt werden die Antworten kaum. Zum Beispiel der Kauf der EMS-Chemie. Hier wird ein Börsenwert von 100 Millionen Franken bei der Übernahme im Jahre 1983 erwähnt. Blocher aber zahlte für die Ems-Chemie 16 Millionen. Er war von der Familie Oswald selber beauftragt, einen Käufer zu suchen. Die Erbenfamilie Oswald erfuhr erst später von einem anderen Angebot von achtzig Millionen. Diese Fakten werden zwar heute bestritten. Oder die Geschäfte bei der BZ Bank seines Freundes Martin Ebner. Hier kassierte Blocher als Verwaltungsrat der ‚Pharma Vision‘ Millionen an Honoraren ab. Die Anleger dagegen erlitten beim Debakel mit den ‚Visionen‘ von Ebner Riesenverluste. Der Einstieg bei der Basler Zeitung hat wohl kaum philanthropische Beweggründe. Da soll doch der ebenfalls rechtskonservative und neoliberale Medienmogul Rupert Murdoch (unter anderem ‚Fox News‘, ‚New York Post‘, ‚Wall Street Journal‘) kopiert werden. Blocher hat allerdings Recht, ich habe auch nie begriffen, wieso die ‚feinen Herren‘ aus dem Basler Daig bei der BaZ nicht eingestiegen sind.

Fred David 17. April 2013, 22:07

Der Herr interessiert einfach nicht mehr so sehr. Die Zeit ist über ihn hinweggegangen. Sagt ihm das mal jemand?

Annabelle Huber 22. April 2013, 22:25

„An der Wand hängen Gemälde, aber nicht etwa wertvolle, er könne ja hier «keine teuren Bilder» aufhängen. Also bloss Gemälde von Giovanni Giacometti …“

Giovanni Giacometti ist ein sehr interessanter Künstler, welcher nicht den Stellenwert hat, den er verdient. Teuer ist auch hier nicht gleich wertvoll.
Oder wie es Oscar Wilde mal durch Lord Darlington ausdrückte:
Ein Zyniker ist ein Mensch, der von allem den Preis und von nichts den Wert kennt.

Ein Interview unter dem segensreichen Einfluss von grossen Bergkristallen, rein und klar.

Ich finds schön von Christoph Blocher, dass er für dieses Interview soviel Zeit gegeben hat. Zeigt doch eindrücklich, dass er gute journalistische Arbeit wert zu schätzen weiss.

Franz Meier 19. April 2013, 13:31

Ein kritisches Medienmagazin mit einem gewissen Anspruch an Qualität sollte eindeutig hochwertigeren Medien-Journalismus bieten. Es genügt einfach nicht, einen Redaktoren mit Affinitäten zur politischen Rechten und zu Medien wie die Weltwoche als Stichwortgeber zu einem Freundschafts-Interview mit einem Exponenten der politischen Rechten zu schicken.

Ronnie Grob 19. April 2013, 14:25

Wie stehen Sie denn zu meinem „Freundschafts-Interview“ mit der taz? Auch ungenügend?

Frank Hofmann 19. April 2013, 15:08

„einen Redaktoren“: hochwertig, Qualität? Bei der Weltwoche beherrscht man den Akkusativen 🙂

Franz Meier 19. April 2013, 15:33

ok, ein Punkt für die Rechten!

Vladimir Sibirien 19. April 2013, 20:26

Es heisst übrigens auch „der Weltwoche“. Abgesehen davon: Selbst Fremdwörter sind kein Garant für einen stilvollen Satz.

Danke, Ronnie Grob, für einen weiteren guten Artikel.

Remo Maßat 29. Mai 2014, 18:44

Wie schlecht fehlende Medienvielfalt auch im Lokal-Medienbereich ist, zeigen eindrücklich auch die Beispiele der Quasi-Monopol-Blätter Bündner Woche (BüWo) und Pöschtli im Domleschg / Viamala von Graubünden: http://domleschg24.ch/feiertage-zeit-zum-nachdenken/