«Die Privatsender wären die grossen Verlierer»
In der Diskussion um das revidierte Radio- und Fernsehgesetz RTVG waren die Privatsender bisher die grossen Abwesenden. Für sie steht, im Gegensatz zur SRG, viel auf dem Spiel am 14. Juni. Wird die Vorlage abgelehnt, dann fehle nämlich dringend benötigtes Geld für den weiteren Ausbau von DAB-Digitalradio, sagt Jürg Bachmann, Präsident des Verbands Schweizer Privatradios.
MEDIENWOCHE: Nach Ihrem Auftritt gestern könnte man den Eindruck gewinnen, es gehe am 14. Juni um die Existenz von Privatradio und -fernsehen in der Schweiz. Steht es so schlimm um die Sender, dass sie nur mit zusätzlichen öffentlichen Geldern überleben können?
Jürg Bachmann: Es geht natürlich nicht um die Existenz der Sender. Aber es ist so, dass heute fast alle Privatradios ihre Programme gleichzeitig auf UKW und digital über DAB ausstrahlen. Das heisst: Sie zahlen die doppelten Verbreitungskosten bei gleicher Hörerzahl. Das müssen sie machen, weil der Staat einmal beschlossen hat, DAB als Nachfolgetechnologie von UKW einzuführen. Das ist auch vernünftig, weil DAB unbestrittene Vorteile bringt. Vorderhand kostet es aber das Doppelte. Die SRG kann diese Kosten aus Gebührenmitteln finanzieren, die Privaten hatten diese Möglichkeit bisher nur in eingeschränktem Mass.
Was würde das revidierte RTVG daran ändern?
Bei einem Ja gibt es die für den Technologiewandel benötigten Mittel, welche die Privatradios nicht selber berappen können, und es gibt Marketinggeld, um die Nutzung von DAB weiter zu fördern.
Nun geht es bei der Vorlage im Kern um ein neues, in der Diskussion umstrittenes, Finanzierungsmodell für den öffentlichen Rundfunk. Daneben geht ihr Anliegen der Technologieförderung völlig unter. Was läuft falsch?
In dieser Vorlage sind tatsächlich verschiedene Elemente enthalten, die miteinander nichts zu tun haben. Zudem wird die Diskussion etwas seltsam geführt von Seiten der Referendumsbefürworter. Es wird über Themen diskutiert, um die es in der Abstimmung gar nicht geht. Ausgehend von einer Veränderung der Finanzierungsmodalität wird heute plötzlich über die Rolle der SRG diskutiert. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt! Bei einem Nein, wird die SRG die genau gleiche Position haben wie vorher. Es wird auch weiterhin die Billag geben, die Kontrollen bei Schwarzhörern und -sehern durchführen muss.
Was auch heisst: Anders als für die SRG steht am 14. Juni für die Privaten wirklich etwas auf dem Spiel.
Das ist genau so. Auch die SRG ist natürlich interessiert an einem neuen Gebührenmodell. Für die Privatsender ist es aber enorm wichtig, dass dieses Gesetz angenommen wird, weil es wirkliche Vorteile bringt. Das hat das Parlament bewusst so gewollt. In den Räten wurden diese Neuerungen befürwortet. Daher wären die Privatsender die grossen Verlierer bei einem Nein.
Aktuell sieht es aber nicht danach aus, als ob das neue Gesetz angenommen würde. Was machen die Privatsender bei einer Ablehnung?
Wie heisst es so schön: Wer wirklich etwas erreichen will, hat keinen Plan B. Aber wir machen uns natürlich schon Gedanken. Klar ist, dass wir bei einer Ablehnung der Vorlage keine zusätzlichen Gebührengelder erhalten würden. Damit kann nicht in Programm und Ausbildung investiert werden. Ganz schlimm wäre es für die weitere Einführung von DAB-Digitalradio. Dafür braucht es Geld fürs Marketing, das dann eben fehlen würde. Die Einführung von DAB würde massiv verzögert. Ob das dann überhaupt noch gelingen könnte und in welchen Zeitabschnitten oder welchen Massnahmen, ist unklar, gerade in einer Zeit, wo Internetradio stark wächst.
Angesichts dieser ungünstige Ausgangslage: Erweist sich die Abhängigkeit der Privaten von Gebührengeldern nun als Fluch?
Das würde ich so nicht sagen. Ich halte es weiterhin für richtig, bestimmte Radios, vor allem in struktur- und wirtschaftsschwachen Gebieten der Schweiz, mit Gebühren zu unterstützen. Das ermöglicht überhaupt erst Privatradio und -fernsehen in Rand- und Bergregionen und damit in der ganzen Schweiz einen regionalen Service public. Insgesamt haben die Gebühren die Privatsender gestärkt. Es erweist sich nun aber als ein Problem, dass diese Frage gekoppelt ist mit anderen Themen, die nichts mit der Vorlage zu tun haben. Das ist eigentlich schade.
An der Medienkonferenz am letzten Montag war auch die Rede davon, dass die Privaten mit den zusätzlichen Mitteln bessere Voraussetzungen für den Wettbewerb mit der SRG erhielten. Glauben Sie wirklich daran?
Die Privatradios bedienen etwa einen Drittel der gesamten schweizerischen Hörerschaft, die SRG zwei Drittel. So klein sind wir nun auch wieder nicht. Wenn aber DAB-Digitalradio finanziell nicht unterstützt wird, wie das im neuen Gesetz vorgesehen ist, dann wird der Abstand zur SRG noch grösser.
Sie betonen den technischen Charakter der Abstimmungsvorlage. In der öffentlichen Diskussion geht es aber um die SRG und den Service public. Warum?
Der Gewerbeverband hat die Diskussion gezielt in diese Richtung gelenkt. Damit werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger auf eine falsche Fährte gelockt. Wer meint, er könne mit dieser Abstimmung der SRG eins auswischen, wird nach einer allfälligen Ablehnung der Vorlage enttäuscht sein, dass SRG und Billag nach dem 14. Juni noch die genau gleichen sein werden wie heute.
Die Ja-Kampagne war bis jetzt praktisch unsichtbar. Wieso?
Unsere Kampagne findet mit nahezu null Franken statt, weil es sehr schwierig ist, in einer Branche Gelder zu finden, die zwar nicht notleidend ist, aber wo das vorhandene, erwirtschaftete Geld in die Programme investiert wird. Für politische Kampagnen bleibt kaum etwas übrig. Wir haben ja die Abstimmung nicht gewollt. Darum versuchen wir nun vor allem über Information und Aufklärung die Diskussion zu beeinflussen.
Sie sind nicht nur Präsident der Deutschschweizer Privatradios, sondern kümmern sich auch um Public Affairs der Goldbach Group, einem Unternehmen, das unter anderem für grosse ausländische und auch für Schweizer Privatsender die Werbeplätze vermarktet und somit von einer geschwächten SRG profitieren würde. Wofür stehen Sie nun?
Das stimmt eben so nicht. Die ausländischen und die sprachregionalen Schweizer Sender würden nicht notwendigerweise von einer geschwächten SRG profitieren. Der schweizerische Werbemarkt ist darauf angewiesen, alle Zielgruppen zu erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass auch die SRG Fernsehwerbung anbieten darf, damit der Werbemarkt überhaupt optimal funktioniert. In dem Sinn trage ich auch nicht zwei Hüte.
Ihre Arbeitskollegin, SVP-Nationalrätin Natalie Rickli, die auch bei Goldbach Media arbeitet, sieht das etwas anders.
Bei der Frage nach einem funktionierenden Werbemarkt, auf dem sowohl SRG als auch Private eine wichtige Rolle spielen müssen, sind wir gleicher Meinung. Bei der Frage zur RTVG-Revision vertreten wir unterschiedliche Haltungen.
Sie sagten, der Abstimmungskampf für ein Ja zum RTVG komme praktisch ohne Mittel aus. Weshalb kommt kein Geld von Goldbach?
Wir haben uns mit dem Thema auseinandergesetzt und entschieden, uns neutral zu verhalten. Goldbach würde zwar zu den Unternehmen gehören, die nach dem neuen System mehr bezahlen müssten für die Nutzung von Radio und Fernsehen. Gleichzeitig haben wir aber auch ein Interesse, dass die Privatradioszene gut funktioniert, weil eines unserer Tochterunternehmen Radiowerbung verkauft. Die verschiedenen Interessen halten sich die Waage und darum hält sich Goldbach aus dem Abstimmungskampf raus.
Zum Schluss: Ihre Prognose für die Abstimmung vom 14. Juni?
Aufgrund der bisher gemachten Meinungsumfragen, aber auch der Gespräche, die ich beruflich und privat führe, halte ich das Resultat nach wie vor für offen. Umso wichtiger ist es, dass wir auch von unserer Seite Argumente einbringen, um die Diskussion wieder in sachliche Bahnen zu lenken, damit letztlich ein Ja zum revidierten RTVG resultiert.