«Watson»: Falsche Katzenfreunde
Das News- und Unterhaltungsportal Watson hat auf Social Media das grosse Schleppnetz ausgelegt, so auch auf Facebook. Auf vielen Community-Seiten bleibt indes im Dunkeln, dass hier Watson nach «Likes» und Klicks fischt. Die fehlende Transparenz erklärt man mit dem halbprivaten Charakter dieser Aktivitäten. Die Facebook-Seiten würden teils von Redaktoren in ihrer Freizeit betrieben.
Wer auf Facebook eine gutfrequentierte Seite von Katzenfreunden liked, könnte sich unwissentlich bei einem Ausleger von Watson wiederfinden. Die Seite «Ich bin nur der Mitbewohner meiner Katze» sieht auf den ersten Blick so aus, wie jede andere Tierliebhaber-Community: Katzenbilder mit einschlägig inszenierten Fellknäueln, dazu regelmässig Links auf Medienbeiträge zum Thema.
Wer die Seite regelmässig besucht, wird möglicherweise bemerken, dass fast ausschliesslich Watson-Artikel geteilt werden. Wer hingegen nur gelegentlich die betreffenden Katzenbilder in seine Timeline eingespeist kriegt, weil der Algorithmus das so will, registriert kaum, dass hier immer das gleiche Medienunternehmen Links postet. Überprüfen lässt sich die Autorschaft nicht. Im «About» der Seiten findet sich kein Hinweis auf Watson. Wie auch auf den anderen Seiten, die Watson nach dem gleichen Muster unterhält.
Neben der Katzenfreunde-Seite, die mit ihren aktuell 90’000 Likes doppelt so viele Nutzer an sich binden konnte, wie die Facebook-Seite von Watson, gibt es mindestens acht weitere solcher Communitys. Sie heissen «Mein bester Freund» (Hunde), «Echt interessantes Männerzeugs» oder «Mädchen wie wir». Es ist ein offenes Geheimnis, dass Watson im grossen Stil sein Schleppnetz auf allen möglichen Social-Media-Plattformen ausgelegt hat – und es mit der Deklaration nicht immer so genau nimmt. Doch den Vorwurf der Täuschung will Philipp Meier nicht gelten lassen. Der Community-Verantwortliche von Watson meint: «Es wird allen schnell klar, dass das unsere Seiten sein müssen. Es sind ja (fast) ausschliesslich unsere Inhalte drauf.» Das stimmt im Prinzip. Allerdings wird es der Nutzungsrealität nicht gerecht.
Gegen eine Offenlegung spreche nichts, versichert Meier. Aber für eine noch junge und noch wenig bekannte Marke sei es erfolgversprechender, die Leute mit dem Thema der jeweiligen Community anzusprechen und nicht mit Watson. Da müsste man «zuerst lang und breit erklären, was es ist.» In dem Sinn sei das verdeckte Vorgehen auch eine «Finte», um sich mit den grossen Namen messen zu können.
In anderen Bereichen hält Watson die Transparenz hoch, etwa bei der Interessenbindung ihrer Mitarbeiter, die sie unter ihren Beiträgen offenlegen oder bei der Deklaration von Native Advertising. Bei diesen Facebook-Seiten, die zusammen ein Vielfaches der Reichweite der Watson-Facebook-Seite erzielen, betreiben sie ein Versteckspiel. Im Fachjargon könnte man es Astroturfing nennen, also ein «kommerzielles Werbeprojekt, das darauf abzielt, den Eindruck einer spontanen Graswurzelbewegung vorzutäuschen»; Katzenliebhaber anlocken und ihnen dann Watson-Links unterjubeln. Auch das lässt Meier nicht gelten: «Da wird nichts kaschiert, um bei einem bestimmten Thema unabhängig und glaubwürdig rüberzukommen – was bei Astroturfing das Ziel wäre».
Kaschiert wird insofern nichts, als dass man mit der Facebook-Suche leicht eruieren kann, welche Watson-Mitarbeiter die firmeneigenen Community-Seiten liken. Diese Personen sind denn zum Teil auch die Inhaber der Seite und nicht Watson als Unternehmen. Hier vermischen sich private und geschäftliche Tätigkeiten. «Angefangen hat es damit, dass ein Watson-Redaktor eine solche Seite privat aufbaute. Er teilt privat die thematische Passion, die er bei Watson beruflich abdecken kann», erklärt Philipp Meier.
Für das Unternehmen lohnt sich das Modell, weil die Mitarbeiter die Seiten auch in ihrer Freizeit betreuen. Für die Mitarbeiter liegt der Gewinn darin, dass sie dank dem Rückhalt im Unternehmen, ihre Leidenschaft und ihre Position in der privaten Social Media-Community nun teilweise während der Arbeitszeit betreuen können. Auch wenn es sich um ein Hobby von Redaktionsmitgliedern handeln soll und man deshalb auf eine Deklaration als Watson-Seiten verzichtete, sind diese Seiten eingebunden in die Geschäftsstrategien des Medienunternehmens.
Der Nutzen solcher Community-Seiten als Klickbringer ist indes umstritten. «Inwieweit die Traffic-Strategie damit aufgeht, ist fraglich», meint etwa Facebook-Experte Thomas Hutter auf Anfrage. Er verweist auf die geringe organische Reichweite solcher Seiten. Das lässt sich optimieren, wenn man Facebook für Likes zahlt oder einzelne Beiträge kostenpflichtig hervorheben lässt, in der Hoffnung, die Ausgaben mit zusätzlichen Werbeerträgen wieder hereinzuspielen.
Was Watson auf Facebook treibt, sei «nichts Illegales», macht Experte Thomas Hutter klar. Nur das: Administratoren von Facebook-Seiten, die nicht unter Klarnamen auftreten, riskieren einen Verweis. Damit soll sich Watson offenbar auskennen.