von Nick Lüthi

Und jetzt weiter im Takt

Nach dem verunglückten Intermezzo des Verwaltungsrats bei der Chefredaktorensuche, will CEO Veit Dengler den Wandlungsprozess der Neuen Zürcher Zeitung wieder in geordnete Bahnen lenken. Im Neujahrsbrief ans Personal zeichnet er die nächsten Schritte auf.

In den letzten Wochen dominierte ein Name die Diskussion um die Zukunft der NZZ: Markus Somm. Der Verleger und BaZ-Chefredaktor hätte für den NZZ-Verwaltungsrat einen valablen Schriftleiter abgegeben. Nach Druck von innen und aussen war der Name vom Tisch. In den Wirren um das verunglückte Vorpreschen des Verwaltungsrats ging komplett vergessen, dass noch gar nicht geklärt ist, welche Aufgaben ein neuer NZZ-Chefredaktor überhaupt übernehmen soll. Der bisherige Chefredaktor Markus Spillmann hat sich nach offizieller Lesart auch deshalb für einen Rücktritt entschieden, weil sein Aufgabenbereich hätte beschnitten werden sollen.

So will die NZZ die Posten eines Digitalchef und eines publizistischen Leiters schaffen, um den Chefredaktor zu entlasten. Für diese Aufgabe wurde neben anderen auch Ex-Spiegel- und heutiger FAZ-Digitalchef Mathias Müller von Blumencron angefragt. Der lehnte allerdings frühzeitig ab, wie auch andere Digitalchefs deutscher Medien, die man kontaktiert hatte. Klar ist: Die publizistische Spitze gibt es nur im Doppelpack. Chefredaktor und Digitalchef, respektive publizistische Leitung, müssen am gleichen Strick ziehen. Zu gross sind die anstehenden Aufgaben, als dass man sich Querelen an der Spitze leisten könnte.

Wie die beiden Posten miteinander und nebeneinander genau funktionieren sollen, darüber müssen sich CEO, Redaktionsspitze und Verwaltungsrat zuerst einmal einig werden. In seinem Neujahrsbrief ans NZZ-Personal skizziert CEO Veit Dengler das weitere Vorgehen: «Bei der Nachfolgeregelung in der publizistischen Leitung geht es zunächst darum, die neuen publizistischen Führungsstrukturen festzulegen. Ich bin dabei, in Konsultation mit leitenden Redaktoren einen Vorschlag zur künftigen Organisation zuhanden des Verwaltungsrats zu erstellen.» Parallel soll der Verwaltungsrat «mit leitenden Redaktoren mögliche geeignete interne und externe Kandidatinnen und Kandidaten» konsultieren, schreibt Dengler weiter.

In der nachfolgenden Auflistung der anstehenden Projekte wird deutlich, welch eminente Stellung Chefredaktion und publizistische Leitung im Hause NZZ künftig einnehmen werden. Neben der Tageszeitung als Flaggschiff entstehen gerade zahlreiche neue Projekte und Publikationen. Etwa ein digitaler Ableger in Österreich, der im Januar unter NZZ.at als Bezahlportal online geht. Oder eine neue Online-Plattform NZZ.next, «ein neues Digital-Produkt in der Pipeline, mit dem wir neue Lesergruppen erschliessen wollen.» Die jüngst erfolgte Bekanntgbabe von «NZZ Geschichte» mit der gleichzeitigen Verpflichtung von Martin Beglinger, einem Schwergewicht des Magazinjournalismus, zeugt von einem publizistischen Selbstbewusstsein, das andere Verlage bisweilen vermissen lassen.

Auch beim Stammblatt stehen Neuerungen an. So ein überarbeitetes Erscheinungsbild der NZZ, bekannt unter dem Codenamen «Neo», eine neue Webseite, heute schon als beta.nzz.ch anzuschauen. Und schliesslich bewegen sich auch die Regionalmedien. Nach der organisatorischen Zusammenführung der NZZ-Töchter in Luzern und St. Gallen unter ein gemeinsames Dach, folgt nun eine verstärkte redaktionelle Kooperation. So sollen Neue Luzerner Zeitung und St. Galler Tagblatt im kommenden Jahr ihre Mantelredaktionen zusammenführen.

Wer die publizistische Verantwortung für ein derart breites Portfolio trägt, mit der Verpflichtung den Aktionären gegenüber, nachhaltig und gewinnbringend zu wirtschaften, muss über einen einwandfreien Ruf beim zahlenden Publikum verfügen. Eine Skepsis, wie sie Markus Somm nur schon als Kandidat für den NZZ-Chefredaktorenposten entgegenschlug, bringt das Geschäft in Gefahr. Das hat weniger mit Somms Rolle als Journalist zu tun, sondern mit seinen politischen und unternehmerischen Verbandelungen mit Christoph Blocher. Der kommerzieller Misserfolg der BaZ unter Somms Leitung zeigt zudem deutlich die Grenzen politisch akzentuierter Publizistik auf; auch die Weltwoche hatte schon einmal eine höhere Auflage als heute.

Das Potenzial für national-liberale Medienangebote ist im Deutschschweizer Markt ausgeschöpft. Für eine weitere Tageszeitung in diesem Segment gibt es keinen Platz. Die NZZ muss ihre Inhalte verkaufen können, in allen Formen und auf allen Kanälen an ein möglichst breites Publikum, sie kann sich nicht auf branchenfremde Aktivitäten abstützen. Erfolg verspricht deshalb nur eine auf die breite Masse ausgerichtete Publizistik. Mit politischen Abenteuern würde sich das Unternehmen unnötig in Gefahr begeben. Und das in einer Situation, wo das Haus vor seinen wohl grössten unternehmerischen Herausforderungen der letzten Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, steht.

Leserbeiträge

Frank Hofmann 01. Januar 2015, 18:29

Der kommerzielle Erfolg einer Zeitung hängt nicht von der Auflage ab. Die frühere, einem SP-Parteiblatt ähnelnde BaZ hatte eine höhere Auflage als jetzt unter Somm, war aber hochdefizitär. Sonst wäre sie nicht zum Verkauf gestanden. Auch die WeWo war trotz höherer Auflage als heute nicht profitabel. Jemand muss die Drecksarbeit der Sanierung inkl. Stellenabbau machen, das wird auch bei der NZZ nicht anders sein, er wird einfach nicht Somm heissen. Wie viele Entlassungswellen hat der linkspopulistische Tagi hinter sich? Mindestens zwei. Die Auflage dort war mal bei 260’000, heute ca. 170’000, Verlust ein rundes Drittel.

Giusep Nay 06. Januar 2015, 08:33

Das Etikett „linkspopulistisch“ für den Tages-Anzeigersoll soll wohl heissen: der neue zunehmende rechtspopulistische Trend der NZZ ist nicht Schuld an den finanziellen Problemen des Verlages und ist damit ein unfreiwilliges Eingeständnis des NZZ-Journalisten für deren Freude am Rechtspopulismus.

Ueli Custer 12. Januar 2015, 15:28

Der kommerzielle Erfolg einer Zeitung hängt sehr wohl entscheidend von der Auflage ab. Tiefe Auflage = tiefer Seitenpreis. So einfach ist das. Dass die Basler Zeitung hoch defizitär war, hat vor allem mit zu vielen und teilweise unüberlegten Akquisitionen in den Neunzierjahren zu tun.

kenneth angst 13. Januar 2015, 19:00

nicht ganz klar ist mir nach lektüre, ob mit „leiter Publizistik“ der nzz cr und/oder der publizistische oberhirte der nzzgruppe – also der cr der cr von nzz, tagblatt, nlz – gemeint ist.konkret: umfasst die „neue publ führungsstruktur“ 2 oder 3 Personen?