«Die Gegenposition zum Mainstream ist immer richtig»
Mit 50 Jahren ist Roger Köppel der bekannteste Journalist der Schweiz und ein unabhängiger Verleger mit Herzblut, vieles erinnert an Rudolf Augstein. Von seinen ehemaligen Kollegen und Arbeitgebern hat er sich emanzipiert, seine Weltwoche sieht er als Truppe, die mit dem Rammbock an die Tore unerstürmter Burgen hämmert. Bei den im Oktober anstehenden Wahlen will er nun auch noch für die Schweizerische Volkspartei (SVP) als Nationalrat ins Parlament einziehen.
«Wir werden ohne Rücksicht auf Verluste eine faire und schonungslose Klinge schlagen. Wir sind unabhängige Leute, und man wird sich daran gewöhnen müssen. Wenn wir das Maul halten sollen, muss man es uns schon stopfen.»
Rudolf Augstein, damals 28, in einem Kommentar zum fünfjährigen Bestehen des «Spiegel» 1951, zitiert aus «Die Herren Journalisten» (Lutz Hachmeister / Friedemann Siering 2002, C.H. Beck), Seite 97.
Am 21. März 2015 ist es soweit: Roger Köppel wird 50 Jahre alt. Er strahlt noch immer Jugendlichkeit aus, was seinem noch nicht ergrauten Haar und seiner hellwachen Art, aber natürlich auch seinem nachhaltigen Lebenswandel geschuldet ist. Er raucht nicht, trinkt wenig Alkohol, treibt viel Sport, gesundheitsgefährdend ist nur das Übermass an Arbeit, das er sich aufbürdet. Dass Köppel heute der wichtigste Journalist der Schweiz ist, hat er nicht nur grossem Talent und harter Arbeit zu verdanken, sondern auch einer frühen Förderung. Bereits mit 32 Jahren wurde er zum Chefredaktor des damals renommierten «Magazins» ernannt. Esther Girsberger erinnert sich, dass die damalige Entscheidung in ihre Kompetenz fiel: «Bei der Nachfolgefindung von René Bortolani dachte ich: Roger Köppel ist der Richtige. Schreibt sehr gut, ist eloquent und breit aufgestellt. Kurt W. Zimmermann dagegen, damals Geschäftsleitungsmitglied der Tamedia, reagierte zunächst mit dem Satz ‹Spinnst Du eigentlich?› auf meinen Vorschlag».
Zimmermann kann sich daran nicht erinnern. Auf Anfrage schreibt er: «Köppel war im Haus schon lange als gewitzter Typ aufgefallen und hatte Anhänger bis hinauf in die Unternehmensspitze. Wenn ich mich richtig erinnere, waren besonders Hans-Heinrich Coninx, Iwan Rickenbacher und Antje Landshoff sehr von ihm angetan. Auch Roger de Weck hatte zuvor mehrmals gesagt, dass er Köppel zwar für einen etwas speziellen Typen, aber für einen der kommenden Köpfe im Hause halte.» Köppel ist ein anderer Satz von Zimmermann in Erinnerung geblieben, geäussert an jener Sitzung der Geschäftsleitung, an der er sein Konzept für das «Magazin» vorstellte: «Wenn ich Dir so zuhöre, krampft sich alles in mir zusammen.» Der Trend sei damals eben «reiner Lifestyle und Sauglattismus à la SZ-Magazin» gewesen, so Köppel, und die damaligen Vorbehalte sind längst begraben: «Kurt und ich wurden bald Freunde und mein Respekt für ihn ist über all die Jahre gleichbleibend gross geblieben. Aber ohne Esther Girsberger wäre ich nie Chef des Magazins geworden – dafür bin ich ihr bis heute dankbar. Wie auch Michel Favre und Hans Heinrich Coninx, die sich auf das Abenteuer eingelassen haben.» Seine eigene Förderung hat er zurückgegeben, in dem er selbst Journalisten förderte: ehemalige Angestellte von ihm sind heute in den Chefredaktionen von «Blick», Basler Zeitung und Sonntagszeitung anzutreffen. Köppel weist darauf hin, dass er seinen Nachfolger beim «Magazin», Res Strehle, selbst angestellt und gegen Bedenken aus der Geschäftsleitung mit einem Zehnpunkte-Empfehlungsschreiben als neuen Chef empfohlen hat.
«Darth Vader»
«Eigentlich müsste man, wenn ich in die Redaktion komme, den Darth-Vader-Marsch spielen», sagte Köppel der «Zeit» 2002, und dieser Satz zeigt seine Faszination für die Macht und für das Böse. Und seinen Humor, den ihm einige absprechen wollen, während ihn andere nicht verstehen können. Doch verkörpert er das Böse oder strebt er es an, wie das einige seiner Gegner glauben? «Keine Sorge, der will nur spielen», ist ein geflügeltes Wort unter Hundebesitzern, dem zurecht nicht immer zu trauen ist. Und auch bei Köppel fragt man sich des Öfteren: Wohin zeigt sein innerer moralischer Kompass? Hat er überhaupt einen oder ist er tatsächlich amoralisch, wie das ein ehemaliger Mitarbeiter behauptet? In Friedenszeiten sind Artikel, die Hooligans in Schutz nehmen, pauschal über Roma urteilen und Titel, die den Koran zur «Bibel der Gewalt» erklären, einigermassen gut erträglich. Aber würde Köppel seine Macht auch ganz anders ausnützen, wenn er nur könnte? Auf welcher Seite der Macht stände «Darth Vader» in einem veränderten Machtgefüge, auf der hellen oder auf der dunklen?
Köppel hat auf all diese Fragen eine simple Antwort: «Ich sehe meine Aufgabe nicht darin, auf der Seite der Mehrheit zu stehen. Wenn alle auf den kleinen, dicken Aussenseiter zeigen auf dem Pausenplatz, dann braucht der, der sich neben ihn stellt, etwas mehr Mut. Die Einnahme der Gegenposition zum Mainstream ist immer richtig. Wo alle loben, muss man kritisieren. Wo alle kritisieren, muss man loben.» Und da hat er natürlich recht. Jeder, der am Pranger der Medien oder der Bevölkerung steht, hat wenigstens einen Anwalt verdient; das gilt für Geri Müller genauso wie für Grossbanken, Rohstoffhändler oder das noch mächtigste Land der Welt. Sich selbst sieht er als Eklektiker: «Wenn ein anderer eine interessante Idee hat, bin ich der erste, der die nach vorne bringt. Jeder Journalist sollte Eklektiker sein. Er muss interessante Ideen und Gedanken ungeachtet des Absenders prüfen und verarbeiten.»
Breaking News: wieder Kurswechsel bei der Weltwoche! pic.twitter.com/gzChWmyccs
— Markus Schär (@SchaerWords) November 8, 2013
Aufgewachsen ist Roger Jürg Köppel in der Agglo, in Kloten und Bülach. Sein Vater, ein Ostschweizer, lernte Maurer und war später Besitzer der Hochbaufirma Köppel AG, spezialisiert in Renovationen. Nach gesundheitlichen Problemen in den 1970er-Jahren verkaufte er die Firma und starb wenige Jahre später, wie auch seine Mutter. Bereits als Teenager zum Vollwaisen geworden, wuchs er in der mütterlichen Wohnung bei seinem zehn Jahre älteren Bruder und dessen Freundin auf. Die Grosseltern, Tanten und Onkel halfen im Haushalt. Als erster seiner Familie schaffte er es ans Gymnasium und später an die Hochschule. Nach der Kantonsschule Zürcher Unterland und vor seinem Eintritt in die Universität Zürich sammelte er Gepäckwagen am Flughafen Zürich. Wie ein bekannter Reporter beim Tages-Anzeiger übrigens, Constantin Seibt, der weitere erstaunliche Parallelen im Lebensweg aufweist: Die beiden hatten den gleichen Jugendfreund, den gleichen Mentor, den gleichen Professor – und schafften es trotzdem, sich dabei kein einziges Mal über den Weg zu laufen. Eigentlich wollte er Lehrer werden, sagt mir Köppel. Er habe schon immer gerne Vorträge gehalten und der pädagogische Furor habe ihn bis heute nicht verlassen.
Ideenmaschine
Glaubt man seinen Gegnern, so hat er aus der Weltwoche ein Propaganda- und Hetzblatt gemacht. Doch Köppel steht unbeirrbar zu dem, was er macht, und publizistisch hat er abseits fragwürdiger Titelbilder und Zuspitzungen bislang verhältnismässig wenige Fehltritte zu verantworten, siehe dazu die Stellungnahmen auf Presserat.ch. Für ambitionierte Journalisten kann er in vielen Bereichen nur ein Vorbild sein: Sein Output ist oft höher als der seiner Mitarbeiter oder Konkurrenten, Interviews macht er wie nebenbei, jede Woche steht ein sprachlich eloquenter und inhaltlich wegweisender Text («Editorial»), ständig beschäftigt er sich mit neuen Fragen und veröffentlicht neue Artikel. Selbst ist er vielleicht nicht der allerbeste Rechercheur, doch das macht er wett, in dem er sein Magazin konsequent auf die Recherche ausrichtet. Seine herausragende Stärke ist die Ideenmaschine, die in ihm sprudelt sowie seine glasklare, stets elegante Sprache. Dass er ein ganzes Wochenmagazin nach seiner Art prägen konnte, ohne dabei die Wurzeln des Titels zu verleugnen, ist eine beachtenswerte Leistung, die ihm (leider) niemand nachmacht. Wie lebendig und aufregend wäre doch eine Schweizer Medienszene mit zwanzig Köppels in den Sesseln der Chefredaktionen! Die müssten auch gar nicht alle männlich und liberalkonservativ sein, sondern vielleicht weiblich, grünliberal oder kommunistisch. Und nicht besessen von Politik und Wirtschaft, sondern vielleicht von Mode, Fussball, Biologie, Mangas oder Malerei.
1988-1994:
Film- und Sportredaktor bei der NZZ
1994-1997:
Kulturredaktor beim Tages-Anzeiger
1997-2001:
Chefredaktor «Das Magazin», ab 2000 zusätzlich stellvertretender Chefredaktor beim Tages-Anzeiger.
2001-2004:
Chefredaktor der Weltwoche
2004-2006:
Chefredaktor «Die Welt»
2006-heute:
Chefredaktor und Eigentümer der Weltwoche
Auch wenn dem inzwischen zum Millionär gewordenen Aufsteiger nachgesagt wird, geizig zu sein und in ständiger Angst vor dem Verarmen zu leben, zahlt er seine Mitarbeiter ordentlich, die Freien sogar sehr gut im Vergleich zur Konkurrenz. Er lebt in Symbiose mit seiner Firma – jeder Franken, der ausgegeben wird, sieht er als sein eigener an, jeder gemachte Fehler betrifft ihn ganz persönlich. Doch während viele Journalisten das Soziale vor allem im Herzen verspüren und auf der Zunge herumtragen, erhält Unternehmer Köppel die anderenfalls wohl schon längst an ihren Verlusten hingeschiedene Weltwoche als finanziell rentablen Hort des wertvollen Journalismus. Unterschlupf bei seiner Zeitung fanden in den letzten Jahren nicht nur eine Reihe von jungen, noch beeinflussbaren Männern, sondern auch einige gestandene Herren, die nach einem kurzzeitigen Höhenflug im Mittelmass des Consultings dümpelten, so Ex-Bilanz-Chef René Lüchinger oder Ex-Sonntagszeitung-Chef Martin Spieler. Sogar Journalisten, die ihn öffentlich frontal angriffen (René Zeyer) oder seine Karriere gefährdeten (Tom Kummer), fanden wieder Arbeit bei ihm. Wie viele andere Chefs in dieser eitlen Branche zeigen denn eine solche Grösse und eine solche Bereitschaft zum Verzeihen?
Sonnenkönig und Duracellhase
Oder geht es hierbei um etwas Anderes, um Macht? Um die Möglichkeit, zu herrschen, Menschen zu beherrschen? Denn wer zur Weltwoche geht, muss bereit sein, sich einem uneingeschränkt herrschenden Sonnenkönig unterzuordnen, der selbst im Einzelbüro sitzt, während die angestellten Journalisten im lärmigen Grossraumbüro kreativ werden sollen. Die «Checks und Balances», von denen Köppel so gerne schreibt, gelten natürlich für Staatsgebilde, und nicht etwa für ein privates Unternehmen wie die Weltwoche. Aber Köppel ist schlau: Um nicht als Diktator gelten zu müssen, darf selbstverständlich jeder in der Weltwoche exakt das schreiben, was ihm gefällt – aber nur, wenn es gut genug ist. Also gut genug für Köppel. Ist das nicht der Fall, wird diskutiert, und zwar so lange, bis der Opponent einsichtig wird oder aufgibt. Er (und auch Markus Somm) verhalten sich in Diskussionen wie Duracellhasen und wiederholen auch noch dann ihre Standpunkte in neuen Variationen, wenn ihre Gesprächspartner längst resigniert haben oder aus Langeweile eingeschlafen sind. Grundsätzlich ist und war es Weltwoche-Redaktoren immer möglich, etwas gegen den Willen der Chefredaktion durchzubringen – lange bis sehr lange Diskussionen muss man dafür aber aufwenden. Das ist nicht nur Abwehrstrategie, denn Köppel will tatsächlich, dass man seine Argumente nachvollziehen kann; vor allem aber will er die Diskussion gewinnen. Der Klügere gibt nach, so die Redewendung. Der Beharrliche aber gewinnt. Vielfach kommt es jedoch gar nicht zu Konfrontationen, denn gegen seine Dominanz und Argumentationskraft glauben viele Mitarbeiter nicht anzukommen. Kurz: Was Köppel nicht gut findet, wird nicht gemacht, und dann heisst es in der Weltwoche-Redaktion: «Deine Argumentation ist zu wenig gut» oder «Du musst zuerst ganz anderes schreiben, damit ich Dir dafür Platz einräume».
Köppel selbst sieht es so: «Die Weltwoche ist eine Zeitung, bei der der Autor eine grössere Freiheit hat als anderswo. Wo man ihm sagt: Ich sehe es nicht so, aber wenn Du es unbedingt so schreiben willst: Es steht ja Dein Name drüber, also schreibe es. Ich bin fordernd, wenn ich das Gefühl erhalte, dass sich einzelne Leute divenhaft oder egozentrisch verhalten und glauben, sie seien Starautoren und können nur alle fünf Monate etwas schreiben. Aber habe ich schon jemals einem Journalist gesagt, was er schreiben muss und habe das gegen seinen Willen eingefordert? Nein. Wenn ich den Leuten sagen muss, was sie schreiben müssen, dann kriege ich Depressionen. Gute Journalisten lassen sich nichts diktieren. Die Weltwoche kann nicht auf Ja-Sager setzen, und würde ich solche Leute anstellen und behalten, wäre ich als Chef eine Flasche. Entscheidend ist, dass man bereit ist, die Wirklichkeit zu beschreiben, auch wenn sie den eigenen Vorurteilen widerspricht. Man muss sich auf die Sache einlassen können und etwas zu sagen haben. Diese Art von Selbstentfaltung, bei der sich das Selbst an einem Gegenstand, an einer Beobachtung oder einer triftigen Einsicht entfaltet – das ist der Reiz meines Berufes. Die Weltwoche ist das natürliche Asylheim für alle jene, die diese Art von Freiheit und Unabhängigkeit publizistisch zum Ausdruck bringen wollen. Das ist das Gegenteil von Ego-Journalismus, von Selbstbespiegelung und Nabelschau.»
Mitarbeiter, die ihm echt Paroli bieten konnten und das auch wollten, sind nach und nach gegangen oder gegangen worden: Markus Somm, Eugen Sorg, Thomas Widmer, Peer Teuwsen, um nur einige zu nennen. In der aktuellen Redaktion sind abgesehen von den letzten Neuzugängen am ehesten noch Stellvertreter Philipp Gut sowie Alex Baur in der Lage, Köppel rhetorisch Contra zu geben – was jetzt nicht zwingend als Kritik gesehen muss, denn viele erreichen ihre Ziele ja auch ohne Debatten. Führen ohne grosse Opposition ist natürlich bequemer, aber es macht das Blatt nicht besser. Die Weltwoche ohne potente innerredaktionelle Opposition contra Köppel ist kalkulierbarer geworden, langweiliger, und ja, schlechter. In seinem vieldiskutierten Editorial «Begehren» (Weltwoche vom 4. September 2014) steht der Satz: «Der begehrende Mann ist nicht mehr zurechnungsfähig.» Dass es in der Weltwoche-Redaktion niemanden gibt, der Köppel so einen Satz rausstreicht, ist bedenklich. Wer Männer im Rausch ihrer Lust für unzurechnungsfähig erklärt, rechtfertigt Übergriffe jeder Art, denn Unzurechnungsfähigkeit meint Schuldunfähigkeit (siehe StGB Art. 19, 1 und 2). Es gibt übrigens eine grosse Weltreligion, die Verschleierungs-Schutzmassnahmen getroffen hat, um den Mann vor den ungeheuerlichen Auswirkungen visueller Reize zu schützen – vielleicht könnte die das Problem bewältigen.
Mit dem Rammbock an das Burgtor
Es sind auch nicht alle Mitarbeiter gleich vor dem Mann, der sowohl der Redaktion als auch dem Verlag vorsteht: Er unterscheidet zwischen jenen im Schützengraben (Journalisten) und jenen im Parfümfach (alle anderen beziehungsweise die schlechten Journalisten). O-Ton Köppel: «Wir sind die ersten, die mit dem Rammbock an das Burgtor hämmern und dann mit Pech und Schwefel übergossen werden! Fünf Jahre danach, wenn die Burg erstürmt ist und wir schon längst an der nächsten Burgmauer stehen, kommen die Parfümbrigaden der NZZ am Sonntag unter dem Applaus der Hofdamen.» Zeit, um einen Moment über die phallische Symbolkraft dieses Bilds nachzudenken: Mehrere Männer versuchen gemeinsam, mit einem «Pfahl» eine «Tür» zum Bersten zu bringen, um Zugang zur «Burg» zu erhalten?
Ist es das Selbstverständnis der Weltwoche, das viele Frauen davon abhält, für ihn zu arbeiten, sich für ihn in den Schützengraben zu stürzen? Köppel glaubt das. Er habe oft (und oft erfolglos) versucht, Frauen zur Weltwoche zu holen. Zwar gebe es welche, die es aushalten, auch mal in Sippenhaft genommen zu werden, doch vielleicht sei die Weltwoche manchmal nicht das ideale Betätigungsfeld für Frauen; denn von Frauen werde erwartet, dass sie immer makellos, unangreifbar und mit strahlendem Image auftreten. «Im Verhältnis nach Aussen sind Frauen oft auf Harmonie und Zurückhaltung bedacht, nach Innen dagegen, im Beziehungsverhältnis, sind sie oft jene, die die Harmonie stören.» Auch die Energien, die sie entfesseln, wenn sie sich stark exponieren, seien «heavy»: «Ich beobachte einfach, dass Frauen Mühe haben, sich so zu exponieren, wie das in der Weltwoche halt oft erforderlich ist. Es gibt ja auch nicht allzu viele Männer, die diese Unabhängigkeit haben. Bei Frauen kommt dazu, dass sie stärker kritisiert werden als Männer, wenn sie entsprechend dezidiert auftreten. Das ist eigentlich schade, weil ich viele Frauen kenne, die brillant schreiben und die ich gerne für die Weltwoche gewinnen würde, aber vielleicht ist ihnen die Hitze bei der Weltwoche zu hoch.» Ein ehemaliger Mitarbeiter sagt, Köppel sehe sich als ein General, der seine Truppe kommandiert. Wer ihn regelmässig liest, kommt nicht um die Lektüre vieler militärischer Vergleiche, was mit der Lieblingslektüre von Historiker Köppel zu tun haben könnte, historischen Sachbüchern.
Als Chef ist er herausfordernd, mit einer grossen Sprunghaftigkeit in der Organisation. Mehrere Quellen sagen, dass er ohne sein Sekretariat, das ihm die E-Mails ausdruckt, den Alltag organisiert, Blumen bestellt für seine Frau und ihm sagt, wann er den nächsten Zug nehmen muss und wann zum Vortrag aufbrechen, verloren wäre. Das von ihm nach dem Buch «Das Blocher-Prinzip» bei der Weltwoche eingeführte Antragswesen findet er in der Theorie zwar genial, in der Praxis aber ist er ein Nonkonformist, der auf alle Regeln pfeift. Es ist also ein eher chaotischer Mann mit dem Wesen eines Anarchisten, der die Schweiz zu geordneten, konservativ-liberalen Werten verpflichten will. Die Folge davon: Konflikte in der Weltwoche werden oft ausserhalb der Struktur geregelt, bilateral. Seine wenigen Schwächen zusammengefasst: Sprunghaftigkeit, überbordender Wille zur Macht und obsessives Verhalten verbunden mit der Neigung, sich in totale Details zu verbeissen oder dem Thema gegenüber distanzlos zu werden. Dass er jeweils am Mittwochmorgen noch bis drei oder vier Uhr morgens an den letzten Details der neuen Ausgabe feilt, kann als grosse Leidenschaft und grosser Einsatz in der Tradition Rudolf Augsteins angesehen werden, denn auch dieser blieb oft bis tief in die Nacht in der Redaktion und wurde gelegentlich sogar morgens eingeschlafen an seinem Schreibtisch vorgefunden – oder als mangelhafte Fähigkeit, gut zu organisieren. Oft schafft es die Realität einfach nicht, seinem Ehrgeiz zu entsprechen.
Loslösung aus dem Journalistenpulk
Sein Wille zur Macht manifestiert sich auch in der Nähe zur Macht. In den letzten Jahren wurde unübersehbar, wie sehr er vom milliardenschweren Politiker Christoph Blocher beeinflusst ist. Offenbar musste Köppel nach und nach feststellen, dass er Blochers Positionen in nahezu jedem Punkt teilt. Öffentlich bleibt die Beziehung der beiden undurchsichtig. Sichtbar ist, dass Köppel im Zuge von Blochers Vorarbeit den Schweizer Journalismus befreit hat von der Übermacht eines linksgrünen Moralismus, wofür er geradezu obsessiv jedes tatsächliche oder vermeintliche Denkverbot besprungen und auseinandergenommen hat. Er hat sich empanzipiert und befreit von den in ehemals seinem Umfeld gepflegten Meinungen; denn viele seiner Kollegen im Journalismus haben (vielleicht nicht mal bewusst) im Nachgang der Aufstände gegen ein allzu selbstzufriedenes Bürgertum 1968 und 1980 eine ziemlich unverrückbare, elitäre Haltung angenommen, die von der breiten Masse nicht geteilt wird. Sein Mut, Haltungen und Meinungen zu vertreten, die im eigenen Umfeld zunächst kaum jemand teilte geschweige denn zu sagen oder zu schreiben wagte, steht in der Tradition selbständigen Denkens. Bei besonders kühnen Thesen mag eine Absturzgefahr in die Lächerlichkeit zu bestehen. Doch wer es nicht wagt, sich lächerlich zu machen, der bringt die Welt nicht voran; es ist das Schicksal aller Pioniere.
Roger Köppel lebt mit seiner Frau Bich-Tien, einer früheren UBS-Mitarbeiterin, in Küsnacht bei Zürich; aus der Ehe sind bisher zwei Söhne und eine Tochter hervorgegangen. In seiner Freizeit liest Köppel gerne, «namentlich historische und philosophische Literatur, auch Theologie, Biografien, weniger Romane». Er ist Mitglied der Zunft zum Kämbel, Vorstandsmitglied der Opernfreunde Zürich und unterstützt als langjähriger Fan den Eishockeyverein «Kloten Flyers» via «Business Circle» auch finanziell. Nebenamtlich hält Köppel Vorlesungen über Schweizer Wirtschaftspolitik an der Hochschule St. Gallen (Executive MBA).
Köppels Abschied von der Denkweise seines Umfelds entwickelte sich langsam, aber stetig. Wer seinen 1998 zum Skandal aufgebauschten Text «Zum Genre des Scheissfilms» heute liest, kann gar nicht mehr recht erkennen, was genau damals so problematisch war. Die Abrechnung mit ödem, pseudogeistigem Filmstoff, wie ihn Wim Wenders, Alain Tanner oder Jean-Luc Godard mitunter erstellten, wurde wohl vor allem deshalb zum Skandal, weil sie einige Säulenheilige von ihren Sockeln runterschubste, auf die sie seine Kollegen zuvor gestellt hatten. Köppels feines Gespür für die Schwächen ihrer Positionen und der Mut, diese blosszustellen, ist nach wie vor der Hauptgrund für den Konflikt zwischen ihm und dem Journalistenpulk vom Typ sich intellektuell gebender Stadtbewohner mit SVP-Abneigung. Das Echo auf seine Provokationen erschallt in diesen Kreisen immer wieder neu und gleich. Es ist ein etwas fad gewordenes Ritual beider Seiten, das kaum noch Überraschung in sich trägt; man kann es sich jeweils am Montag in der Radio1-Sendung «Roger gegen Roger» anhören. Das Problem sei nicht, so Köppel, dass er anders schreibe als die meisten Journalisten. Das Problem sei, dass die anderen Journalisten nicht so schreiben wie er. «Ich habe nichts gegen Leute wie Frank A. Meyer, ich kam mit dem sehr gut aus! Doch in dem Moment, als ich meine Sichtweise präsentiert habe, war ich nicht mehr erwünscht. Werde ich nun anders schreiben, damit der mich wieder mal zum Abendessen einlädt? No fucking way!»
Sein Weg geht hin zur Ehrlichkeit, so jedenfalls sieht er es selbst: «Das, was die Würde meines Jobs ausmacht, ist die Frage: Bin ich wirklich ehrlich? Stimmt mein Motiv? Schreibe ich das, was ich wirklich, nach bestem Wissen und Gewissen, denke? Es ist mein höchstes Ziel, dass die Weltwoche DIE Plattform des freien Denkens ist. Klar, auch ich kann mit einer Weltwoche nicht beliebig Inserenten verstören. Aber ich kann Ihnen versichern: In der Weltwoche, wie sie heute ist, können Sie zu 85 bis 90 Prozent ganz frei schreiben, was Sie denken. Bei allen anderen Zeitungen, wo ich bisher war: höchstens 50 Prozent.» Das klingt grossartig. Aber Fifa-Präsident Sepp Blatter, der «für eine breite Öffentlichkeit zum Inbegriff für Korruption geworden» ist (Zitat NZZ), sagt auch solche Sätze (Direktor Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Fifa: Walter de Gregorio, Ex-Redaktor der Weltwoche und dem Haus nach wie vor freundschaftlich verbunden). Gefragt nach dem «wichtigsten Überlebensprinzip in der Fifa» antwortete er Köppel: «Erstens: die fundamentale Ehrlichkeit mir selbst gegenüber. Zweitens: der fundamentale Glaube daran, dass meine Mission die richtige ist.»
Auch der zweite Satz könnte für Köppel gelten. Als das MEDIENWOCHE-Interview 2011 von ihm gegengelesen zurückkam, folgte kurz darauf noch ein weiteres E-Mail. Er schrieb mir:
Irgendwo hinten heisst es im Abschnitt über Keller-Sutter: «Wir machten nur unseren politischen Job». Es müsste heissen «journalistischen Job».
Ein freudscher Verschreiber der besseren Sorte, aber die Frage ist evident: Geht es um einen politischen oder um einen journalistischen Job, um eine Mission, einen Auftrag gar? Denn in Teilen der Öffentlichkeit hat sich die Vorstellung durchgesetzt, dass die Weltwoche ein SVP-Kampfblatt ist, das blind nachbetet, was die Führung vorbetet. Das ist zwar nur teilweise der Fall, und meist kommt der Vorwurf von Leuten, die seit Jahren keine Weltwoche mehr gelesen haben. Dennoch haben sich die Übereinstimmungen zu den Positionen der SVP nach blocherscher Prägung 100 Prozent angenähert, was den Verdacht einer Parteipropaganda immer wieder nährt. Der «Einsatz für die Schweiz», sagt Köppel, sei für ihn eben immer bedeutsamer geworden. «Ich habe vielleicht erst im Ausland richtig realisiert, wie wichtig unsere Staatssäulen, wie wichtig Unabhängigkeit und Selbstbestimmung für die Schweiz sind. Diese Säulen sind die entscheidende Voraussetzung für den Wohlstand und den Erfolg unseres Landes. Nennen Sie es Mission, nennen Sie es Kampfblatt, ich habe gar nichts dagegen. Ich kämpfe für diese unabhängige, freiheitliche, selbstbestimmte und weltoffene Schweiz, die heute politisch gefährdeter ist denn je.» Was ist der Zusammenhang zum kürzlich vorgestellten CS-Sorgenbarometer, das vermeldet, dass 90 Prozent der befragten Schweizer «sehr oder zumindest eher stolz» sind, Schweizer zu sein? Hat Köppel hier einen Trend erkannt oder einen erschaffen? Die Antwort ist die: Zwischen SVP und Weltwoche, zwischen Blocher und Köppel bestehen starke Wechselwirkungen. Es sind zwei Männer, die die Schweiz prägen möchten und sich gegenseitig beeinflussen.
Parallelen zu Rudolf Augstein
Köppel hat in den letzten Jahren das Nationale so betont wie das Liberale, und bei dieser Kombination fällt einem natürlich der Gründer des «Spiegel» ein, Rudolf Augstein, den Ralf Dahrendorf 1993 den «letzten Nationalliberalen» nannte. Köppel und Augstein teilen schwierige junge Jahre, frühe Führungserfahrungen, den Drang, einer politischen Meinung Ausdruck zu geben, eine gewisse Geneigtheit zur Ehrfurchtsverweigerung, die Sympathie für die Radikal-Liberalen der FDP / (SVP) sowie die Abneigung für übertriebene Politische Korrektheit und für die Vereinigungsbestrebungen der Länder in Europa. Während Augstein 1962/1963 von der Regierung für 103 Tage inhaftiert wurde, wurde Köppel auch schon belästigt und bedroht: 2006 wurde ein mit einem Messer bewaffneter Student vor der «Welt»-Redaktion abgefangen. Köppel nimmt es in Kauf und geht unbeirrt seinen Weg: «Wenn du eine unbequeme, unkonventionelle Zeitung aufbauen willst, dann musst du auch bereit sein, unten durch zu gehen.» 2010 nannte Köppel den «‹Spiegel› der frühen sechziger Jahre» als Vorbild für die Weltwoche, und das gilt augenscheinlich für die mitunter fragwürdigen und verunglückten Titelbilder. Als Augstein so alt war wie Köppel heute, stand er vor einem Einstieg in die Politik, hier ein Gespräch kurz vor dessen 50. Geburtstag:
Stellt man die Annahme, Köppel orientiere sich an den Tugenden von Augstein, ohne seine Laster zu übernehmen, so wäre es angesichts des unglücklichen Ausflugs von Augstein in die praktische Politik jetzt an der Zeit, sich von der Politik und auch von der Wirtschaft zu emanzipieren und den Verlockungen der Macht und des Geldes vermehrt zu widerstehen. Denn trotz gebetsmühlenartiger Betonung der eigenen Unabhängigkeit konnte er seine Gegner bisher nicht überzeugen, dass seine Weltwoche stets unvoreingenommen und von der Machtelite unabhängig vorgeht. Was nicht nur ein journalistisches, sondern auch ein kommerzielles Problem ist, und damit sind nicht prioritär die in den Anzeigenabteilungen der Zeitungsbranche üblich gewordenen Bedingungen für geschaltete Inserate gemeint. Die Leser wollen Informationen, nicht Propaganda, und Leute, die glauben, er betreibe Propaganda, meiden seine Publikationen und werden das auch zukünftig tun.
Köppel hat nun einen anderen Weg eingeschlagen – statt sich von der Politik zu distanzieren, will er sie selbst gestalten. Am 26. Februar 2015 verkündete an einer Pressekonferenz, er sei in die SVP eingetreten und wolle für die Partei kommenden Oktober in den Nationalrat einziehen. Doch wie ist es Rudolf Augstein ergangen, als er mit 50 für die FDP in den Bundestag einzog? Es ist in der Biografie von Peter Merseburger nachzulesen: «Freunde und Mitarbeiter, die sich in der politischen Alltagspraxis besser auskennen als er, melden alle ihre Zweifel an, aber geradezu störrisch beharrt Augstein darauf, eine Position in der Regierung oder die Macht in der Fraktion zu übernehmen.» Trotz vorheriger Zusicherung wird dem Parlamentsneuling der Fraktionsvorsitz verwehrt, statt in den Ausschuss für Aussenpolitik wird er in den für Medienpolitik geschickt. Und bald schon ist er immer häufiger «weder in Fraktionssitzungen noch im Bundestagsplenum zu finden, sondern im Bonner ‹Spiegel›-Büro». Augsteins Zeit im Bundestag dauert lediglich von November 1972 bis zum Januar 1973, danach legt er sein Mandat nieder. Rückblickend sagte Augstein über seinen Ausflug in die Politik: «Ein Mensch wie ich, was soll der im Bundestag, letztendlich?»
Und ein Mensch wie Roger Köppel? Es wird sich herausstellen, ob sein Einstieg in die Politik ein langfristiges Engagement ist, das in einer Führungsrolle innerhalb der Partei mündet – oder ob es sich dabei nur um einen Publicity-Stunt für seine Zeitschrift handelt. Tatsächlich ist er ein herausragender Journalist und eine Bereicherung für die manchmal allzu brave, allzu harmoniesüchtige, gar feige Schweiz. Und er tut gut daran, prioritär einer zu bleiben, auch wenn seine Bekanntheit und sein Redetalent inzwischen problemlos grössere Säle füllen. In einem Betätigungsfeld wie der Politik könnten journalistische Qualitäten wie geistige Flexibilität, Provokationslust und Mut zum Umbruch in gefährlichen Wankelmut, unmotivierte Aggression und unnötige Änderungen umschlagen. Oder einfach ins Nichts verpuffen, wie bei Augstein. Köppel kontert: «Ich habe ganz andere Motive als Augstein, der mit 50 eine neue Herausforderung suchte. Ich habe ein echtes politisches Anliegen: Ich muss mich für die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Schweiz einsetzen.» Auch wenn sich Köppel gerne wie ein Politiker neben seine Leser, Zuhörer und Fans stellt – von einem Journalismus von unten ist sein Blatt nach wie vor weit entfernt. Will Köppel tatsächlich einen echten Kontrapunkt setzen zur im Journalismus so verbreiteten elitistischen Sichtweise, wie sie ein Frank A. Meyer exemplarisch vertritt, dann muss er zukünftig echte Distanz schaffen zu den Mächtigen. Auch zu jenen von der anderen Seite. Also wenn er es ernst meint mit seiner ganz persönlichen Emanzipation.
alex.baur@weltwoche.ch 01. März 2015, 11:37
Bingo. Verneige mich und gratuliere. Nix beizufügen.
Heinz Kremsner 01. März 2015, 13:23
Ach Herr Grob: ihr Vergleich mit Augstein ist doch völlig absurd. Während Augstein ein eigenständiges Denken hatte ist Köppel doch nichts anderes als ein Nachplapperi von Blocher-Gedankengut – und SVP-Dogmas und Absurdien – der BAZ-Somm übrigens dasselbe. Ich spar mir hier eine Aufzählung. Mit Nachdenken finden sie das selber raus. Einfach zur Erinnerung: In den Jahren ab 2001 hat Köppel in der WW praktisch jede Woche irgend einen Furz von Blocher gebracht und ihn selig gesprochen.
Beni Lehmann 01. März 2015, 20:04
Lieber Herr Grob, das ist mir mal noch ein Bewerbungsschreiben. Viel Glück, halten Sie uns auf dem Laufenden! Beste Grüsse, Beni Lehmann
Frank Hofmann 01. März 2015, 23:41
Als Weltwoche-Leser bin ich nicht glücklich über seinen Entscheid und hoffe, dieser Trip in die praktische Politik möge von kurzer Dauer sein. Er wird sich zwischen Redaktion, Verlag, Partei, Bundeshaus und Familie hoffnungslos verzetteln. Wo soll da noch Zeit für Reflexion und Musse bleiben? Ein Problem wird wohl auch die ganz wegfallende Distanz zur Partei und zu ihren Exponenten werden.
Markus Schär 02. März 2015, 10:10
Keine Angst, Roger bewältigt jetzt schon ein unfassbares Pensum. Und im Nationalratssaal kann man (mit Gehörschutz) ganz viel denken und schreiben.
René Zeyer 02. März 2015, 12:19
Auch ich kann mich Alex Baur nur anschliessen. Und aus eigener Erfahrung bestätigen, dass Köppel der einzige Chefredaktor der Schweiz ist, den man wirklich sehr massiv öffentlich anrempeln kann, der aber, was mich von anderen leidvollen Erfahrungen geprägt, angenehm verblüffte, keine Sekunde zögert, Texte von mir abzudrucken. Dagegen verblasst alles „SVP-Parteikampfblatt“-Gedöns. Nicht die „Weltwoche“ ist das Problem der Schweizer Medienlandschaft, der grosse Rest ist’s.
irgendeiner 02. März 2015, 16:37
@Heinz Kremsner, 1. März 2015, 13:23
Ach Herr Kremsner, Ihr SVP-Bashing mangelt an substanziellen Argumenten. Autor Grob hat eine objektive Bilanz publiziert.
SVP-Gegner müssten erst mal standfeste Argumente finden und nicht immer dieselben längst widerlegten Mantras nachbeten!
Karl Lüönd 02. März 2015, 17:35
Lieber Ronnie Grob, das ist gut gedacht, fair dargestellt und witzig geschrieben. Ich glaube, Du liegst ziemlich richtig. Ich halte zwar die Funktionen von Journalist und Parlamentarier unter heutigen Bedingungen für unvereinbar, aber der Roger soll’s doch mal versuche. Er hat keine Chance, aber er wird sie nutzen.
M. Pestalozzi 02. März 2015, 18:24
Für mich war das ein kurioser und etwas lang geratener Artikel. Ich will gerne glauben, dass Köppel so brillant ist, wie er hier dargestellt wird, leider erschliesst sich mir diese Brillanz nicht. Hat er besonders gute Stories oder Argumente? Oder formuliert er sie prägnanter als andere? Oder geht es um den quantitativen Output? Ich sehe hier vor allem Beharrlichkeit (an sich eine Tugend), ein übersteigertes Selbstwertgefühl, eine Sehnsucht nach Ruhm und Anerkennung – was mit Brillanz ja grundsätzlich alles durchaus vereinbar ist. Was ich vermisse, sind eine Haltung oder Aussagen, die wirklich originell sind, die man als nachahmenswert resp. als neue Erkenntnis verbuchen kann. Aus meiner Sicht ist die Weltwoche konsequent aus SVP-Kurs getrimmt: Deckungsgleiche selektive Kritik am Bestehenden ohne Alternativvorschläge mit Hand und Fuss, Fundamentalopposition und Anti-Establishment-Gesülze während man gleichzeitig mit beiden Vorderbeinen im Futtertrögli steht und seine Stellung verteidigt. Ist ja alles legal und soweit OK. Unter Haltung und Ehrlichkeit verstehe ich etwas anderes.
Annabelle Huber 02. März 2015, 20:37
Toller Beitrag.
Aber der Augsteinvergleich dünkt mich nicht präzis.
Da sind komplett andere Energien dahinter, Augstein war ein Vollblut Skorpion,
Köppel hingegen ist in der Zone zwischen Fisch und Widder geboren.
Wenn man vor den Zeitschriftenregalen steht in einem Kiosk, so fällt eine Zeitung in ihrem Erscheinungsbild völlig aus dem Rahmen.
Schneeweiss mit blauem Schriftbild und einem mehr oder minder scharfen buntem Bild von immer ähnlicher Grösse.
Dass jemand, der diese Zeitung zum ersten Mal sieht, diese aufgrund ihres äusseren Erscheinungsbildes kauft, ist eher unwahrscheinlich. Oft schon habe ich mich gefragt, weshalb da nicht etwas Gefälligeres kreiirt wird, dem Zeitgeschmack Entsprechendes.
Seit diesem Wochenende ist es mir klar.
Diese Titelbildstruktur ist eine Seelenikone.
Die Seelenikone eines Krokus.
Die ersten bunten Blumen des Jahres, welche sich ihren Weg bahnen durch ihre eigene grobe Faserhaut, durch gefrorenen Boden und Schneedecken, um dann unter blauem Himmel sonnengelb zu erstrahlen als würden sie aus sich heraus leuchten.
Sie sind Boten der Zeit, wo der Winter am Vergehen und der Frühling am Kommen ist. Bindeglieder zwischen Ende und Neuanfang.
Irène Dietschi 02. März 2015, 21:41
Also das ist ja ein ganz ordentlich geschriebener Artikel, Herr Grob, ich wette, Sie haben das ganze Wochenende daran gearbeitet. Aber sollte der gute Roger nicht erst mal gewählt worden, bevor die Hagiographien über ihn erscheinen?
Ronnie Grob 02. März 2015, 22:42
Die Medienwoche ist ein digitales Medienmagazin. Da darf ein Porträt über den aktuell bekanntesten Schweizer Journalisten auch etwas länger sein. Ich habe daran sogar etwas länger gearbeitet als ein Wochenende, aber schön, dass Sie mir zutrauen, so ein Stück mal über ein Wochenende aus dem Ärmel zu schütteln. Genau genommen war der Text über ihn sozusagen schon beinahe fertig, bevor (ich und) die Öffentlichkeit letzten Donnerstag davon erfahren haben, dass er Nationalrat werden möchte.
Urs Meier 04. März 2015, 09:09
Die Aussage „Die Gegenposition zum Mainstream ist immer richtig“ ergibt zumindest eine gute Headline. Und falls denn eine Prise Selbstironie darin stecken sollte, wäre sie zur Not akzeptabel. Aber so sicher bin ich mir da bei Köppel nicht. Zustimmen würde ich der These: „Die Gegenposition zum Mainstream ist immer nötig.“ Dass sie „immer richtig“ ist, lässt sich daraus nicht ableiten. Ich habe den Verdacht, dass Köppel diesen Unterschied verneint. Entweder weil er ihn nicht begreift – das wäre ein Zeichen ideologischer Verblendung – oder weil er ihm nicht passt. Das wäre dann ein Zeichen von Opportunismus oder einer Masche, die ein rein marketing-basiertes publizistisches Erfolgsrezept als politische Haltung ausgibt.
Markus Schär 04. März 2015, 11:36
Ich will mich hier nicht als Exeget von Roger aufspielen. Wie ich ihn kenne (und wie er ja als Publizist für alle zu erleben ist), wollte er sagen: „Die Gegenposition ZU VERTRETEN ist immer richtig.“
Renato Stiefenhofer 07. März 2015, 20:56
Lassen Sie mich auf ein paar Punkte des Artikels hier in der Medienwoche (und im InfoSperber.ch) eingehen: Ich kenne Ronnie Grob nicht und habe ihn auch noch nie bewusst gelesen. Er schreibt übrigens ganz flüssig.
„Was Köppel nicht gut findet, wird nicht gemacht.“
Diese offenbar negativ gemeinte Aussage kann man auch mit vielen Sätzen nicht mehr schönreden. Muss man vielleicht auch nicht, denn als Chef einer Wochenzeitung steht sein Name drauf. Da erinnert sich keiner an den Redaktor X oder Kolumnisten Y. Da, wo WW draufsteht ist Köppel drin. Und das ist gut so!
Roger Köppel macht das, was sich insgeheim alle Journalisten erträumen; er schreibt, was er für richtig hält.
Roger Köppel sagt: „Entscheidend ist, dass man bereit ist, die Wirklichkeit zu beschreiben, auch wenn sie den eigenen Vorurteilen widerspricht.“
Das ist ein hehres Ziel, welches für viele Schweizer Diva-Journalisten unmöglich zu erreichen ist. Eine offenbar grosse Anzahl Schreiberlinge nimmt für sich in Anspruch, zu wissen wohin die Reise geht. In diesem Bewusstsein gipfelt dann auch die wiederholte Anwendung der Moralkeule. Anstatt moralisch zu sein, geben sie den Moralisten. In ihrem überschaubaren Dunstkreis der Redaktionen sind sie die kleinen Wadenbeisser, welche man gefälligst nicht zu kritisieren hat. Sie kleben über Jahrzehnte an ihrem Sessel, scheuen sich aber nicht, den Politikern genau diese Unart vorzuwerfen.
„Es ist also ein eher chaotischer Mann mit dem Wesen eines Anarchisten, der die Schweiz zu geordneten, konservativ-liberalen Werten verpflichten will.“
Diese Kombination wird jeder moderne Psychiater als Grundvoraussetzung erkennen, um ein festgefahrenes Problem nachhaltig zu lösen. Oder um die Schweiz wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Wobei über die Definition von „richtig“ in allem Anstand und unter Einsatz beider Gehirnhälften debattiert werden darf. Das dauernde „zur EU schielen“ darf man endlich als durchaus heilbare Krankheit erkennen. Danach kann sie mit eigenen, innovativen Lösungen therapiert werden. Die Welt besteht nicht nur aus dem sterbenden Koloss EU. Die Welt ist riesig. Als Pilot umfliege ich sie jedes Jahr ein paar Mal; nicht von der Schweiz aus, übrigens. Glauben Sie mir, es gibt nichts grösseres, als die Welt.
„Sein Wille zur Macht manifestiert sich auch in der Nähe zur Macht. In den letzten Jahren wurde unübersehbar, wie sehr er vom milliardenschweren Politiker Christoph Blocher beeinflusst ist.“
Nun, dieser Satz musste kommen. Das finde ich nun wirklich schade. Dieser typische Mainstream Reflex zeugt von einem schlechtem Verlierer, sorry. Oder wurde Ronnie Grob dazu etwa von seinem Chef genötigt? Man weiss so wenig. Vielleicht ist er ja selber Chef. Der Mythos Blocher ist einer. Kann ja sein, dass Blocher von Köppel beeinflusst wird. Think outside the box.
„…dass die Weltwoche ein SVP-Kampfblatt ist, das blind nachbetet, was die Führung vorbetet.“
Und weiter geht`s… Ok, Ronnie Grob, das mag in Ihrer Sichtweise so sein; aber man darf sich dann vielleicht in aller Bescheidenheit auch fragen, warum man heute offenbar ein solches „Kampfblatt“ braucht. Ein grosser Teil der Modernen Classe Politique, und damit meine ich vorwiegend die Kreide fressende Links-Grüne Allianz, hat sich von der Steuern zahlenden Bevölkerung endgültig entfesselt. Und mit ihnen der Mainstream-Journalismus. Gegensteuer ist das Gebot, sonst driften wir ab. Nach links.
«Ich habe vielleicht erst im Ausland richtig realisiert, wie wichtig unsere Staatssäulen, wie wichtig Unabhängigkeit und Selbstbestimmung für die Schweiz sind.
Da bin ich mit Roger Köppel absolut einig. Seit bald zwanzig Jahren lebe ich vorwiegend im Ausland (10 Tage als Tourist zuhause in Graubünden, 20 Tage als Arbeiter auf den anderen sechs Kontinenten..) und habe somit das eine oder andere Gespräch mit Ausländern im Ausland gehabt. Vom Schuhputzer bis zum Scheich. Habe das mal in einem Buch beschrieben. Fazit: Die Schweiz lässt sich mit keinem anderen Land vergleichen. In keiner Weise. Das müssen wir so beibehalten und verbessern. Aber auch geniessen und pflegen! Es gibt noch viel zu tun in unserem Land. Packen wir`s an.
„Es wird sich herausstellen, ob sein Einstieg in die Politik ein langfristiges Engagement ist, das in einer Führungsrolle innerhalb der Partei mündet – oder ob es sich dabei nur um einen Publicity-Stunt für seine Zeitschrift handelt.“
Das wäre nicht nötig gewesen, Herr Grob. Nachdem Sie Roger Köppel über so viele Zeilen mit Ihrem Kopf analysiert haben, kommt dieser Satz geradewegs vom Bauch. Entlarvend, leider.
Waren früher die Journalistinnen und Journalisten vorwiegend die Lösung der weltweiten und lokalen Probleme, so sind sie heute das Problem Nummer eins! Den Mainstream zu definieren überlasse ich den geschulten Psychologen. Tatsache scheint mir aber, dass die heutigen Journalisten keine Eier haben, ihre eigene Meinung kundzutun. Es ist mir schon klar, dass sie alle eine Familie zu ernähren haben und ein Häuschen abzubezahlen haben. Und die Kinder möchte man auch nicht der linken Lehrerschaft zum Frass vorsetzen. Aber kann man sich selber über Jahrzehnte verleugnen, ohne Schaden zu nehmen?
Ich finde, Roger Köppel ist eine Wohltat für die Schweiz, und ich hoffe, dass er den Sprung in die Politik schafft. Möglichst in den BR. Ob die Schweizer Politik so weit ist, bleibt zu hoffen. Der Bürger ist es längst!
Gruss aus Korea.
(Ich bin übrigens nicht mehr WW-Abonnent. Ich kaufe sie aber gerne ab und zu am Kiosk. Auch andere Zeitungen.)
Hannes Ackermann 04. April 2015, 04:02
Informatives Porträt (nein Laudatio), viel zu lang, viel zu viel Hochjubelei. Warum den überdurchschnittlichen Leserschwund (NZZ, 6.7.2014 http://webpaper.nzz.ch/2014/07/06/wirtschaft/LCZP8/parteinahe-presse-findet-nur-wenige-leser?guest_pass=110dd13ffe:LCZP8:d0b0f24048f0660bfbf31cbb6a30fb803f20c100) nicht angesprochen? Köppels wöchentliche Sucht aus Prinzip gegen den Mainstream zu schreiben macht ihn unglaubwürdig. Köppel als Politiker UND Journalist UND Unternehmer? Schlechte Mischung.
H. Ackermann