Die MEDIENWOCHE ist ein digitales Magazin für Medien, Journalismus, Kommunikation & Marketing. Die Redaktion beobachtet und begleitet publizistisch die Entwicklung der Branche in der Schweiz, verfolgt aber auch internationale Trends. Neben den redaktionellen Eigenleistungen bietet die MEDIENWOCHE mit dem «Medienmonitor» (zweimal wöchentlich) und der wochentäglichen Rubrik «Auf dem Radar» Lektüreempfehlungen aus nationalen und internationalen Medien.
Entstellte Körper, Soldaten mit Puppen, Leichenteile. Der Flugzeugabschuss über der Ukraine schockierte die Menschen – die Bilder der Katastrophe ebenso. Welche sind voyeuristisch und verletzend? Sensationslust, Informationspflicht und Menschenwürde stehen auf dem Prüfstand – auch im «Medienclub».
Es sei ein «Beweisstück eines verkotzten Journalismus», schreibt Martin Kilias in der Berner Zeitung, nachdem er sich eine Reihe von TV-Interviews mit dem früheren Trump-Mitarbeiter Sam Nunberg angeschaut hatte. Ein offensichtlich verwirrter, möglicherweise alkoholisierter Mann wurde in den USA von Sender zu Sender weitergereicht, wo er mit vermeintlich Sensationellem zu den Russland-Untersuchungen gegen Trump aufwartete. Doch hier wäre es die Aufgabe der Medien gewesen, diesen Mann vor sich selbst zu schützen, da er nichts Substanzielles zu bieten hatte, aber offenbar einen Drang an die Öffentlichkeit. «Ein journalistisches Trauerspiel, das gewiss ein Nachspiel haben wird», bilanziert Kilias.
Lehnt sich ein Journalist zu stark auf eine Seite, erschallt es ermahnend: «Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.» Nun ist das so eine Sache mit diesem Zitat. Hanns Joachim Friedrichs hat das zwar so gesagt, aber in einem ganz spezifischen Kontext, der es verbietet, die Aussage so pauschal zu verwenden, wie das nun oft getan wird. Der frühere «Spiegel»-Reporter Cordt Schnibben, der 1995 das Gespräch geführt hatte, wo das Zitat herstammt, sagt heute dazu: «Daraus zu machen, dass ein Journalist quasi ein haltungsloser, emotionsloser Journalist sein sollte, dem man seine Haltung nicht anmerkt, ist eine Pervertierung.»
Berichten Zeitungen in den USA über Amokläufe an Schulen, dann zeigen sie auf ihren Titelseiten häufiger den Täter und seltener die Opfer. Das stellte ein Medienforscher der Universität Oregon fest, nachdem er rund 4000 Titelseiten nach drei Schulschiessereien ausgewertet hat. Beim Verhältnis zwischen Täter- und Opferbilder gibt es indes grosse Unterschiede. Während es nach dem Amoklauf an der Grundschule Sandy Hook bei 3 zu 1 lag zugunsten des Täters, betrug das Verhältnis nach der Bluttat an der Universität Virginia Tech 42 zu 1. Ausserdem zeigten die Zeitungn die Bilder der Täter in der Regel grösser als jene der Opfer. Der Forscher warnt, dass die prominente Präsenz der Mörder Nachahmungstäter motivieren könnte.
Ein Mitarbeiter des Ringier-Magazins izzy gibt sich am Telefon als Major der Schweizer Armee aus und bringt einen richtigen Angehörigen der Armee dazu, ihm einen Wachtplan zu schicken. Allein Aufgrund der E-Mail-Adresse hätte der Soldat merken müssen, dass er es nicht mit seinesgleichen zu tun hat. Die Schweizer Armee sieht im Vorgehen mit der verdeckten Identität eine «Amtsanmassung» und behält sich rechtliche Schritte vor. Der Chefredaktor von izzy wiederum hält das Vorgehen für gerechtfertigt, da damit «die hierarchiegläubige Kultur in der Armee» aufs Korn genommen wurde. Medienethisch und auch medienrechtlich sind indes Zweifel angebracht, ob der Nachweis der militärischen Hierarchiegbläubigkeit nur mit dem Mittel der verdeckten Recherche erbracht werden konnte. Gemäss den Richtlinien des Presserats sind verdeckte Recherchen «ausnahmsweise zulässig, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an den damit recherchierten Informationen besteht und wenn diese Informationen nicht auf andere Weise beschafft werden können». Der vorliegende Fall scheint diese Voraussetzungen nicht zu erfüllen.
Andere hätten ein solches Schreiben ignoriert oder direkt geklagt. Nicht so Roger Blum, Ombudsmann der Deutschschweizer Programme der SRG. Blum reagierte auf einen wütenden Rundumschlag gegen Radio und Fernsehen, Bundesrätin Doris Leuthard und gegen die Ombudsstelle in der Art, wie er auch andere Beschwerden behandelt. Punkt für Punkt geht er auf die teils wirre Kritik ein, widerlegt den Zensur- und Propaganda-Vorwurf fakten- und quellenreich. Nachdem er die Beschwerde inhaltlich abgearbeitet hat, kommt er zu deren Form. Und hier teilt er dem Beanstander unmissverständlich mit: «Ihre Beanstandung ist in einem Ton verfasst, der inakzeptabel ist und jeglichen Anstand vermissen lässt.» Bei der Staatsanwaltschaft Graubünden hat Blum Strafanzeigeeingereicht, vor allem deshalb, weil der Absender forderte, Bundesrätin Leuthard und ihr Departement seien in ein Konzentrationslager einzuweisen.